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Interview„Die Interventionelle Radiologie ist integrativer Bestandteil der modernen Medizin!“

01.09.2025Ausgabe 9/20256min. Lesedauer

Zum ersten Mal beteiligte sich die Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DeGIR) in diesem Jahr an der Ausrichtung des Deutschen Röntgenkongresses (Röko). Ein Zeichen dafür, dass die Interventionelle Radiologie sich in den vergangenen 15 Jahren zu einem wichtigen Teil der modernen Medizin entwickelt hat. PD Dr. med. Cornelia L. A. Dewald ist am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Medizinischen Hochschule Hannover Funktionsoberärztin in der Interventionellen Radiologie. Außerdem ist sie seit vergangenem Mai Mitglied des neuen DeGIR-Vorstands, der während des Röko 2025 erstmals zusammenkam. Sie leitet die Lenkungsgruppe Öffentlichkeitsarbeit und gab Ursula Katthöfer (textwiese.com) ein Interview.

Redaktion: Welches neue minimal-invasive Verfahren unter Bildsteuerung haben Sie zuletzt besonders begrüßt?

Dr. Dewald: Die Interventionelle Radiologie lebt von der kontinuierlichen Optimierung von Materialien und Techniken. Insbesondere bei den gefäßeröffnenden und gefäßverschließenden Verfahren macht es große Freude, die Weiterentwicklung von Materialien und Anwendungsmöglichkeiten zu erleben. Aber auch bekannte Techniken eröffnen regelmäßig neue therapeutische Möglichkeiten und Perspektiven, etwa die transarterielle periartikuläre Embolisation (TAPE) bei chronischen Gelenkschmerzen wie der Arthrose im Kniegelenk.

Redaktion: Wohin entwickelt sich die Interventionelle Radiologie außerdem?

Dr. Dewald: Die bildgestützte Therapie mittels CT, MRT, Ultraschall und Angiografie wird insgesamt immer stärker zum integrativen Bestandteil von Behandlungspfaden z. B. in der Onkologie, Gefäßmedizin und Schmerztherapie. Im Zuge dieser interdisziplinären Zusammenarbeit werden wir als Interventionelle Radiologie zunehmend eingebunden und als eigenständiges klinisches Fach wahrgenommen. Das bedeutet auch, dass wir mehr Verantwortung tragen, etwa für die Therapieplanung, die Nachsorge und das Langzeitmanagement. Das voranzutreiben, liegt an uns. Wir müssen durch Ausbildung, Qualitätssicherung und Zertifizierung die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, damit wir uns als gleichberechtigtes klinisches Fach konsolidieren.

Redaktion: KI spielt in der diagnostischen Radiologie eine enorme Rolle. Auch in der Interventionellen Radiologie?

Dr. Dewald: Ja, allerdings mit einer anderen Stoßrichtung. Es geht weniger um Mustererkennung und Diagnosestellung, wie es in der diagnostischen Radiologie der Fall ist. KI kann die Interventionelle Radiologie bei der Planung, Navigation und Erfolgskontrolle von Eingriffen unterstützen. Die Planung kann zum Beispiel durch automatische Segmentierung von Zielstrukturen effizienter werden. Und durch die automatisierte Berechnung einer arteriellen Tumorversorgung kann beispielsweise ein Eingriff, in dem die entsprechenden Gefäße behandelt werden sollen, sicherer navigiert werden. Durch KI können Eingriffe standardisierter und Verfahren reproduzierbarer werden. Noch ist der Stellenwert geringer als in der diagnostischen Radiologie, doch das ist nur der aktuelle Stand. Die DeGIR hat kürzlich eine Lenkungsgruppe „KI in der Interventionsradiologie“ ins Leben gerufen, um die Entwicklungen voranzutreiben.

Redaktion: Welche interventionellen Behandlungen sind ambulant gut möglich?

Dr. Dewald: Im internationalen Vergleich, zum Beispiel mit den USA, sehen wir, dass eine Vielzahl an Interventionen im ambulanten Umfeld möglich ist: Portimplantationen, Biopsien, perkutane Tumorablationen, bildgesteuerte Schmerztherapien und auch komplexere Eingriffe wie periphere Angioplastien. Eine Voraussetzung hierfür ist allerdings eine ausreichende Infrastruktur mit entsprechender Vergütung. In Deutschland ist die Interventionelle Radiologie außerhalb der Klinik noch nicht ausreichend rentabel.

Wir haben in der DeGIR eine eigene Lenkungsgruppe, die sich mit der Ambulantisierung interventionsradiologischer Eingriffe beschäftigt. Sie will dafür sorgen, dass die Interventionelle Radiologie auch ambulant wirtschaftlich ist.

Redaktion: Wo entstehen Einsparpotenziale für Kliniken, wenn die Interventionelle Radiologie nicht mehr stationär ist, sondern z. B. ambulant in einem MVZ am Krankenhaus stattfindet?

Dr. Dewald: In den Kliniken sind die Einsparpotenziale erheblich. Ambulante Interventionen entlasten die stationären Budgets, reduzieren den Pflegeaufwand und schaffen Kapazität für stationäre Fälle mit DRG-relevanter Verweildauer. Dazu kommt: Die Patienten profitieren von kürzeren Aufenthalten, sie kehren schneller in ihren Alltag zurück. Das steigert nicht nur ihre Zufriedenheit, sondern auch das Vertrauen der Zuweiser. Wirtschaftlich wie medizinisch ist die ambulante Interventionsradiologie ein Gewinn – sofern die Rahmenbedingungen stimmen.

