„7-Tesla-MR-Geräte gehören zur Zukunft der Krankenhäuser!“

Prof. Dr. med. Michael Forsting ist Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie am Universitätsklinikum Essen. Ein Standort des Instituts ist die Zeche Zollverein, Weltkulturerbe und Industriedenkmal. Dort betreibt das Institut gemeinsam mit dem Donders-Institut aus Nijmwegen ein Ganzkörper 7-Tesla-MR-Gerät. Ursula Katthöfer ( textwiese.com ) befragte Prof. Forsting zu seiner Forschung.

Redaktion: Die Zeche Zollverein stand immer für Innovation. Wie innovativ ist das 7-Tesla-Gerät?

Prof. Dr. Michael Forsting: Mit dem 7-Tesla können wir kleinste Verletzungen des Gehirns erkennen. Das ist z. B. bei Gutachtenfragen relevant. Es gibt immer wieder Menschen, die sich nach einem Sturz oder einem Unfall nicht mehr so leistungsfähig fühlen. Bei 1,5- oder 3-Tesla ist keine Verletzung zu erkennen. Doch durch die höhere Auflösung und die dünneren Schichten sehen wir diese Veränderungen beim 7-Tesla. Die Kontraste sind anders.

Eine andere Gruppe bilden Patienten mit fokalen Epilepsien. Mit dem 7-Tesla lassen sich Gewebeveränderungen im Temporallappen besser aufspüren. Es handelt sich also um eine patientennahe Forschung, obwohl wir nicht an der regulären Krankenversorgung teilnehmen.

Redaktion: Sollte jeder Patient mit einem Schädel-Hirn-Trauma in einem 7-Tesla-Gerät untersucht werden?

Prof. Dr. Michael Forsting: Nein, das ist nicht notwendig. Doch die Ultrahochfeld-MR-Systeme gehören zur Zukunft der Krankenhäuser. Die Technologie dieser Geräte verändert sich. Die ersten mussten noch mit hunderten von Tonnen aus Stahl abgeschirmt werden. Das ist heute anders. Wir werden nicht in jedem Haus fünf Stück haben, aber die großen Kliniken werden 7-Tesla-Geräte haben.

Redaktion: Was sind aktuelle Forschungsthemen am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie?

Prof. Dr. Michael Forsting: Der größte Teil unserer Forschungsenergie geht in die Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Radiologie und der Medizin generell. Das ist sehr vielfältig. Wer KI einsetzen will, muss sich zunächst fragen, wo überhaupt Bedarf ist. Sonst läuft man Gefahr, Probleme zu lösen, die man gar nicht hat. Dann braucht man sehr gute Datensätze. Es stellt sich die Frage, ob man die hat und woher sie kommen. Erst wenn man diese Daten hat, kann man loslegen.

Redaktion: Was wäre denn ein Problem, das die Medizin gar nicht hat?

Prof. Dr. Michael Forsting: In der KI-Welt entwickeln viele Menschen Superphantasien. Sie stellen sich vor, aus MR-Bildern Rückschlüsse auf den menschlichen Charakter zu ziehen. Das sehe ich kritisch. Erstens besteht kein Bedarf und zweitens wüsste ich nicht, woher man die Datensätze bekommen sollte.

Redaktion: Wo besteht Bedarf?

Prof. Dr. Michael Forsting: Wir bestimmen mit KI z. B. das Knochenalter bei Kindern. Das klingt zunächst nach einer Supernische. Doch Radiologen untersuchen kindliche Hände etwa 10.000-mal im Jahr, um herauszufinden, ob das Kind besonders groß wird oder sehr klein bleibt.

Bedarf ist auch bei Gerichtsverfahren, wenn jemand ohne Pass ist und an seiner Altersangabe gezweifelt wird. Alle Knochenkerne Monat für Monat mit einem aktuellen Röntgenbild zu vergleichen, ist zeitaufwendig und mühsam. KI hingegen ist perfekt, weil sie Muster erkennen kann. Wir haben Tausende von Datensätzen, um KI zu diesem Zweck zu trainieren. Denn wenn Kinder sich die Hand verletzen, fragen wir beim Röntgen immer nach dem Alter.

Redaktion: Wo rechnen Sie in nächster Zukunft mit den gravierendsten Veränderungen?

