Möglichkeiten und Grenzen einer strukturierten Kodierrevision

von Priv.-Doz. Dr. med. Dominik Franz und Andreas Wenke, Franz und Wenke – Beratung im Gesundheitswesen GbR, Münster

Idealerweise behandeln im Krankenhaus die Ärzte die Patienten und die Betriebswirte befassen sich mit Controlling und Kostenmanagement. Schnittstelle zwischen beiden Aufgabenfeldern ist die Kodierung: Sie überführt die ärztliche Dokumentation in Informationen für die Abrechnung. Trotz dieser Mittlerfunktion wird die Kodierung häufig viel zu wenig beachtet. Eine Kodierrevision gibt Aufschluss darüber, wie gut Ihre Klinik bzw. Ihre Fachabteilung die Arbeit in Form wirtschaftlich nutzbarer Daten abbildet.

Die Ausgangssituation in vielen Kliniken

In vielen Kliniken bzw. Fachabteilungen liegt die Kodierung der operativen oder interventionellen Prozeduren in Form der Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS-Kodes) immer noch in der Verantwortung der Behandler bzw. Operateure selbst. Diese eignen sich ihre Kenntnisse häufig autodidaktisch an und orientieren sich an Kollegen mit vermeintlich oder tatsächlich größerer Erfahrung. Diese Einarbeitung folgt bei Weitem nicht in allen Kliniken einer definierten und gelebten Struktur.

Eine Prüfung auf Vollständigkeit, Beachtung der Deutschen Kodierrichtlinien oder auch der Aktualität der Kodierung findet auf dieser Ebene kaum statt.

Die klinische Kodierung von Diagnosen ist seit Jahren in vielen Kliniken die Domäne der „Kodierfachkräfte“. Diese ermitteln die Abbildung von Haupt- und Nebendiagnosen anhand der ärztlichen und pflegerischen Dokumentation aus den Patientenunterlagen.

Unter den Kodierfachkräften ist der Anteil an Mitarbeitern, die strukturiert und regelmäßig fort- und weitergebildet werden, i. d. R. deutlich höher als in der Ärzteschaft. Doch auch hier gibt es zwischen den Krankenhäusern erhebliche Unterschiede.

Oft ist ein „DRG-Beauftragter“ für die Kodierung verantwortlich. Er kontrolliert die Kodierung und gibt die Fälle zur Abrechnung frei. I. d. R. handelt es sich um einen Oberarzt, der sich die notwendigen Kenntnisse (z. T. durch Schulungen, z. T. autodidaktisch) angeeignet hat. Aus Zeitgründen kann er die abzuschließenden Fälle nur selten (bzw. überhaupt nicht) gründlich prüfen.

Nutzen einer Kodierrevision

Durch die Zunahme des ökonomischen Drucks auf die Krankenhäuser fragen sich immer mehr Chefärzte, ob ihre Klinik/Fachabteilung hinsichtlich der Abbildung der medizinischen Diagnosen und Prozeduren gut aufgestellt ist:

  • Sind die notwendigen Kenntnisse (vor allem bei Operateuren) vorhanden?
  • Werden eventuell relevante Informationen durch die Kodierung nicht bzw. nicht vollumfänglich erfasst und gehen so im Laufe des Bearbeitungsprozesses verloren?
  • Sind die Strukturen und Prozesse effizient gestaltet?

Die Antwort auf diese Fragen liefert eine Kodierrevision. Eine Kodierrevision ist, allgemein definiert, eine strukturierte Analyse der Dokumentations- und Kodierqualität einer Klinik/Fachabteilung.

Bewertungsziele einer Kodierrevision

  • Sind alle erbrachten medizinischen Prozeduren bzw. alle Diagnosen aus der ärztlichen/pflegerischen Dokumentation vollständig ableitbar?
  • Ist die Kodierung sach- und leistungsgerecht?
  • Werden bei der Kodierung die Deutschen Kodierrichtlinien berücksichtigt?

 

Eine Kodierrevision sollte sich nicht nur auf Teilaspekte des Kodierungsprozesses beschränken (z. B. auf die Kodierung von Diagnosen durch die Kodierfachkräfte). Sie sollte möglichst den kompletten Prozess der Dokumentation und der klinischen Kodierung analysieren. Insbesondere die Strukturen, Prozesse und Verantwortlichkeiten spielen in diesem Zusammenhang eine große Rolle.

Merke

Erfahrungsgemäß weist die Kodierung als wichtige interdisziplinäre Schnittstelle nur einen geringen Organisationsgrad und ein hohes Maß an Heterogenität in den einzelnen Kliniken/Fachabteilungen auf. Neben Leistungen, die nicht dokumentiert werden, sorgt auch eine unvollständige bzw. fehlerhafte Kodierung dafür, dass viele Kliniken/Fachabteilungen Geld verschenken.

 

So läuft eine Kodierrevision ab

Eine vollständige Kodierrevision gliedert sich i. d. R. in die drei folgenden Schritte.

1. Analyse der Krankenhausroutinedaten

Die Analyse der Krankenhausroutinedaten sollte mindestens den Datensatz im Format gemäß § 21 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) für einen möglichst aktuellen Zeitraum von zwölf Monaten vor der Analyse umfassen.

