„Um den Fachkräftemangel zu beheben, braucht es mehr als ein neues MT-Berufe-Gesetz!“

Am 01.01.2023 soll das neue „Gesetz über die Berufe in der medizinischen Technologie“ (MT-Berufe-Gesetz bzw. MTBG) als Teil des „Gesetzes zur Reform der technischen Assistenzberufe in der Medizin und zur Änderung weiterer Gesetze“ (MTA-Reform-Gesetz, Entwurf unter iww.de/s4687 ) in Kraft treten. Dr. med. Christel Vockelmann ist Chefärztin der Klinik für Radiologie der Christophorus Kliniken im Münsterland und Mitherausgeberin sowie Autorin des Arbeitsbuchs „Fachwissen MTRA.“ Im Gespräch mit Ursula Katthöfer ( textwiese.com ) erläutert sie, welche Neuerungen das Gesetz für radiologische Abteilungen in Krankenhäusern und für Praxen bringt.

Redaktion: Das derzeit noch geltende MTA-Gesetz (MTAG) von 1993 ist bald Geschichte. Wie nehmen Ihre Kolleginnen und Kollegen die Gesetzesnovelle auf?

Vockelmann: Diejenigen, die bereits von der Reform erfahren haben, finden es überwiegend gut. In der Summe war die Reform dringend notwendig, das Gesetz hat viele gute Ansätze. Dennoch muss man über einige Paragrafen diskutieren. So sollen beispielsweise auch Heilpraktiker Anordnungen treffen dürfen, die der Strahlenschutzverordnung unterliegen – natürlich keine Anordnungen zu Untersuchungen. Das sehen Ärzte und auch die Berufsverbände der medizinisch-technischen Berufe kritisch.

Redaktion: Warum wurde es aus Sicht der Radiologen dringend Zeit für eine Reform der MT-Berufe?

Vockelmann: Das alte Gesetz war aus den 90-er Jahren. Seitdem hat sich in Bildgebung und Therapie sehr viel verändert. Zwischen damals und heute liegen Welten. Filmentwicklung gibt es kaum noch, Spezialaufnahmen in der konventionellen Diagnostik werden nicht mehr gemacht. Stattdessen muss jede MTRA angiografische Interventionen kennen und das MRT beherrschen. Das kam in der Ausbildung aber gar nicht vor. Außerdem werden der Umgang mit Daten und das Hygienemanagement in Zukunft dezidiert in der Ausbildung vorkommen. Die Coronapandemie hat noch einmal verdeutlicht, wie groß der Handlungsbedarf ist.

Redaktion: Die Modellklausel für eine akademische Ausbildung hat es nicht in das Gesetz geschafft. Wie bewerten Sie das?

Vockelmann: Viele Berufe wie z. B. die Pflege als Pendant werden akademisiert. Ein duales Studium hätte auch den MTRA-Beruf vernünftig aufgewertet. Denn der Anspruch, ständig neuen technischen Entwicklungen zu folgen, ist hochkomplex. MTRA müssen dranbleiben und lernen, sich Dinge selbst zu erarbeiten. Diese Kompetenzen wären durch die Akademisierung möglich geworden. Hinzu kommt, dass ein Studium für viele junge Menschen attraktiver ist als eine Ausbildung. Wer studieren möchte, könnte sich gegen den MTRA-Beruf entscheiden, obwohl er sich für den Beruf interessiert.

Redaktion: Die Berufsbezeichnung lautet in Zukunft MT-R für Medizinische/r Technologe/in für Radiologie. Was spricht für den neuen Namen?

Vockelmann: MTRA arbeiten schon heute eigenständig. Sie bereiten Kontrastmittel und Radiopharmaka vor und dürfen diese mit der Gesetzesnovelle auch verabreichen. Sie führen Untersuchungen nach festen Standards eigenständig durch und beurteilen die Qualität, also die diagnostische Aussagekraft der Bildgebung. Dieses Können wurde durch die Bezeichnung Assistenz abgewertet.

Redaktion: Die praktische Ausbildung wird gestärkt, Auszubildende werden mehr Zeit am Patienten sein als bisher. Wo liegen die Vorteile für radiologische Abteilungen und Praxen?

Vockelmann: Selbst wenn die Auszubildenden in der Anfangszeit noch nicht viel können, ist die helfende Hand immer Gold wert. Wenn ein Patient zu zweit gelagert werden muss, kann auch ein Azubi helfen. Ein weiterer Vorteil ist die längere Kennenlernphase, sodass der neue Mitarbeiter besser in das Team eingebunden werden kann.

