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Innovation„Teleradiologie ist so wirtschaftlich und effizient, dass sie Liegezeiten verkürzt!“

31.10.2025Ausgabe 11/20256min. Lesedauer

Das Jahr 2000 begann mit einem Seufzer der Erleichterung: Die Apokalypse wegen des Millennium- oder Y2K-Bugs war nicht eingetreten. Es gab die ersten Nokia-Handys ohne Antenne. DVDs verdrängten die VHS-Videokassette. Und 18 Millionen Deutsche nutzten regelmäßig das Internet. In diesem digitalen Umfeld entstand vor 25 Jahren das Netzwerk für Teleradiologie in Dillingen im Saarland (heute: reif & möller diagnostic-network ag). Ursula Katthöfer (textwiese.com) sprach mit dem Gründer und Vorstand, Dr. Torsten Möller, Facharzt für Radiologie und mehrfacher Buchautor.

Redaktion: Wie kam Ihnen die Idee, radiologische Bilder nicht mehr auf Film zu produzieren, um sie anschließend am Schaukasten zu betrachten?

Dr. Möller: Das ist einfach erklärt: So wie wir heute nach innovativen Lösungen suchen, haben wir es auch damals gemacht. In unserer radiologischen Gemeinschaftspraxis befundeten wir für zwei Krankenhäuser in der Nähe. Ein 25 Kilometer entferntes Haus wollte unseren Service ebenfalls. Das war ein Problem, denn Teleradiologie war Ende der 90er-Jahre noch nicht erfunden. So kamen wir auf die Idee, nicht den Radiologen, sondern die Bilder auf die „Reise“ zu uns zu schicken.

Redaktion: Die Technik hat sich seitdem extrem gewandelt. Welche technischen Möglichkeiten gab es damals?

Dr. Möller: Datenleitungen gab es nicht. Aber die Post bot die technische Innovation Photophone an. Damit haben wir Röntgenbilder per Videokamera abgefilmt und per ISDN übertragen. Dem gingen natürlich Tests voraus. Wir testen alle Innovationen, bevor wir sie als Dienstleistung anbieten. Dieses Verfahren funktionierte so gut, dass wir die erste Teleradiologie in den Betrieb unserer Praxis aufnahmen. Das sprach sich herum, sodass wir vor 25 Jahren eine eigene Firma für die Teleradiologie gründeten. Seitdem hat sich an unserer Leidenschaft, Service und Befundung zu verbessern, nichts geändert.

Redaktion: Wie stand es damals um die Akzeptanz unter den Radiologen?

Dr. Möller: Manche hatten Angst, dass ihnen die Arbeit weggenommen und beispielsweise in Indien für billiges Geld befundet würde. Doch fehlte dieser Angst die Grundlage. Denn die Radiologie ist vielschichtig und komplex. Teleradiologie setzt eine Facharztausbildung und Berufserfahrung voraus. Durch die gute Arbeit unseres und anderer Unternehmen konnten wir skeptische Kollegen davon überzeugen, dass wir zu einer qualitätsvollen Medizin beitragen. Die Angst verflüchtigte sich.

Redaktion: Was war rechtlich erlaubt, was war verboten?

Dr. Möller: Es gab anfangs überhaupt keine Regulierung. Wie das in Deutschland manchmal so ist, wurde versucht, die Teleradiologie zu verbieten, weil die Regulierung fehlte. Es gab abstruse Argumente, etwa dass Teleradiologen unerlaubte Wanderärzte seien.

Doch das ist Schnee von gestern. Wir sind gegen das Verbot juristisch vorgegangen und konnten eine gute Einigung erzielen, die die Teleradiologie bundesweit erlaubte. Zielgerichtete Regulierungen sind durchaus etwas Gutes, wenn sie helfen, der Qualität zu dienen und die Patienten zu schützen.

Redaktion: Von welchem Moment an ließ sich mit diesem Geschäftsmodell Geld verdienen?

Dr. Möller: Mit dem Photophone konnten wir nichts verdienen. Doch seitdem die Teleradiologie ähnlich wie die Interventionelle Radiologie fest zur Radiologie gehört, ist sie wirtschaftlich. In dem Augenblick, in dem sie zum Standard wurde, konnten Radiologen sich davon ernähren.

Redaktion: Wo steht Ihr Unternehmen heute?

Dr. Möller: Wir waren nicht nur Pioniere, sondern von Beginn an Markt- und Innovationsführer – bis heute. Das ist unsere Art, weil wir immer wieder etwas Neues, Besseres entwickeln und nie stillstehen. Wir beschäftigen etwa 75 Fachärzte für Radiologie und versorgen 140 Krankenhäuser.

Redaktion: Was waren Meilensteine?

Dr. Möller: Wir haben als Erste das Qualitätsmanagement eingeführt, denn Qualität ist in der Teleradiologie ganz wichtig. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Arbeit. Auch die KI steht für bessere Qualität, wir begleiten ihren Einsatz immer wissenschaftlich. Mit unseren Studien haben wir letztes Jahr sogar den „Grand Slam der Radiologie“ erreicht: Wir konnten unsere Ergebnisse sowohl beim Deutschen Röntgenkongress (RöKo), beim Europäischen Röntgenkongress (ECR) als auch beim Kongress der Radiological Society of North America (RSNA) vorstellen. Das zeigt, wie seriös wir technische Lösungen wissenschaftlich untermauern, bevor wir sie anwenden.

