„Künstliche Intelligenz kann die Radiologie unterstützen“

Künstliche Intelligenz (KI) wird nicht gleich alle Radiologen arbeitslos machen, sie sollten sich jedoch mit dem Gedanken anfreunden, mit KI zusammenzuarbeiten. Über das Thema sprach Ursula Katthöfer ( www.textwiese.com ) mit Prof. Dr. med. Werner Weber, Leiter des Instituts für Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum. Er zählte im Oktober 2010 zu den fünf Pilotmitgliedern des Westdeutschen Teleradiologieverbunds, dem inzwischen 376 Kliniken und Praxen angehören.

Redaktion: Welche Aufgaben kann KI in der Radiologie übernehmen?

Prof. Weber: KI kann Muster erkennen. Überall dort, wo wir es mit standardisierbaren Auswertungen von Bildbefunden zu tun haben, kann dem Computer eine Abweichung vom Muster auffallen. Beispiele, die auf dem letzten Radiologiekongress Ruhr vorgestellt wurden, sind Knochenalterungsbestimmungen, Mammografie und Prostatadiagnostik. Der Computer könnte eindeutige normale Befunde erkennen und filtert so die auffälligen Bilder heraus, der Radiologe schaut nur diese Bilder an und stellt die Diagnose.

Redaktion: Machen Radiologen, die KI nutzen, sich damit überflüssig?

Prof. Weber: Nein, der Computer unterstützt die Radiologie. Er ermüdet nicht, kann mehr Daten speichern als der Mensch und sie in einer kontinuierlichen Qualität abrufen. Deshalb denke ich, dass KI insbesondere dort kommen wird und sinnvoll ist, wo viele Untersuchungen anfallen und durchgesehen werden müssen. Ein Beispiel wäre die Etablierung einer Methode als Standardverfahren, wenn in einem Institut statt zwei plötzlich deutlich mehr Prostata MRTs anfallen und sich die Frage stellt: Wer soll das alles auswerten?

Redaktion: Was steckt hinter der Idee des KI-Marktplatzes des Westdeutschen Teleradiologieverbunds?

Prof. Weber: KI ist nur dann gut, wenn Sie viele Fälle eingeben und eine große Datenmenge als Grundlage der Auswertung schaffen. Diese große Datenmenge ist für die Softwareentwicklung notwendig. Denn in der Datenbank müssen möglichst alle theoretischen Abweichungen vom Normalen und das Normale in seiner Variabilität hinterlegt sein. Der Computer kann nur so gut sein wie die Daten, die eingegeben werden.

Redaktion: Wie steigen die Heilungschancen der Patienten?

Prof. Weber: Das können wir noch nicht sagen, mir sind keine Studien bekannt. Doch ich könnte mir vorstellen, dass Fehler, die durch menschliches Versagen entstehen, in den o. g. Anwendungsbereichen vermieden werden können.

Redaktion: Wie gehen Radiologen mit der Sorge um, dass der Computer Ergebnisse liefert, die der Mensch nicht treffen würde?

Prof. Weber: Das ist ein juristisches Problem. Die Hersteller der Computersysteme müssen klären, wer die Haftung übernimmt. Ihre Spezialisten für IT-Sicherheit müssen auch das Risiko von Datendiebstahl und Programmierungsfehlern bewerten und dafür Verantwortung übernehmen. Als Arzt muss ich mich z. B. darauf verlassen können, dass ich mir die vom Computer als normal aussortierten Bilder nicht mehr anschauen muss. Wenn ich nicht darauf vertrauen kann, brauche ich keine KI.

Redaktion: Zurückhaltend oder aufgeschlossen – wie stehen die Mitglieder des Westdeutschen Teleradiologieverbunds der KI gegenüber?

Prof. Weber: Wir sind eine sehr heterogene Gruppe aus niedergelassenen Ärzten und Kliniken, da gibt es keine einheitliche Meinung. Ich bin Berufsverbandspräsident der Deutschen Neuroradiologen. Für die interventionelle und diagnostische Neuroradiologie kann ich sagen, dass der Computer hier z. -B. in der MS-Diagnostik eingesetzt werden könnte. In der Schlaganfalldiagnostik gibt es ein IT-basiertes System zur Bestimmung der Schlaganfallgröße. Ich bin hier für eine offene Diskussion, man sollte der KI in der Radiologie eine faire Chance geben.

Redaktion: Herr Prof. Weber, vielen Dank für das Gespräch!

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