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GOÄ-EntwurfGOÄ-Reform die Zweite – eine lange Geschichte geht weiter (Teil 2)

01.09.2025Ausgabe 9/20258min. Lesedauer
Von Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeits- und für Medizinrecht Dr. Tilman Clausen, armedis.de und Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Kyrill Makoski, LL. M. (Boston University), moellerpartner.de

Auf dem 129. Ärztetag in Leipzig ist ein GOÄ-Reformentwurf von der Ärzteschaft verabschiedet worden, der an das Bundesgesundheitsministerium übergeben wird. In dieser Beitragsserie wird auf den Paragrafenteil der neuen GOÄ (GOÄ-E) eingegangen. In Teil 1 ging es um die § 1 GOÄ-E (Anwendungsbereich) sowie § 2 GOÄ-E (Abweichende Vereinbarung). In diesem Teil 2 werden § 4 Abs. 1 (Gebühren) und § 4 Abs. 2 (Basislabor) GOÄ-E näher beleuchtet.

Gebühren (§ 4 Abs. 1 GOÄ-E)

Die Vorschrift des § 4 GOÄ, schon immer die Zentralvorschrift der GOÄ, wurde grundlegend neu gefasst und wesentlich erweitert.

Geplante Ergänzung der Regelung

„Die Gebühr für eine Leistung kann nur berechnet werden, wenn deren für die Berechnung erforderlicher Inhalt vollständig erbracht worden ist. Eine Berechnung kann auch dann erfolgen, wenn eine Leistung überwiegend erbracht worden ist, allerdings einzelne Leistungsbestandteile einer Gebühr wegen eines bei Behandlungsbeginn nicht absehbaren, medizinisch begründeten oder durch den Patienten verursachten, vorzeitigen Behandlungsabbruchs nicht mehr erbracht werden können (…).“

Die Regelung, dass die Gebühr für eine Leistung nur berechnet werden kann, wenn deren für die Berechnung erforderlicher Inhalt vollständig erbracht worden ist, ist praktisch sinnvoll, wenn sich für jede einzelne Gebührenposition aus dem neuen Gebührenverzeichnis zur GOÄ-E eindeutig ergibt, was deren für die Berechnung erforderlicher Inhalt ist. Bleibt dies dagegen im Gebührenverzeichnis unklar, wird es darüber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Einzelfall Streit mit den Kostenträgern geben.

Wenn eine Berechnung auch dann erfolgen kann, wenn eine Leistung „überwiegend“ erbracht worden ist, wird dies nur reibungslos funktionieren, wenn im Gebührenverzeichnis für jede einzelne Gebührenposition definiert ist, wann die Leistung überwiegend erbracht worden ist. Geschieht dies nicht, wird es auch hier wieder Streit geben.

Die übrigen Voraussetzungen für die Abrechnung einer Leistung, die nur überwiegend erbracht worden ist, müssen vonseiten des ärztlichen Behandlers sorgfältig dokumentiert werden, ansonsten lässt sich hier die Abrechnung in der Praxis kaum durchsetzen.

Vertretung des Wahlarztes (§ 4 Abs. 2a GOÄ-E)

In § 4 Abs. 2a und Abs. 2b GOÄ-E wurde versucht, die Vertretung des Wahlarztes im Kernbereich der wahlärztlichen Leistungen, die bisher nur durch Richterrecht geregelt und in der Praxis im Detail sehr umstritten ist, gesetzlich zu regeln. Dieser Versuch schlug nach Meinung der Verfasser leider fehl und sollte überarbeitet werden, bevor man den Text dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vorlegt.

Geplante Ergänzung der Regelung

„[…] So kann für den Fall, dass der Wahlarzt aus nicht vorhersehbaren schwerwiegenden Gründen an der Leistungserbringung gehindert ist, die wahlärztliche Leistung auch durch einen einzigen anderen in der Wahlleistungs-vereinbarung genannten Arzt desselben Fachgebiets erbracht werden, der die hierfür erforderliche Qualifikation wie der Wahlarzt erfüllt. In der Wahlleistungsvereinbarung kann darüber hinaus für die Erbringung von in der Wahlleistungsvereinbarung bestimmten Leistungen des jeweiligen Fachgebiets je ein weiterer Vertretungsarzt benannt werden, der durch seine fachliche Qualifikation und Erfahrung die bestimmten Leistungen über die Voraussetzungen nach S. 1 hinausgehend in besonderer Qualität erbringen kann.“

