Weitere wichtige Kennzahlen für die radiologische Großpraxis

von Prof. Günter Stephan, ehem. Hochschule für öffentliche Verwaltung des Landes Baden-Württemberg, Kehl, stephan@hs-kehl.de

In der Januarausgabe 2022 des RWF ging es im Beitrag „ Wichtige Kennzahlen für die radiologische Großpraxis “ vorrangig um finanzielle Kennzahlen. Daneben sind weitere, sowohl finanzielle also auch nichtfinanzielle Kennzahlen für eine radiologische Praxis von Bedeutung, die in diesem Beitrag erläutert werden.

Anteil der Personalkosten

Die Personalkosten sind auch in radiologischen Arztpraxen ein erheblicher Posten, der von der Praxisleitung beachtet werden sollte. Von Interesse ist beispielsweise der Anteil der Personalkosten an den Gesamtkosten (1) oder das Verhältnis der Personalkosten zum Praxisumsatz (2).

Anteil Personalkosten (1)

jährliche Personalkosten

jährliche Gesamtkosten

 

Anteil Personalkosten (2)

jährliche Personalkosten

jährlicher Umsatz der Praxis

 

Von besonderer Bedeutung ist bei beiden Varianten der Mehrjahresvergleich, um Tendenzen aufzuspüren. Auch Vergleiche zu anderen radiologischen Praxen sind – sofern diese beschafft werden können – zu empfehlen. Mögliche Ursachen für hohe Personalkostenquoten sind u. a.

  • eine schlechte Organisation der Praxisabläufe,
  • ein hoher Anteil an Teilzeitstellen, was i. d. R. hohen Abstimmungsbedarf verursacht,
  • zu viele Stellen,
  • ein hohes Gehaltsniveau oder
  • eine hohe Krankheitsquote.

Anteil kalkulatorischer Kosten

Zu den kalkulatorischen Kosten gehören die kalkulatorischen Abschreibungen (diese sollen den tatsächlichen Werteverzehr vom Sachanlagevermögen abbilden) sowie die kalkulatorischen Zinsen (Verzinsung des Kapitals).

Anteil kalkulatorischer Kosten

jährliche kalkulatorische Kosten

jährliche Gesamtkosten

 

Hohe kalkulatorische Kosten einer Praxis bedeuten, dass in der Vergangenheit viel investiert wurde.Diese Kosten belasten in der Gegenwart die Gesamtkostensituation. Ein Vorteil hoher Investitionen kann darin liegen, dass nun neue und bessere medizinische Geräte zur Verfügung stehen, die Energie- und Zeitersparnisse bedeuten können sowie Effektivitätsverbesserungen. Es ist allerdings auch denkbar, dass zu viel investiert worden ist und diese Kosten nun den Gesamtbetrieb gefährden.

Geringe kalkulatorische Kosten bedeuten, dass längere Zeit keine Neuinvestitionen getätigt wurden. Die „älteren“ medizinischen Geräte können ggf. höhere Energie- und Wartungskosten verursachen sowie die Effektivität der Leistungen verschlechtern.

Mitarbeiterproduktivität

Die Produktivität ist eine wichtige betriebswirtschaftliche Kennzahl, die das Verhältnis zwischen dem, was produziert wird (Output), und den für den Produktionsprozess eingesetzten Mitteln (Produktionsfaktoren/Input) darstellt. Der Output stellt hier den Umsatz der Praxis dar, der Input den Personaleinsatz. Die Mitarbeiterproduktivität wird wie folgt ermittelt.

Mitarbeiterproduktivität

Umsatz

Vollbeschäftigungseinheiten

 

Beschäftigt eine Praxis beispielsweise drei Radiologen, fünf MTA oder MFA in Vollzeit, zwei Auszubildende, die an drei Tagen in der Woche in der Praxis sind, sowie zwei Aushilfen, die an zwei Tagen in der Praxis sind, so werden zunächst die Vollbeschäftigungseinheiten berechnet.

