Worauf es bei der Praxis- bzw. Gerätefinanzierung ankommt

von Dipl.-Kfm. Steuerberater Dirk Klinkenberg, CURATOR GmbH, Spezialkanzlei für Heilberufe, Bergisch-Gladbach, www.curator.de

Insbesondere bei der Finanzierung im Rahmen einer Übernahme einer Arztpraxis bzw. bei einer größeren Gerätefinanzierung sind – neben einem guten Zinssatz – viele weitere Einflussfaktoren zu betrachten. Diese greifen ineinander und verhalten sich teilweise konträr zueinander. Um die Darstellung übersichtlich zu halten, werden die Faktoren anhand der Finanzierung eines Praxiseinstiegs erläutert. Fast alle Aspekte lassen sich analog auf die Finanzierung von medizinischen Großgeräten übertragen.

Grundlagen der Praxisfinanzierung

Die Finanzierung eines Praxiseinstiegs hat in aller Regel ein großes Volumen und somit eine hohe wirtschaftliche Bedeutung. Zwei sehr unterschiedliche Bereiche müssen beleuchtet werden:

  • Die Analyse der Praxis, in die der Arzt einsteigen möchte, um die Tragfähigkeit der Finanzierung beurteilen zu können
  • Die verschiedenen Einflussfaktoren der Finanzierung selbst

Notwendiges Finanzierungsvolumen

Der Kaufpreis enthält ein angemessenes Entgelt für die Sachwerte (medi-zinisches Gerät etc.) sowie für den immateriellen Wert „Goodwill“. Die Höhe des „Goodwill“ hängt von vielen Faktoren (z. B. Patientenstamm, Praxisstandort) ab und muss individuell ermittelt werden. Oft existiert bei der Übernahme von Arztpraxen im Wege der Nachfolge zum Renteneintritt ein in den Finanzbedarf einzuplanender Investitionsstau.

Tragfähigkeitsanalyse beim Praxiseinstieg

Nachdem der Kaufpreis festgelegt und die eigenen Vorstellungen zum notwendigen Investitionsbedarf konkretisiert worden sind, folgt die Tragfähigkeitsanalyse. Es muss berechnet werden, ob aus den zukünftigen Praxisgewinnen die Finanzierung langfristig bedient und daraus ein angemessener Lebensunterhalt bestritten werden kann. Für die zu übernehmende Praxis muss eine realistische und differenzierte Umsatz- und Gewinnprognose erstellt werden.

Dabei sind alle Faktoren zu berücksichtigen, die eine wirtschaftliche Bedeutung haben:

  • Prognose der zukünftigen KV-Umsätze unter Beachtung der Qualifikation des übernehmenden Arztes
  • Prognose der zukünftigen Privatabrechnungen
  • Entwicklung der Personalkosten, Raumkosten etc.

Daraus ergibt sich ein prognostizierter Gewinn. Unabhängig von der Gewinnprognose des Praxisveräußerers, der sicher einen möglichst guten Verkaufspreis erzielen möchte, sollte aufgrund der Wichtigkeit die Prognoserechnung von einem hinzugezogenen Experten erstellt werden. Anschließend muss ermittelt werden, ob die Liquidität nach Praxisfinanzierung ausreicht, den zukünftigen Lebensunterhalt des Arztes zu bestreiten. Es folgt zunächst die steuerliche Betrachtung, da diese im Ergebnis eine Rückwirkung auf die Liquidität hat.

Steuerliche Betrachtung

Prognostizierter Gewinn der Arztpraxis (inkl. Abschreibung auf die übernommenen materiellen Praxiswerte)

abzgl.

Zinsen für Praxisfinanzierung

abzgl.

Abschreibung des immateriellen Praxiswertes*

zu versteuernder Praxisgewinn

  • * Der immaterielle Praxiswert (Goodwill) ist die Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und dem Buchwert der Praxis. Er kann bei Übernahme einer Einzelpraxis auf drei bis fünf Jahre und beim Einstieg in eine Gemeinschaftspraxis auf sechs bis zehn Jahre abgeschrieben werden.
 

Liquiditätsebene

Prognostizierter Gewinn der Arztpraxis (s. o.)

abzgl.

Zins und Tilgung für die Praxisfinanzierung

abzgl.

Steuern auf den zu versteuernden Praxisgewinn

Liquidität, die aus der Praxis zur Verfügung steht

abzgl.

persönliche Zwangsausgaben (Krankenversicherung, Ärzteversorgung etc.)

Liquidität, die zum Leben übrig bleibt

 

Hier wird deutlich, dass die Planung einer Praxisfinanzierung auch eine Berücksichtigung des Privatbereichs zwingend voraussetzt.

Der Umfang der privaten „Zwangsausgaben“ und des persönlichen Lebensstandards ist je nach Lebenssituation sehr unterschiedlich. Ein Lediger am Anfang seines Berufslebens hat sicherlich geringere Aufwendungen für Wohnen, Essen, Urlaub etc. als der Arzt mit Familie. Auch andere Kosten (z. B. bereits bestehende Verpflichtungen aus zusätzlicher Altersvorsorge, Vermietungsimmobilien) müssen berücksichtigt werden. Diese hier vereinfacht dargestellten Berechnungsschritte sollten am besten mit einem Berater durchgeführt werden, damit kein Aspekt vergessen wird.

