Rechtssichere Praxisabgabe und -nachfolge: Praxisübergabe an einen jungen Nachfolger

von RA, FA für MedizinR Dr. Thomas Willaschek, D+B Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, www.db-law.de

 Die Nachfolge durch einen jungen Kollegen ist die klassische Variante beim Ausscheiden aus der vertragsärztlichen Versorgung. Sie ist u. a. dann besonders attraktiv, wenn Ihnen eine passende Nachfolgerin bzw. ein passender Nachfolger zur Verfügung steht und Ihr Standort erhalten bleiben soll.

So funktioniert das Nachbesetzungsverfahren

Im Regelfall nimmt die Praxisnachfolge diesen Verlauf: Der Praxisinhaber sucht einen geeigneten Nachfolger und beide verhandeln die Modalitäten von Praxisverkauf und -übergabe. Sind alle Verträge unterzeichnet, verzichtet der Abgeber auf seine Zulassung unter der Bedingung der Nachbesetzung. Er benennt seinen Vertragspartner als Nachfolger („Wunschkandidat“). Der Zulassungsausschuss entscheidet nun, ob ein Nachbesetzungsverfahren eingeleitet wird.

Entscheidet der Zulassungsausschuss positiv, schreibt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) den Vertragsarztsitz aus, zumeist veröffentlicht im Mitteilungsblatt und auf der Homepage. Innerhalb der dort genannten Fristen können sich alle Interessenten bewerben. Aus dem Bewerberfeld wählt der Zulassungsausschuss dann in erneuter Sitzung den Nachfolger aus. Der Abgeber übergibt diesem – sinnvollerweise erst dann, wenn der schriftliche Beschluss des Zulassungsausschusses rechtskräftig ist – seine Praxis und geht in den wohlverdienten Ruhestand. Der frisch Niedergelassene geht mit der Übergabebestätigung zur KV und holt sich seine Praxisstempel.

Einen Nachfolger finden und positionieren

Für die Auswahl eines Nachfolgers gelten die 3 „K-Kriterien“: Kaufpreis, Kompetenz und Kollegialität. Jeder Abgeber einer Praxis gewichtet diese Kriterien nach eigenen Maßstäben.

Die gesellschaftliche Entwicklung führt dazu, dass der 24/7-Arzt ausstirbt. Falls Sie bisher Ihre Praxis allein mit erheblichem Einsatz betrieben haben und niemanden finden, der dieses Konzept weiterführen möchte, denken Sie flexibel: Eine Zulassung ist hälftig teilbar, warum also nicht 2 statt einen Nachfolger suchen, die die Praxis gemeinsam weiterführen?

Falls Ihr Nachfolger direkt aus dem Krankenhaus kommt und erst einmal ambulante Erfahrung sammeln möchte, anstatt sofort ins eiskalte Wasser der alleinigen Praxisführung zu springen, bietet sich das sog. Jobsharing an. Meist in Form einer Berufsausübungsgemeinschaft mit einem zuvor nicht zugelassenen „Junior“-Partner wird der Versorgungsauftrag des Praxisinhabers („Senior“) geteilt, aber nicht hälftig: Wenn sich beide verpflichten, die Leistungen nicht auszuweiten, ist eine gleitende Verschiebung des Arbeitseinsatzes „vom Routinier zum Rookie“ möglich.

Praxistipp

Egal ob der Praxisstandort fortgeführt werden soll oder nicht: Bewerten Sie frühzeitig Ihre mietvertragliche Situation, um wichtige Fristen (z. B. Vertragsverlängerung, Kündigung) nicht zu verpassen.

 

Sitzaufkauf durch KV verhindern

Das Gesetz legt dem Zulassungsausschuss in deutlich überversorgten Planungsbereichen nahe, das Nachbesetzungsverfahren abzulehnen und die Praxis gegen Entschädigung zu schließen. Bisher ignorieren die Ausschüsse diese Rechtslage, sodass Ihnen aktuell wenig Gefahr droht.

Praxistipp

Wenn Sie die Abgabe aber erst in mehreren Jahren planen und Ihre Praxis nicht zu den großen Versorgerpraxen zählt, ist Vorsicht geboten: Falls Ihr Nachfolger kein Familienmitglied ist, kommt als Lösung ein mindestens 3-jähriges (ganz sicher: 5-jähriges) Jobsharing oder eine MVZ-Gründung in Betracht.

 

Konkurrenz im Auge behalten

Wenn ein Konkurrent Ihres Wunschkandidaten seinen Antrag auch auf kollegiale Bitte hin nicht zurückzieht und besser qualifiziert ist, besteht das Risiko, dass der Zulassungsausschuss ihn auswählt. Dann müssen Sie gut überlegen, ob das Verfahren abgebrochen werden soll oder ob Sie auch mit dem Konkurrenten einen Vertrag durchverhandeln. So müssen Sie nach dessen Auswahl nicht um den Kaufpreis streiten. Cave: Ein Abbruch des Verfahrens kann aufgrund einer BSG-Rechtsprechung dazu führen, dass Sie die Abgabe um Jahre verschieben müssen!

Fehlt ein solcher Vertrag mit dem Konkurrenten, droht schlimmstenfalls die jahrelange Verzögerung durch Widerspruchs- und Gerichtsverfahren, auch wenn der Ausschuss wunschgemäß entscheidet. Für diesen Fall muss auch der Vertrag mit dem Wunschkandidaten Lösungen vorsehen.

Zu guter Letzt: „Zeit ist Geld“

Eine koordinierte Praxisnachfolge braucht Zeit – allein für die Abwicklung des Verfahrens bei KV und Zulassungsausschuss je nach KV-Bezirk zwischen 3 und 15 Monaten. Davor müssen Interessenten gesucht, mit ihnen verhandelt und eine gemeinsame Übergabestrategie entwickelt werden. Wie meist im Leben verhandelt am erfolgreichsten, wer nicht zeitlich unter Druck steht. Deshalb ist eine rechtzeitige Planung wichtig. 5 Jahre vor Ihrem geplanten Ruhestand haben Sie als Vertragsarzt noch alle Optionen – und sollten sich umfassend zulassungsrechtlich beraten lassen. Die KV-Beratungsangebote sind ein sinnvoller erster Anlaufpunkt. Sie sollten aber durch anwaltliche Expertise ergänzt werden. Denn manchmal ist der übliche (oder auch der für eine KV angenehmste) Weg für Sie als Abgeber nicht unbedingt der sinnvollste.

Fazit

Lassen Sie sich bei Planung und Abwicklung der Praxisübergabe juristisch und steuerlich unterstützen. Ein guter Vertrag ist Ihr Fallschirm für den Fall, dass etwas schiefgeht. Auch bei großer Sympathie haben Praxisabgeber und Nachfolger naturgemäß immer unterschiedliche Interessen – ob sie es merken oder nicht. Rechtsanwälte, die beide Seiten vertreten (Grundsatz: wer eine Rechnung bekommt, ist Mandant), handeln deshalb standeswidrig. Ohnehin will gut überlegt sein, ob der Verkauf des Lebenswerks oder auch die Existenzgründung der richtige Moment ist, um an der Beratung zu sparen.