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 20.12.2007, Az. III ZR 144/07) galt bislang, dass Wahlärzte, wenn sie aus bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung nicht vorhersehbaren Gründen verhindert sind, sich durch ihren ständigen ärztlichen Vertreter vertreten lassen können. Nach der Neuregelung müssen diese Gründe zusätzlich „schwerwiegend“ sein, wobei völlig unklar bleibt, was ein „schwerwiegender“ Grund ist. Dies müssen wiederum erst die Gerichte klären und es wird hier ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Rechtsanwälte aufgelegt. Der Sinn dieser Verschärfung gegenüber der bisherigen Rechtslage ist zudem völlig unklar. Der BGH wies in seinem Urteil vom 20.12.2007 zutreffend darauf hin, dass jeder Patient mit einer bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung unvorhersehbaren Verhinderung des Wahlarztes rechnen müsse. Warum diese Verhinderungsgründe jetzt zusätzlich „schwerwiegend“ sein müssen, erschließt sich den Verfassern nicht. Und warum soll die Vertretung bei „einfachen“ Gründen nicht möglich sein?

Aus mehreren Gründen ausgesprochen problematisch erscheinen auch die zusätzlichen Qualitätsanforderungen, die an die Vertreter des Wahlarztes gestellt werden. Diese müssen die gleiche Qualifikation wie der Wahlarzt haben oder sogar eine darüber hinausgehende Qualität. Qualität ist aber nicht messbar, sodass durch diese Neuregelung wiederum dem Streit „Tür und Tor geöffnet“ wird. Kleinere Krankenhäuser werden im Übrigen durch diese Neuregelung extrem benachteiligt, da es ihnen wesentlich schwerer fallen dürfte, genügend ständige ärztliche Vertreter mit der hier geforderten Qualifikation aufzubieten, sodass die Einnahmen dieser Krankenhäuser aus Vertreterleistungen zukünftig deutlich sinken können, wenn nicht die Abrechnung von Vertreterleistungen ganz unmöglich wird.

Nach § 4 Abs. 2 GOÄ-E können für jeden Wahlarzt mindestens zwei ständige ärztliche Vertreter benannt werden, die entsprechend qualifiziert sein müssen. Auch dies wird schwieriger werden, je kleiner das Krankenhaus ist. Der BGH war bisher davon ausgegangen, dass nur ein ständiger ärztlicher Vertreter pro Wahlarzt zulässig ist, was mit dem Wortlaut der §§ 4 Abs. 2 S. 3 und 5 Abs. 5 GOÄ begründet wurde. Die Rechtsprechung der Instanzgerichte hatte dies dahin gehend erweitert, dass jeder Wahlarzt auch mehrere ständige ärztliche Vertreter haben kann, wenn sein Zuständigkeitsbereich so aufgeteilt wird, dass jeder dieser Ärzte alleiniger ständiger ärztlicher Vertreter für einen Teil des Zuständigkeitsbereichs wird. Diese Instanzrechtsprechung wird durch die Neufassung des Paragrafenteils bestätigt, es ist nur negativ zu bemerken, dass die Qualifikation als Vertreter an bestimmte, nicht messbare Voraussetzungen geknüpft wird, was Raum für uferlose Streitigkeiten eröffnet.

Die Vorgaben zur persönlichen Leistungserbringung sollen auch gelten, wenn Wahlleistungen im Rahmen der Hybrid-DRG nach § 115f SGB V erbracht werden (§ 4 Abs. 2a S. 4 GOÄ-E).

Vertretungsvereinbarung (§ 4 Abs. 2b GOÄ-E)

In § 4 Abs. 2b GOÄ-E wird jetzt die Vertretung des Wahlarztes für den Fall geregelt, dass seine Verhinderung absehbar ist. Hier bleibt wiederum – wie überall im Paragrafenteil – vieles unklar. Offen bleibt, wann die Verhinderung des Wahlarztes absehbar sein muss. Während der BGH nicht von „absehbarer“, sondern von „vorhersehbarer“ Verhinderung gesprochen und damit an den Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung angeknüpft hat, bleibt der Anknüpfungspunkt in der Neuregelung des Paragrafenteils völlig unklar. Wann muss die Verhinderung des Wahlarztes absehbar sein?

Der BGH hat zudem in seinem Urteil vom 20.12.2007 (Az. III ZR 144/07) auf den Kernbereich der wahlärztlichen Leistungen abgestellt, in dem der Wahlarzt persönlich tätig werden muss, wenn die wahlärztlichen Leistungen abgerechnet werden sollen. Außerhalb des Kernbereichs ist eine Vertretung unter den in der GOÄ genannten Voraussetzungen ohne Weiteres möglich.