Redaktion: Lassen Sie uns über die Fachgesellschaft sprechen. Die DeGIR vertritt die Interessen der interventionsradiologisch und minimal- invasiv tätigen Radiologen in der DRG. Was sind besondere Herausforderungen?

Dr. Dewald: Sichtbarkeit ist uns ein großes Anliegen. Wir wollen das Bewusstsein für den Wert der Interventionellen Radiologie sowohl innerhalb der medizinischen Fachwelt als auch bei politischen Entscheidungsträgern, in der Öffentlichkeit und letztlich bei den Patienten steigern. Ein weiteres Anliegen ist die gezielte Förderung von Nachwuchs, um ihn für unser Fach zu begeistern, nachhaltig auszubilden und langfristig für eine Karriere in der Interventionellen Radiologie zu gewinnen. Dazu braucht es attraktive Ausbildungswege und Vorbilder im klinischen Alltag. Gleichzeitig muss die Qualität gesichert werden. Machbar ist das durch ein strukturiertes Fort- und Weiterbildungsprogramm sowie Zertifizierungen. Auch die politische Arbeit ist enorm wichtig: Ambulantisierung, neue Vergütungsmodelle – das sind nur einige der Themen, an denen wir als Fachgesellschaft arbeiten.

Redaktion: Zu Qualitätssicherung und Fortbildung gehören die Simulatorkurse der DeGIR. Was wird darin vermittelt?

Dr. Dewald: Sie bieten tolle Möglichkeiten, technische Fertigkeiten und Abläufe realitätsnah zu üben. Die Simulatoren bilden ein großes Spektrum der endovaskulären Eingriffe ab und vermitteln Sicherheit sowie Routine im Umgang mit Interventionstechniken und Materialien. Die Kurse sind für verschiedene Ausbildungslevel verfügbar, von Einsteigerkursen für Berufsanfänger bis zu Auffrischkursen und dem Training neuer Verfahren für erfahrene Personen. Dazu gehört auch das Komplikationsmanagement, wenn es zum Beispiel zu Gefäßverletzungen oder Blutungen kommt. Ich selbst betreue die Kurse unter anderem auf dem Röko und freue mich zu sehen, dass das Training am Simulator die Teilnehmenden dazu motiviert, die geübten Eingriffe danach am Patienten vorzunehmen.

Redaktion: Mit dem sogenannten Next-Gen IR Skills Lab fördert die DeGIR interventionellen Nachwuchs. Wie groß ist das Interesse junger Radiologen an dieser Spezialisierung?

Dr. Dewald: Das Interesse ist vorhanden, doch fehlt es an frühen Berührungspunkten im klinischen Alltag, weil es häufig erst spät in der Facharztausbildung um Interventionen geht. Das Next-Gen IR Skills Lab bietet deshalb einen ersten praxisnahen Einstieg. Die Teilnehmenden können sehr früh in der Weiterbildung unkompliziert mit der Interventionellen Radiologie in Kontakt kommen.

Vor allem junge Kolleginnen sind in der Interventionsradiologie unterrepräsentiert. Unser Fokus liegt daher auch darauf, junge Ärztinnen zu ermutigen, in die Interventionelle Radiologie zu kommen. Eine Lenkungsgruppe der DeGIR kümmert sich ausdrücklich um Frauen und Nachwuchs und baut gerade ein Netzwerk „Junge Interventionelle Radiologie“ auf, das in Anlehnung an die „Junge Radiologie“ der DRG eine Plattform für Austausch und Unterstützung bietet.

Redaktion: Die Qualifizierung European Board of Interventional Radiology (EBIR) schließt mit einer Prüfung ab, die mit einer Facharztprüfung vergleichbar ist. Sie haben sie absolviert. Wie groß ist das Interesse an dieser Qualifizierung?

Dr. Dewald: Das EBIR ist ein anerkanntes Qualitätssiegel, das auch in Deutschland zunehmend als Kompetenznachweis gilt. Letztlich sind das EBIR und die Zertifikate der DeGIR unterschiedliche Zertifizierungen, die sich aber sinnvoll ergänzen. Beide prüfen theoretisches Wissen und praxisrelevante Fähigkeiten. Der EBIR-Nachweis eignet sich im internationalen Kontext, zum Beispiel zur Orientierung an europäischen Standards oder bei internationalen Bewerbungen. Die Zertifikate der DeGIR sind stark praxisbezogen und passgenau auf die Versorgung in Deutschland zugeschnitten.

Redaktion: Der Röko 2026 trägt das Motto „Radiologie grenzenlos“. Welche Ideen gibt es bereits zur Beteiligung der DeGIR?

Dr. Dewald: Das Motto passt sehr gut zur Interventionellen Radiologie, weil wir im klinischen Alltag eine Schnittstellenfunktion haben und mit vielen anderen Fachabteilungen zusammenarbeiten. Geplant sind Panels, Live-Demos, interaktive Hands-on-Formate und Fallkonferenzen. Wir möchten verdeutlichen, dass die Interventionelle Radiologie ein integrativer Bestandteil der modernen Medizin und ein zukunftstragender Bestandteil der Radiologie ist.

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