Redaktion: In den Ausbildungsstätten soll es in Zukunft Praxisanleiter geben. Welche Aufgaben haben sie?

Vockelmann: Die Praxisanleiter sorgen dafür, dass die Auszubildenden das lernen, was im Lehrplan steht. Sie nehmen die Prüfungen vor Ort ab und sind Mentor für die Azubis. Ferner sind sie Ansprechpartner, falls es zu Problemen kommt. Das gilt für beide Seiten – ob der Auszubildende ein Problem mit dem Arbeitgeber hat oder umgekehrt.

Redaktion: Müssen die Praxisanleiter sich zusätzlich qualifizieren?

Vockelmann: Sie benötigen eine Weiterbildung. Allerdings gibt das Gesetz nicht genau vor, was sie lernen müssen. Das Problem wird sein, dass es zunächst nicht genügend gut ausgebildete Praxisanleiter gibt. Auch werden die Stellenpläne sich verändern. Praxisanleiter müssen die Auszubildenden 20 bis 30 Prozent ihrer Ausbildungszeit betreuen. Dieses Zeitbudget muss im Krankenhaus analog zur Pflege auf den Stellenplan angerechnet werden.

Redaktion: Inwieweit werden Lehrpersonen aus den Schulen in die Abteilungen und Praxen kommen?

Vockelmann: Lehrpersonen besuchen die Praxen und Abteilungen, um sich ein Bild zu machen. Das ist sinnvoll, damit alle Auszubildenden nach den gleichen Standards lernen und die Ausbildung ein einheitliches Niveau hat. Auch kann in der Schule auf Inhalte aus der praktischen Ausbildung besser eingegangen werden, wenn die Lehrer die Verhältnisse vor Ort kennen.

Redaktion: Eine Teilzeitausbildung wird ebenfalls möglich sein. Wie stehen Chefärzte und Praxisinhaber dazu?

Vockelmann: Damit umzugehen, sollte inzwischen jeder gelernt haben, denn es arbeiten ja mittlerweile etwa die Hälfte der MTRA und viele Ärzte in Teilzeit. Die Teilzeitausbildung kommt denjenigen entgegen, die schon Familie haben oder die sich nebenberuflich zur MT-R weiterqualifizieren. So sind unter den MFA in der Radiologie viele auch für den Beruf der MT-R geeignet. Für sie wäre es zeitlich unmöglich, sich mit einer Vollzeitausbildung weiter zu qualifizieren.

Redaktion: Das Gesetz ermöglicht allen Auszubildenden eine Vergütung, Schulgeld gibt es nicht mehr. Übernimmt der Staat diese Vergütung auch in ambulanten Einrichtungen?

Vockelmann: Endlich das Schulgeld abzuschaffen und eine Vergütung zu zahlen, war dringend erforderlich. Doch es steht nur für die Krankenhäuser ein Vergütungstopf im Gesetz. Die Lobby der niedergelassenen Radiologen war nicht stark genug. Das wird zum Problem werden, weil die Praxisanleiter während der Zeit, in der sie Auszubildende betreuen, nicht am Patienten sind. So entstehen Kosten. Die Vergütung des Azubis kommt noch hinzu. Das wird auch für die Krankenhäuser schwierig, die nur radiologische Abteilungen haben und daher ihre Auszubildenden für die Inhalte zu Nuklearmedizin und Strahlentherapie in kooperierende Praxen schicken. Man wird noch nach Lösungen suchen müssen, um die Praxen ins Boot zu holen.

Redaktion: Zeichnet sich schon eine Lösung ab?

Vockelmann: Nicht auf Bundesebene, sondern höchstens auf Initiative betroffener Krankenhäuser. Sie greifen den Praxen finanziell unter die Arme. Doch das kann keine sinnvolle Lösung sein, zumal die Krankenhäuser mit ihrer 24/7-Bereitschaft den Personalmangel stärker spüren als die Praxen mit relativ festen Arbeitszeiten.

Redaktion: Der Bundesgesundheitsminister verspricht sich vom neuen Gesetz, dass junge Menschen für die MT-Berufe motiviert werden und dass so dem Fachkräftemangel entgegengewirkt wird. Wie sehen Sie das?

Vockelmann: Das Gesetz hat gute Ansätze, doch es bewirkt nicht genug. Wir müssen den MT-R Beruf bekannter machen. Die MTRA-Aktionstage sind ein guter Schritt, wir haben darüber bereits Auszubildende gefunden. Doch es müssten noch mehr Radiologen, Nuklearmediziner und Strahlentherapeuten mitmachen, damit der Beruf bekannter wird.

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