In § 5 Abs. 5 GOÄ ist bisher zusätzlich geregelt, dass wahlärztliche Leistungen unter den dort genannten Voraussetzungen auch durch nachgeordnete Ärzte erbracht werden können, wenn sie nicht zum Kernbereich der wahlärztlichen Leistungen gehören. Diese Klausel soll in der Neufassung ersatzlos gestrichen werden. Somit wäre völlig unklar, ob es bei der Vertretung des Wahlarztes weiterhin nur um den Kernbereich der wahlärztlichen Leistungen geht oder mehr.

§ 4 Abs. 2b GOÄ-E regelt die Vertretung des Wahlarztes bei absehbarer Verhinderung durch eine individuelle Vertretungsvereinbarung, wobei im Wesentlichen die Vorgaben der Rechtsprechung des BGH vom 20.12.2007 übernommen werden mit der Maßgabe, dass der Patient jetzt über die ihm angebotenen Alternativen aufgeklärt werden muss. Dies dürfte definitiv nur in der Form möglich sein, dass bei Abschluss der individuellen Vertretungsvereinbarung die Aufklärung des Patienten durch einen Arzt erfolgen muss.

Die individuelle Vertretungsvereinbarung soll „rechtzeitig“ vor der Leis-tungserbringung abgeschlossen werden. Was „rechtzeitig“ bedeutet, ist wiederum nicht definiert. Auch hierüber wird es zwangsläufig Streit geben.

Bislang wird die Rechtsprechung des BGH zur Vertretung des Wahlarztes im Kernbereich der wahlärztlichen Leistungen so verstanden, dass Grund und Dauer der Verhinderung des Wahlarztes nicht anzugeben sind. § 4 Abs. 2a und Abs. 2b GOÄ-E sind eindeutig so zu verstehen, dass diese Verpflichtung für Behandler nunmehr hinzutritt. Dabei haben diejenigen, die für die Neuregelung verantwortlich sind, offensichtlich übersehen, dass der Angabe des Grundes der Verhinderung des Wahlarztes sowohl der Datenschutz als auch dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht entgegenstehen können. Die Dauer der Verhinderung wird man in vielen Fällen bei Abschluss einer Vertretungsvereinbarung gar nicht wissen. Und was passiert, wenn der Zeitraum der Verhinderung überschritten wird? Die BÄK gibt mit diesem Gesetzentwurf Rechtspositionen auf, um die derzeit erbittert vor den ordentlichen Gerichten gestritten wird und zu denen mindestens ein Revisionsverfahren beim BGH anhängig ist. Gründe hierfür sind nicht ersichtlich.

Beschränkung der persönlichen Leistungserbringung (§ 4 Abs. 2c GOÄ-E)

In § 4 Abs. 2c GOÄ-E findet sich eine angepasste Version des bisherigen § 4 Abs. 2 S. 3 GOÄ, ergänzt um umfangreiche Verpflichtungen des ärztlichen Behandlers bzw. dessen Abrechnungsstelle, die Leistungsdokumentation vorzulegen und die korrekte, der tatsächlichen dokumentierten Leistungserbringung entsprechende Rechnungsstellung zu bestätigen (§ 4 Abs. 2c S. 3 GOÄ-E). Warum dies zusätzlich in die GOÄ aufgenommen werden soll, erschließt sich ebenfalls nicht. Anspruch auf die Patientendokumentation hat der Patient bereits aus § 630g Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bzw. Art. 15 Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO). Einer zusätzlichen Regelung in der GOÄ bedarf es deshalb nicht. Die Tatsache, dass Ärzte korrekt abrechnen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Warum man dies gesondert bestätigen soll, ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Zielleistungsprinzip (§ 4 Abs. 3 GOÄ-E)

In § 4 Abs. 3 GOÄ-E wird das sogenannte Zielleistungsprinzip geregelt, das sich bisher im § 4 Abs. 2a GOÄ findet. Danach können Leistungen, die Bestandteil einer anderen Leistung sind, nicht gesondert berechnet werden. Problematisch ist die Regelung des § 4 Abs. 3 S. 2 GOÄ-E, wonach die besondere Ausführung einer Leistung auch die Modifikation oder methodische Variation in der Art und Weise der Erbringung der Leistung nach dem Gebührenverzeichnis umfasst. Zwar hat der BGH im Rahmen seiner Rechtsprechung zu Analogleistungen eine vergleichbare Linie vertreten. Dennoch ist diese Klausel unklar und beschränkt zudem die Möglichkeiten, auf den medizinischen Fortschritt zu reagieren.

Gestrichen werden soll § 4 Abs. 2a S. 3 GOÄ, wonach die Kosten der Rufbereitschaft nicht gesondert berechnet werden können.

Weiterführende Hinweise

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