Künstliche Intelligenz in der Radiologie: Wunsch oder Realität?

von Dr. med. Johannes Haubold, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie, Universitätsklinikum Essen

Künstliche Intelligenz (KI) ist ein aktuelles „Hype-Thema“, das immer mehr Einzug in medizinische Kongresse und Journals findet. Gleichzeitig steigt die Anzahl der Anwendungen, die auf KI basieren und in der Radiologie – CE- und FDA-zertifiziert — verwendet werden dürfen, von Tag zu Tag weiter an. Blickt man jedoch in die Kliniken und Praxen, haben KI-Anwendungen bislang kaum Einzug in den klinischen Alltag gefunden. In diesem Beitrag beschreiben wir die Hürden sowie Möglichkeiten, diese zu überwinden.

Zurückhaltung bei KI-Anwendungen aufgrund fehlender Vergütung

Der zurückhaltende Einsatz der KI-Anwendungen in der Radiologie hat Gründe. Auf der einen Seite wurde von der Bundesregierung mit dem Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (Digitale-Versorgung-Gesetz) zwar eine Möglichkeit geschaffen, um den Patienten Healthcare Apps zu verschreiben, allerdings sieht dieses bislang nicht vor, den Einsatz von KI-Anwendungen in der Radiologie zu vergüten. Letztlich muss der Einsatz dieser Anwendungen daher aktuell von der pauschalen Vergütung finanziert werden. Dies fördert entsprechend nicht die Versorgung durch Digitalisierung und Innovation in radiologischen Praxen.

Auf der anderen Seite müssen KI-Anwendungen in die bestehenden Netzwerke integriert werden. Bei der Integration einzelner Anwendungen ist dies mit einem hohen organisatorischen und teils auch finanziellen Aufwand verbunden: Verträge müssen einzeln ausgehandelt werden, Server müssen in der Abteilung aufgebaut, integriert und gewartet werden.

Integration von App-Stores

Abhilfe kann dabei die zentrale Integration von App-Stores in das lokale Netzwerk schaffen. Nutzer erhalten über die App-Stores Zugriff auf verschiedene KI-Anwendungen, wodurch nur noch einmalig der App-Store integriert werden muss und nicht jede individuelle App. Ein weiterer Vorteil dieser Variante ist, dass Apps unkompliziert und unverbindlich vorab getestet werden können. Beispiele für solche App-Stores gibt es mittlerweile viele, u. a. von Siemens Healthineers mit dem in Syngo.Via integrierten App-Store oder von Nuance mit dem Nuance AI Marketplace.

Eine Alternative dazu wird aktuell vom Westdeutschen Teleradiologieverbund entwickelt. Bei diesem soll der Zugriff auf Apps über das bestehende Teleradiologienetzwerk erfolgen, sodass bei bestehender Anbindung an den Teleradiologieverbund ein deutlich vereinfachter Zugriff auf KI-Anwendungen geschaffen wird.

Anwendungsbeispiele für KI-Anwendungen

Ist einmal der Zugriff geschaffen, können nun verschiedenste KI-Anwendungen im klinischen Alltag verwendet werden. Diese gliedern sich überwiegend in die Themenbereiche

  • Detektion/Segmentierung und
  • Bildbearbeitung.

KI zur Detektion

Das größte Gebiet stellt dabei naturgemäß in der Radiologie der Themenbereich Detektion dar. Bereits zertifiziert und im klinischen Alltag genutzt werden können z. B. Anwendungen von Aidoc oder von Brainomix.

Die Anwendungen von Aidoc (aidoc.com) dienen dabei der Detektion von akuten Pathologien bei der Computertomographie (CT). Es können z. B. beim Thorax-CT

  • Pneumothoraces,
  • Lungenembolien oder
  • Rippenfrakturen

detektiert werden oder beim Wirbelsäulen-CT Wirbelkörpersinterungen.

Die Patienten mit im Bild annotierten akuten Pathologien werden anschließend in der Befundungsliste markiert und können vom Anwender priorisiert werden, damit akute Pathologien möglichst zeitnah befundet werden. Das kann potenziell im Hinblick auf Nachtdienste die Fehlerrate senken und im Tagesgeschäft die Geschwindigkeit erhöhen, mit der Zufallsbefunde wie beispielsweise Lungenembolien beim Staging-CT eines Tumorpatienten weitergegeben werden.

Im Gegensatz dazu ist das Portfolio an auf KI basierten Anwendungen von Brainomix (brainomix.com) auf die cerebrale Infarktdiagnostik spezialisiert. Mit e-ASPECTS kann dabei im nativen cranialen CT

  • das Infarktareal detektiert und
  • der ASPECTS score berechnet werden.

In der anschließend durchgeführten CT-Angiographie kann ein akuter cerebraler Gefäßverschluss mit e-CTA detektiert werden. Im Folgenden kann dann die CT-Perfusion mittels e-Mismatch ausgewertet werden.

KI zur Bildbearbeitung

Auf KI basierende Anwendungen zum Thema Bildbearbeitung bieten beispielsweise alternative Rekonstruktionsmöglichkeiten bei der CT. FDA- und CE-zertifiziert verwendet werden kann dabei z. B. PixelShine von AlgoMedica (algomedica.com). Diese Anwendung verspricht, bei gleicher Dosis das Bildrauschen im CT deutlich zu reduzieren. Letztlich soll dadurch die Strahlendosis, die für ein diagnostisch verwertbares CT benötigt wird, weiter reduziert werden.

Fazit

Mittels der aufstrebenden KI-Appstores wird die Einstiegshürde zur Verwendung von KI-Anwendung in Zukunft deutlich gesenkt. Am Ende bleibt jedoch die Hürde der fehlenden Vergütung. Diese kann aktuell nur durch Verwendung von produktivitätssteigernden Anwendungen kompensiert werden und bedarf eines Umdenkens beim Gesetzgeber und bei den Krankenkassen.

 

Weiterführende Hinweise