Diese Daten müssen durch jedes Krankenhaus erhoben werden, sodass sie in jeder Klinik ohne zusätzliche Datenerhebung verfügbar sind.

Weitere Datenquellen können je nach individueller Fragestellung und Datenverfügbarkeit hinzugezogen werden (z. B. Daten aus dem MDK-Management). Die Analyse liefert einen wesentlichen Überblick über die Kodierung in der Klinik/Fachabteilung und ermöglicht erste Aussagen zur Kodierqualität und zum Leistungsspektrum bzw. zur Komorbidität der Patienten.

Erste Vergleiche mit den entsprechenden Zahlen des deutschen DRG-Instituts (InEK) oder andere Benchmarks sind hier schon möglich.

2. Analyse der Patientenunterlagen

Im nächsten Schritt ist zu kontrollieren, wie vollständig die ärztliche und pflegerische Dokumentation in die Kodierung übertragen wird. Dies geschieht durch die Prüfung von Patientenakten.

Diese Unterlagen lassen sich in die folgenden Kategorien einordnen:

  • Häufige Fallkonstellationen der Klinik/Fachabteilung
  • bezogen auf die Anzahl der behandelten Fälle
  • bezogen auf die ökonomische Fallschwere (Casemix)
  • Seltenere Fälle (anfällig für Kodierfehler)
  • Hochteure Fälle (erhebliche Ausfallrisiken)
  • Ergänzend möglich: Analyse des Verweildauer- und Entlassmanagements der Klinik/Fachabteilung

Wichtig

Die Anzahl der zu analysierenden Patientenakten hängt im Wesentlichen von der Fragestellung und dem Wunsch nach einer Hochrechnung der Ergebnisse ab.

 

3. Analyse der Strukturen und Prozesse zur Dokumentation und Kodierung

Anschließend sollten Strukturen und Prozesse innerhalb der Fachabteilung und der angrenzenden Organisationseinheiten analysiert werden, die zur Dokumentation und zur Kodierung beitragen. Dazu gehören z. B.

  • Medizincontrolling
  • Apotheke
  • Transfusionsmedizin
  • Intensivstation
  • IT-Abteilung
  • Patientenmanagement
  • Casemanagement
  • Abrechnung

Hierbei können strukturierte Befragungen der mit den jeweiligen Tätigkeiten beauftragten Mitarbeiter sehr hilf- und aufschlussreich sein. Oftmals lassen sich durch diesen Abschnitt der Kodierrevision organisatorische, strukturelle oder z. B. auch räumliche Hindernisse aufdecken. Werden diese Hindernisse beseitigt, können viele Arbeitsabläufe stringenter und effizienter gestaltet werden. Das erhöht die Zufriedenheit der Mitarbeiter, die mit diesen Abläufen betraut sind.

Ergebnisse der Kodierrevision führen zur Optimierung

Die Ergebnisse der Kodierrevision münden idealerweise in konkrete Vorschläge zur Optimierung der bisherigen Situation ein, wie z. B.:

  • Qualifizierungsmaßnahmen
  • Neuzuordnung von Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten
  • Etablierung einer ausreichenden Vertretungsstruktur
  • Umstrukturierung des „Aktenflusses“

Eine Re-Evaluation der veränderten Situation nach ca. zwölf Monaten ist empfehlenswert, um die Nachhaltigkeit der Maßnahme zu erhöhen.

Fazit

Die Schnittstelle der Dokumentation und der klinischen Kodierung ist ein bislang im Vergleich zu anderen Organisationsstrukturen im Krankenhaus wenig beachteter Bereich. Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sind in der Regel heterogen. Die interprofessionelle Kommunikation zwischen den Beteiligten der verschiedenen Berufsgruppen ist von variabler Qualität.

Sie als Chefarzt einer Klinik/radiologischen Fachabteilung sollten die Organisation, die Strukturen und die Qualität der Dokumentation und der klinischen Kodierung regelmäßig hinterfragen. Über-, Unter- und Fehldokumentationen können sich Kliniken vor dem Hintergrund einer Zunahme des ökonomischen Drucks und einer wachsenden Prüfquote durch den MDK nicht leisten.

Die Durchführung einer Kodierrevision erlaubt eine entsprechende Bewertung der Dokumentations- und Kodierqualität und kann darüber hinaus weitere Fragen (z. B. zum Verweildauer- und Entlassungsmanagement) beantworten. Durch entsprechende Umstrukturierungen lassen sich Effizienzreserven heben. So können sich die jeweiligen Berufsgruppen auf ihre Kernprozesse konzentrieren. Dadurch werden Prozesse optimiert und die Mitarbeiterzufriedenheit wird erhöht.

 

Weiterführende Hinweise

  • Die Franz und Wenke – Beratung im Gesundheitswesen GbR bietet Beratungsleistungen rund um die ökonomischen Belange der ambulanten und stationären Leistungserbringung sowie die Markteinführung und Betreuung von Produkten aus Pharmazie und Medizintechnik: www.dasgesundheitswesen.de