Drei Aspekte der Praxisfinanzierung

Für die Wirtschaftlichkeit spielt der Zinssatz eine wichtige Rolle. Um eine Finanzierung wirklich zu beurteilen, müssen aber deutlich mehr Faktoren beachtet werden.

1. Aspekt: Der Zinssatz

Ein niedrigerer Zinssatz spart wirtschaftlich gesehen Geld und deshalb sollte man sich mit der Höhe des aktuellen Zinsniveaus und zinsgünstigen Förderkrediten (z. B. KfW) beschäftigen. Ebenso ist es ratsam, sich zum Vergleich auch Angebote von anderen Banken als der Hausbank einzuholen.

Dennoch ist die Bedeutung des Zinssatzes nicht so hoch, wie man häufig glaubt. Ein etwas zu hoher Zinssatz hat den wenigsten Ärzten wirklich Probleme bereitet, eine falsche Tragfähigkeitsanalyse oder die falsche Kreditlaufzeit hingegen schon.

2. Aspekt: Die Laufzeit

Die geplante Laufzeit der Praxisfinanzierung hat einen viel höheren Einfluss auf die Liquiditätsbelastung als die Zinssatzdifferenz zum „günstigsten Angebot“. Grundsätzlich befindet sich der Praxiskäufer in einem Spannungsfeld zwischen dem Wunsch, sich schnell zu entschulden, und der daraus resultierenden höheren Liquiditätsbelastung.

a) Tilgungsfreie Zeit am Anfang

Um eine mögliche Gewinndelle nach der Übernahme einer Einzelpraxis abzufangen und die Anlaufzeit bei den Einnahmen aus KV-Abrechnungen zu überbrücken, ist die Vereinbarung einer tilgungsfreien Zeit am Anfang der Finanzierung von ein oder zwei Jahren sinnvoll. Förderkredite z. B. über die KfW bieten anfängliche tilgungsfreie Zeiten von bis zu zwei Jahren.

Die vertraglich vereinbarte Tilgung sollte nicht zu hoch gewählt werden. Sofern möglich, kann die ersparte Tilgung der ersten beiden Jahre auf einem separaten Konto geparkt werden und dann – wenn die Praxis in ruhigem Fahrwasser ist – über Sondertilgungen zur Entschuldung beitragen.

Praxistipp

Für den Kreditnehmer sind umfangreiche Sondertilgungsmöglichkeiten von Vorteil, auch wenn sich die kreditgebende Bank dies mit einem etwas höheren Zinssatz bezahlen lässt.

 

b) Fristenkongruenz zur Abschreibung des Praxiswerts

Bei der Wahl der Laufzeit muss die Fristenkongruenz zur Abschreibung des Praxiswerts immer beachtet werden. Sobald die Abschreibung des Praxiswerts endet, steigen automatisch der zu versteuernde Gewinn und damit die Steuer. Dies senkt die privat zur Verfügung stehende Liquidität erheblich.

Merke

Als Faustregel gilt: Die private Liquidität sinkt ab dem Zeitpunkt, ab dem die Abschreibung des Praxiswerts endet, um etwa 50 Prozent der wegfallenden Jahresabschreibung.

 

Aus diesem Grund ist es wichtig, dass zum Ende der Abschreibung des Praxiswerts ein guter Teil der Praxisfinanzierung getilgt ist. Zudem sollte zu diesem Zeitpunkt eine „Eingriffsmöglichkeit“ in die Finanzierung bestehen.

Beispiel

Bei einem Praxiswert von 150.000 Euro, der über sechs Jahre abgeschrieben wird, beträgt die Jahresabschreibung 25.000 Euro. 50 Prozent davon sind 12.500 Euro jährlich bzw. etwas mehr als 1.000 Euro pro Monat, die an privater Liquidität nicht mehr zur Verfügung stehen.

 

3. Aspekt: Die Zinsfestschreibung

Grundsätzlich kann man eine Finanzierung mit einem festen oder einem variablen Zinssatz vereinbaren. In Deutschland wird – aus Gründen der der Kalkulationssicherheit – meistens eine langfristige Zinsfestschreibung vereinbart. Da wir uns aktuell in einer historischen Niedrigzinsphase befinden, kann das Risiko, nicht von weiter fallenden Zinsen profitieren zu können, vernachlässigt werden. Eine Zinsfestschreibung bietet grundsätzlich eine gute Chance, sich gegen steigende Zinsen abzusichern.

Die Vorteile einer Finanzierung mit variablem Zinssatz – niedrigeres Zinsniveau im Vergleich zum Festdarlehen und uneingeschränkte Sondertilgungsmöglichkeit – verlieren deshalb an Bedeutung. Bei der Vereinbarung eines Festdarlehens sollten möglichst umfangreiche Sondertilgungsmöglichkeiten ausgehandelt werden.

Weitere wichtige Aspekte der Finanzierung, wie die Darstellung verschiedener Tilgungsmethoden, werden in einem Folgebeitrag erläutert.

Weiterführender Hinweis