Prof. Dr. Michael Forsting: Es ist ein Irrglaube, dass die stärksten Veränderungen in der Radiologie stattfinden werden, weil sie Vorreiter bei KI ist. Das stimmt nicht, weil die Radiologie wenig Fehler macht. Das ist nicht arrogant gemeint. Doch wenn eine Brustkrebs-Patientin vor vierzig Jahren erhöhte Leberwerte hatte, musste man tasten, um eine Lebermetasthase zu diagnostizieren. Die Fehlerquote war hoch. Wenn die CT heute eine drei Zentimeter große Läsion zeigt, muss man nicht mehr diskutieren. Man kann höchstens auf der Metaebene beraten, ob es sich vielleicht um eine Zyste und keine Metastase handelt.

Redaktion: Also macht die sprechende Medizin eher die Fehler?

Prof. Dr. Michael Forsting: Ja, weil es dort um bestimmte Hypothesen geht. Beispiel Magengeschwür. Das galt bis Mitte der 1980-er Jahre als psychosomatische Erkrankung. Bis 1984 die Frau eines australischen Kollegen an einem Magengeschwür erkrankte. Er war davon überzeugt, dass seine ausgeglichene Frau keine psychosomatische Krankheit haben könne. Also machte er bei ihr eine Magen-Biopsie, mischte daraus einen Drink und trank. Von Montag auf Dienstag war klar, dass es sich beim Magengeschwür um eine bakterielle Erkrankung handelt.

Unzutreffende Hypothesen sind in der sprechenden Medizin nicht selten. Und wo eine falsche Diagnose ist, ist die Wahrscheinlichkeit der richtigen Therapie gering.

Redaktion: Wo könnte KI die sprechende Medizin unterstützen?

Prof. Dr. Michael Forsting: Depression ist ein gutes Beispiel. Viele Menschen werden mehrmals am Rücken operiert, ohne dass sich ihr Zustand bessert. Erst ganz am Ende kommt jemand auf die Idee, dass der Patient eine Depression haben könnte. Es gibt bereits KI-Anwendungen, die Menschen Fotos auswählen lassen und die Sprache analysieren. Es lässt sich mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent eingrenzen, ob jemand depressiv ist, weil diese Patienten anders sprechen und andere Bilder auswählen.

Redaktion: Das könnte ein Psychiater aber auch diagnostizieren.

Prof. Dr. Michael Forsting: Das stimmt. Doch neu an KI ist, dass viele Faktoren zusammengefügt und analysiert werden können. Der eigentliche Grund, aus dem wir KI anwenden, ist eine bessere und personalisierte Medizin. Vor 20 Jahren war die Therapie bei Brustkrebs immer gleich: Operation, Chemotherapie, Bestrahlung. Heute guckt man sich auch die Genetik und die Molekularpathologie an. Es gibt ganz verschiedene Arten von Brustkrebs, die man unterschiedlich therapieren kann. Und um alle Informationen in die Therapie zu integrieren, werden wir KI benötigen.

Redaktion: Wird die Digitalisierung die Prozesse in der Radiologie ebenfalls verbessern?

Prof. Dr. Michael Forsting: Das ist ein Trugschluss. Nehmen wir die elektronische Patientenakte (ePA). Wenn ein Klinikdirektor den Prozess der Arztbriefschreibung nicht im Griff hat, dann ist auch in der ePA kein Arztbrief drin. Wir können die Prozesse nicht optimieren, sondern nur digitalisieren.

Redaktion: Was heißt das alles für die Krankenhauslandschaft?

Prof. Dr. Michael Forsting: Die Diagnostik wird sich zunehmend auf große Kliniken konzentrieren. Bereits heute haben viele Häuser keine Radiologie, Pathologie, Genetik und andere Abteilungen mehr. Bei den großen onkologischen Erkrankungen können Superdiagnostics z. B. eine Therapieempfehlung geben, die sich heimatnah umsetzen lässt. Die Diskussion um ambulant und stationär ist also die falsche Diskussion. Viel entscheidender ist die richtige Diagnose.

Redaktion: Wir haben nun viel über neue Forschungsansätze gesprochen. Gibt es auch Themen, die nicht mehr weiterverfolgt werden?

Prof. Dr. Michael Forsting: Es gibt immer wieder Sackgassen, doch die großen Themen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, bösartige und entzündliche Erkrankungen bleiben die gleichen. Früher haben wir bei einem Bandscheibenvorfall Kontrastmittel in den Spinalkanal gegeben, das machen wir heute nicht mehr. Früher hat man Blutgefäße immer mit dem Katheter darstellen müssen, heute nutzt man CT und MR. In der Radiologie werden sehr viele Untersuchungen weniger, andere nehmen zu. Als ich in Essen anfing, hatten wir ein MR-Gerät, jetzt haben wir sechs oder sieben.

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