Beispiel: Berechnung Vollbeschäftigungseinheiten

3,0 Ärzte (Vollzeit)

+ 5,0 MTA/MFA (Vollzeit)

+ 1,2 Auszubildende (2 x 0,6)

+ 0,8 Aushilfen (0,4 x 2)

= 10,0 Vollbeschäftigte

 

Bei einem Umsatz von beispielsweise 3 Mio. Euro pro Jahr ergibt sich eine Mitarbeiterproduktivität von rund 300.000 Euro je Vollbeschäftigten (= 3 Mio. Euro/10). In diesem Beispiel wird die Produktivität der Radiologen mit der Produktivität der Auszubildenden zur Vereinfachung gleichgesetzt. Dies ist allerdings in der Praxis unrealistisch. Interessant sind hierbei ebenfalls Veränderungen im Zeitverlauf und Auswirkungen von Maßnahmen auf die Produktivität, z. B. die Effekte von Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen.

Umsatz je Arztstunde

Eine weitere Produktivitätskennzahl ist der Umsatz je Arztstunde.

Umsatz je Arztstunde

jährlicher Umsatz der Praxis

jährliche Arbeitsstunden des Arztes

 

Für ein Berechnungsbeispiel werden die jährlichen Arbeitszeiten abgeschätzt. Ein Arzt arbeitet demzufolge zehn Stunden pro Tag. Dies ergibt bei 210 Arbeitstagen pro Jahr 2.100 Stunden. Im Berechnungsbeispiel beschäftigt die Praxis drei Radiologen.

Beispiel: Berechnung Umsatz je Arztstunde

3.000.000 Euro (Umsatz)

6.300 Arbeitsstunden (2.100 Stunden x drei Ärzte)

= 476 Euro je Arztstunde

 

Damit kann der Wert der eigenen ärztlichen Arbeit bestimmt werden. Zudem ist ein Vergleich der Effektivität unter den Radiologen möglich.

Personalstunden pro Fall

Diese Kennzahl zeigt die Effizienz des Personaleinsatzes der MTA/MFA in einer Praxis an.

Personalstunden pro Fall

Arbeitsstunden aller medizinisch tätigen Mitarbeiter der Praxis in einem Zeitraum

behandelte Patienten in diesem Zeitraum

 

Krankheitsquote

Die Krankheitsquote steht für den Gesundheitszustand der Mitarbeiter.

Krankheitsquote

Krankheitstage aller nichtärztlichen Mitarbeiter in einem Zeitraum

Sollarbeitstage aller nichtärztlichen Mitarbeiter in diesem Zeitraum

 

Hohe Krankenstände sowie auch eine hohe Kündigungsrate drücken zumeist eine Unzufriedenheit der Mitarbeiter aus. Hier sollte Ursachenforschung betrieben werden, beispielsweise über anonyme Fragebogen, einen Beschwerdekasten etc.

Das Institut der deutschen Wirtschaft verzeichnet zwischen 2017 und 2019 einen durchschnittlichen Krankenstand von 18,2 Tagen pro Mitarbeiter und Jahr. Natürlich hängt dieser auch vom Alter der Mitarbeiter ab. Liegt die Krankheitsquote in der jeweiligen radiologischen Praxis dauerhaft über diesem Mittelwert, sollte über entsprechende Maßnahmen nachgedacht werden, da dies für die restlichen Mitarbeiter Mehrbelastung und für die Praxis Mehrkosten bedeutet.

Weitere Kennzahlen im Überblick

Neben den dargestellten Kennzahlen sind zahlreiche weitere nicht-monetäre Kennzahlen interessant, z. B.

  • die Patientenzufriedenheit
  • die Anzahl der Gesamtpatienten pro Quartal oder pro Jahr,
  • das Durchschnittsalter der Patienten,
  • die Anzahl der Patienten über 50 oder 60 Jahre pro Quartal oder Jahr,
  • die Anzahl der Patienten während der Notdienste
  • das Verhältnis von Privatpatienten zu Kassenpatienten bzw. des mit diesen Patienten verbundenen Umsatzes oder
  • die Krankheitsquote nichtärztlicher Mitarbeiter

Fazit

Die Bildung von Kennzahlen sollte immer zweckorientiert und bedarfsgerecht erfolgen. Die Frage, welche Kennzahl benötigt wird, muss klar beantwortet sein, „Zahlenfriedhöfe“ sind zu vermeiden. Alle ermittelten Kennzahlen sollten in einem regelmäßigen Berichtswesen (z. B. viertel-, halbjährlich oder jährlich) für die Praxisleitung zusammengefasst werden.