Tarifliche Herabstufung eines Oberarztes nur bei schlüssiger Darlegung von Minderleistung

von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de 

Kann ein Oberarzt zum Facharzt zurückgestuft werden, wenn seine Leistungen nach Meinung seines Arbeitgebers nicht ausreichen? Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Rheinland-Pfalz sind solche Degradierungen möglich, jedoch muss der Arbeitgeber die Minderleistungen schlüssig darlegen. Daran scheiterte es jedoch im konkreten Fall (Urteil vom 25.03.2014, Az. 6 Sa 357/13).

Der Fall 

Der klagende Arzt – ein verheirateter Familienvater mit zwei Kindern – wurde Ende 2011 vom Universitätsklinikum als Oberarzt für den Bereich „computer-assistierte Chirurgie“ bestellt und fortan nach der EG Ä 3, Stufe 1 TV-Ärzte vergütet. Im September 2012 teilte das Universitätsklinikum dem bei ihr gewählten Personalrat die Absicht mit, den Arzt zum Zwecke der Herabgruppierung eine Änderungskündigung auszusprechen, da er nur eingeschränkte operative Fähigkeiten zeige, die es nicht erlaubten, ihn Eingriffe unbeaufsichtigt durchführen zu lassen. Der Personalrat widersprach der Maßnahme.

Dennoch kündigte das Universitätsklinikum das Arbeitsverhältnis im November 2012 ordentlich zum 30. Juni 2013 und bot dem Arzt zugleich an, ihn ab Juli 2013 als Facharzt nach der EG Ä 2 Stufe 2 TV-Ärzte zu beschäftigen. Diese sogenannte „Änderungskündigung“ (Erläuterungen siehe Kasten) wurde mit elementaren fachlichen Defiziten des Arztes bei Operationen begründet, die einer oberärztlichen Tätigkeit entgegenstünden.

Der Arzt hat die Änderungen unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung angenommen und beim Arbeitsgericht (ArbG) Mainz eine sogenannte „Änderungskündigungsschutzklage“ erhoben. Das ArbG gab der Klage des Arztes statt. Die Berufung des Klinikums wies das LAG Rheinland-Pfalz zurück.

Die Entscheidung 

Nach Auffassung des LAG kann sich das Universitätsklinikum zur sozialen Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen weder auf einen personen- noch auf einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund stützen. Es fehle bereits an der schlüssigen Darlegung einer behaupteten Minderleistung des Arztes. Selbst wenn man davon ausgehe, dass es erhebliche Minderleistungen des Arztes gegeben habe, müsse das Universitätsklinikum sich entgegenhalten lassen, dass jedenfalls künftig aufgrund wachsender Erfahrung mit einer entsprechenden Leistung des Arztes zu rechnen sei.

Bedeutung des Urteils 

Das Urteil verdeutlicht, dass eine „Herabstufung“ – ebenso wie auch die Klage eines Arztes auf eine höhere Einstufung – an eine umfassende und substanziierte Beweisführung geknüpft ist. Ein solcher Beweis ist meistens schwer zu führen. An dieser Beweislast scheiterte das Universitätsklinikum. Eine aus Sicht des Klinikums interessante Alternative hätte darin bestanden, zunächst von der tariflich möglichen Option einer vorübergehenden Übertragung oberärztlicher Tätigkeit Gebrauch zu machen, um die Eignung des Arztes zu prüfen.

Erläuterungen zur Änderungskündigung

Die Änderungskündigung dient dem Arbeitgeber als Gestaltungsmittel, um einseitig solche Veränderungen der Arbeitsbedingungen zu erreichen, die von dem zulässigen Rahmen des Direktionsrechts nicht mehr gedeckt sind. Eine Änderungskündigung beinhaltet stets eine Beendigungskündigung des Arbeitsverhältnisses verbunden mit dem Angebot, dieses mit geänderten Arbeitsbedingungen fortzusetzen. Der Arbeitnehmer kann wie folgt reagieren:

  • Er kann die Änderungskündigung akzeptieren. Das Arbeitsverhältnis wird nach Ablauf der Kündigungsfrist zu den geänderten Bedingungen fortgesetzt.
  • Lehnt er das Änderungsangebot ab, bleibt es zunächst bei der Beendigungskündigung. Er kann dann binnen drei Wochen Kündigungsschutzklage erheben. Obsiegt er vor Gericht, ist das Arbeitsverhältnis zu den ursprünglichen Bedingungen fortzusetzen. Verliert er, ist das Arbeitsverhältnis beendet.
  • Als dritte Option kann der Arbeitnehmer das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Nachprüfung annehmen. Gewinnt er diese Klage, besteht das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fort. Verliert er, besteht sein Arbeitsverhältnis zu den geänderten Arbeitsbedingungen fort.