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GOÄ-EntwurfGOÄ-Reform die Zweite – eine lange Geschichte geht weiter (Teil 1)

30.06.2025Ausgabe 7/20254min. Lesedauer
Von Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeits- und für Medizinrecht Dr. Tilman Clausen, armedis.de und Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Kyrill Makoski, LL. M. (Boston University), m-u-p.info

Die GOÄ wurde zuletzt 1982 vollständig überarbeitet. Seit Jahren gibt es Forderungen, die GOÄ an den aktuellen Stand der Medizin sowie das heutige Preisniveau anzupassen. Die Bundesärztekammer (BÄK), der Verband der privaten Krankenversicherungen und die Beihilfestellen haben eine neue Gebührenordnung (im Folgenden: GOÄ-E) entworfen und den Entwurf den ärztlichen Fachverbänden vorgestellt. Wegen zahlreicher kritischer Rückmeldungen wurde die Weitergabe an das Bundesgesundheitsministerium zunächst verschoben. Erst die Billigung durch den 129. Ärztetag in Leipzig hat diesen Schritt nun ermöglicht. In der Diskussion bislang völlig unberücksichtigt geblieben ist, welche Folgen der neue Paragrafenteil in dem Entwurf für die Ärzteschaft haben wird. Dieser Beitrag beleuchtet § 1 GOÄ-E.

Anwendungsbereich (§ 1 Abs. 1 GOÄ-E)

Die GOÄ soll weiterhin die Vergütung für die beruflichen Leistungen der Ärzte regeln. Angesichts der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 04.04.2024, Az. III ZR 38/23 sowie Urteil vom 13.06.2024, Az. III ZR 279/23) wäre es sinnvoll, die Norm anzupassen und klarzustellen, dass es nicht auf die Person des Leistungserbringers bzw. Behandlers ankommt, sondern auf die Art und Weise der Leistungserbringung – nämlich eine ambulante Behandlung von Patienten, unabhängig von den Strukturen, in denen die Leistungen erbracht werden.

Gebührenstruktur und Gebührenvereinbarung (§ 2 GOÄ-E)

Das bisherige System von Gebührenziffern, die je nach Schwierigkeit der Ausführung gesteigert werden können, soll aufgegeben werden. Es soll dann nur noch ein nicht unterschreitbarer Gebührensatz abgerechnet werden können. Die bisherige Flexibilität in der Gebührenberechnung entfällt damit, die Umstände des Einzelfalls (z. B. besonders aufwendige Ausführung, Kommunikationsprobleme etc.) bleiben unberücksichtigt. Als Alternative bleibt nur noch die Gebührenvereinbarung nach § 2 Abs. 1 GOÄ-E, mit der die Gebührensätze nur gesteigert werden können (nicht vermindert). Wie schon jetzt sind bestimmte Leistungen von Gebührenvereinbarungen ausgeschlossen.

Bei der Gebührenvereinbarung soll es bei den bisherigen Vorgaben im Grunde bleiben (§ 2 Abs. 2 GOÄ-E). Allerdings wird zusätzlich gefordert, dass die Vereinbarung „rechtzeitig“ vor der Leistungserbringung geschlossen wird – was auch immer dies heißen soll. Außerdem soll in der Vereinbarung der „Steigerungsgrund“ angegeben werden. Dies ist eine deutliche Verschärfung zur aktuellen Rechtslage, denn bisher wird eine freiwillige Vereinbarung zwischen Arzt und Patient respektiert – und nicht nach dem Grund gefragt. Möglicherweise wird es dann „akzeptable“ und „inakzeptable“ Gründe für eine Vergütungsvereinbarung geben. Die Vereinbarung soll weiterhin schriftlich geschlossen werden, d. h., sie bedarf der Unterschrift von Arzt und Patient. Die aktuelle Tendenz zur Formerleichterung – z. B. durch den Wechsel zur Textform – soll nicht übernommen werden.

Verlangensleistungen (§ 1 Abs. 2 GOÄ-E)

Nach § 1 Abs. 2 GOÄ können Ärzte schon immer grundsätzlich nur medizinisch notwendige ärztliche Leistungen abrechnen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst erbracht worden sind. Sogenannte Verlangensleistungen, die über das Maß einer medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgehen, durfte der Arzt nur berechnen oder beauftragen, wenn sie auf Verlangen des zahlungspflichtigen Patienten erbracht worden sind.

Geplante Ergänzung der Regelung

„Rechtzeitig vor dem Erbringen von Leistungen, deren Kosten erkennbar nicht von einer Krankenversicherung oder von einem anderen Kostenträger erstattet werden, müssen Ärzte die Patienten in Textform über die Höhe des nach der GOÄ zu berechnenden voraussichtlichen Honorars sowie darüber informieren, dass ein Anspruch auf Übernahme der Kosten durch eine Krankenversicherung oder einen anderen Kostenträger nicht gegeben oder nicht sicher ist; Empfehlungen der gemeinsamen Kommission nach § 11a Bundesärzteordnung (BÄO) sind zu beachten.“

Diese Neuregelung findet sich bereits in § 630c Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dort wird der Behandler zur wirtschaftlichen Unterrichtung des Patienten vor Behandlungsbeginn verpflichtet, wenn er weiß oder hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist. Dann muss er den Patienten in Textform darüber informieren.

Daher stellt sich die Frage nach dem Sinn dieser Neuregelung, da es eine solche Verpflichtung für Behandler bereits gibt. Zudem ist die Neuregelung in der GOÄ-E weiter gefasst als in § 630c Abs. 3 BGB. Dort muss nur „vor Behandlungsbeginn“ unterrichtet werden, hier soll die Unterrichtung „rechtzeitig“ erfolgen, was immer auch damit gemeint ist. § 630c Abs. 3 S. 2 BGB regelt ausdrücklich, dass weitergehende Formanforderungen aus anderen Vorschriften unberührt bleiben. Das heißt, dass Behandler in solchen Fällen zukünftig doppelt zur Unterrichtung verpflichtet sein werden, einmal nach § 630c Abs. 3 BGB und daneben nach § 1 Abs. 2 GOÄ-E. Bürokratischer geht es kaum noch.

Das nächste Problem, das auf die Behandler zukommt, ist die Frage, was unter „rechtzeitig“ zu verstehen ist. Darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein, sodass dies vermutlich erst durch die Gerichte geklärt wird. Es wäre vernünftiger, auf diesen Zusatz und die Neuregelung ganz zu verzichten, da der beabsichtigte Zweck mit § 630c Abs. 3 BGB bereits erreicht wird.

Schließlich soll der Patient – immerhin nur in Textform – über die Höhe des voraussichtlichen Honorars informiert werden (§ 1 Abs. 2 S. 3 GOÄ-E). Der BGH hatte schon vor Jahren entschieden, dass diese Information kaum gegeben werden kann – weil im Vorhinein nicht wirklich abzusehen ist, welche Gebührenziffern abgerechnet werden können. Unklar bleibt auch, was daraus folgt, wenn die Information unzutreffend ist, d. h. das letztendliche Honorar deutlich höher ist. Gibt es dann – vergleichbar § 649 BGB – ein Sonderkündigungsrecht für den Patienten?

Weiterführende Hinweise
  • In den kommenden Ausgaben werden in den Folgebeiträgen die §§ 4 und 6 der GOÄ-E unter die Lupe genommen.
  • GOÄ-Reform belastet die Radiologie“, in RWF Nr. 6/2025
  • Informationen und Kommentare zur GOÄ-Reform finden interessierte Leser auch beim Berufsverband der Deutschen Radiologie (BDR) online unter iww.de/s13008.

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