Redaktion: Bitte ein Beispiel.

Dr. Möller: KI kann einer unserer Studien zufolge eine Hirnblutung oder einen Schlaganfall vier Minuten, nachdem die CT-Bilder übermittelt wurden, befunden. Sie ist meist schneller als der Radiologe. Diese wenigen Minuten können darüber entscheiden, ob ein Patient das Krankenhaus im Rollstuhl oder zu Fuß verlässt. Wir setzen KI nicht nur punktuell ein, sondern generell bei allen Befunden. Denn wir können ja im Vorfeld nicht wissen, ob ein Patient eine Hirnblutung hat oder nicht. Hat er sie tatsächlich, profitiert er maximal von der Schnelligkeit der KI.

Redaktion: Kommt es vor, dass Sie technische Neuerungen wieder aussortieren, weil sie sich nicht bewähren?

Dr. Möller: Ja, da haben wir ganz aktuell ein KI-Modul, das alte Frakturen gut erkennt, aber nicht die neuen. Das nützt dem Patienten, der mit einer Wirbelsäulenfraktur als Notfall ins Krankenhaus kommt, gar nichts. Wir werden zu einem KI-System wechseln, das frische Frakturen besser erkennt. KI muss einfach sein und dem Patienten dienen.

Auch einen fremden IT-Dienstleister mit Call-Center haben wir wieder verabschiedet. Rief man dort an, wähnte man sich bei einem Telefonanbieter: „Wenn Sie dies wollen, drücken Sie die 1. Wenn Sie jenes wollen, drücken Sie die 2.“ Man stelle sich eine MTRA im Notdienst vor, die dringend Hilfe braucht. Sie muss einen kompetenten Ansprechpartner sofort erreichen, der in das System schaut und das Problem regelt. Wir haben deshalb einen 24/7-IT-Dienst mit unseren eigenen IT-Fachleuten aufgebaut, die die technischen Gegebenheiten der einzelnen Häuser kennen. Das klappt jetzt deutlich besser.

Auch bei unserer Dienstplanung verzichten wir wieder auf eine Dienstplan-Software. Mit ihr gelang es nicht, individuelle Wünsche zu Arbeitszeiten und Arbeitstagen zu berücksichtigen. Das ist für uns jedoch sehr wichtig, damit unsere Teleradiologen sich wohlfühlen.

Redaktion: Krankenhäuser und radiologische Praxen stehen unter wirtschaftlichem Druck. Welche Argumente geben Sie Ihren ärztlichen Kollegen an die Hand, um das Management von Teleradiologie zu überzeugen?

Dr. Möller: Teleradiologie ist effizient und wirtschaftlich. Auf die einzelne Untersuchung gerechnet ist es nicht sinnvoll, für drei oder vier CTs in der Nacht einen Nachtdienst einzurichten und zu bezahlen. Der Teleradiologe ist hingegen mit 15 bis 20 Untersuchungen pro Nacht ausgelastet. Das Krankenhaus kann Geld sparen, wenn es nur einzelne Untersuchungen honoriert. Das gilt auch für Wochenenden und Spitzenzeiten, in denen Personal fehlt. Hinzu kommt die wachsende Erfahrung mit Notfalluntersuchungen. Je mehr Erfahrung, desto höher die Qualität der Versorgung. Mit dieser Erfahrung stärken wir die Krankenhäuser. Dabei unterstützen wir auch die MTRA. Bei Notfalluntersuchungen sind unsere Teleradiologen in ständigem Kontakt mit ihnen.

Redaktion: Welche Rolle spielt das Homeoffice?

Dr. Möller: Eine wachsende Rolle. Wir bieten den Krankenhäusern jetzt auch eine neue Infrastruktur an, damit ihre Radiologen von zu Hause aus befunden können. So können die Häuser bei der Personalsuche das Homeoffice in die Arbeitsplatzbeschreibung aufnehmen. Das ist gefragt, denn gerade junge Ärztinnen und Ärzte in der Familienphase möchten es nutzen.

Redaktion: Aber wo bleibt Ihr Umsatz, wenn die Radiologen der Krankenhäuser zu Hause befunden, statt die Teleradiologie nachzufragen?

Dr. Möller: Selbst eine optimal geführte Radiologie hat Engpässe – bei Nacht, in der Urlaubszeit, zu Weihnachten. Zu diesen Zeiten heben wir den Finger, denn dann ist die Teleradiologie für das Krankenhaus besonders wirtschaftlich. Das Management will einen Befundstau verhindern, der schlimmstenfalls dazu führt, dass Patienten länger liegen. Eine unnötige Bettenbelegung ist viel teurer als die Teleradiologie.

Redaktion: Bis ins Jahr 2050 können wir heute kaum blicken. Aber welche technischen Neuerungen planen Sie für die kommenden fünf Jahre?

Dr. Möller: Im Augenblick sind wir dabei, unsere Dienstleistung nahtlos in den Krankenhäusern zu integrieren. Das ist bei der Vielzahl der Systeme nicht trivial. Wir testen gerade, wie die Integration noch reibungsloser funktioniert. Die Teleradiologie ist so dynamisch, dass wir immer wieder neue Ideen haben. Auch im Krankenhaussektor ist viel in Bewegung. Es ist immer vom Digitalisierungsstau die Rede. Doch ich kann erfreulicherweise für uns sagen, dass wir immer wieder gute Ideen auch dafür haben. Die Teleradiologie steht an der Spitze der Innovation.

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