„Radiologen müssen die GOÄ als einen Rechtstext verstehen!“

„MRT-Leistungen optimal abrechnen – Tipps und Antworten von GOÄ- und EBM-Experten“ lautet der Titel eines Webinars, zu dem das Radiologen WirtschaftsForum einlädt. Zu den Experten zählt Dr. med. Bernhard Kleinken, Herausgeber des GOÄ-Kommentars „Hoffmann“ (Kohlhammer-Verlag). Dr. Kleinken, ursprünglich Facharzt für Urologie im Krankenhaus, ging 1990 zur Bundesärztekammer (BÄK), wo er u. a. stellvertretender Dezernent im Dezernat Gebührenordnung war. Von 2002 bis 2012 leitete er die PVS-Consult, eine damals von mehreren Privatärztlichen Verrechnungsstellen getragene Stelle zur Bearbeitung von Grundsatzfragen der GOÄ-Anwendung. Seit Beginn seines Ruhestands ist er freiberuflich als Autor, Dozent und Berater tätig. Ursula Katthöfer ( textwiese.com ) sprach vorab mit ihm.

Redaktion: Was können Webinar-Teilnehmer erwarten?

Dr. Kleinken: Optimal abzurechnen heißt, das bestmögliche Ergebnis unter korrekter Anwendung der Gebührenordnung zu erzielen. Die Teilnehmer sollen bei der Abrechnung von MRT-Untersuchungen sicher sein. Das setzt voraus, dass sie die GOÄ als einen Rechtstext verstehen, der nach Begrifflichkeiten angewendet wird. Für die richtige Abrechnung ist nicht die radiologische Sach- und Fachkenntnis, manchmal nicht einmal der gesunde Menschenverstand, entscheidend, sondern man muss sich an das halten, was in der Gebührenordnung steht. Letztendlich geht es darum, dass Radiologen die GOÄ-Systematik so verstehen, dass sie sie auf alle ihre Leistungen anwenden können.

Redaktion: Ist es denn falsch, die Gebührenordnung aus medizinischer Sicht zu betrachten?

Dr. Kleinken: Das lässt sich gut anhand eines Beispiels beantworten. Nehmen wir die Darstellung der Gefäße mittels Kernspin. Die MR-Angiografie wird manchmal als konventionelle Angiografie abgerechnet, nämlich nach Abschnitt O I 5 GOÄ. Das erfolgt zusätzlich zum MRT und führt zu einem relativ guten Honorar. Diese Abrechnung ist aus medizinischer Sicht verständlich, aber falsch. Denn in Abschnitt O III gibt es z. B. die Nr. 5700 GOÄ für die Magnetresonanztomografie im Bereich des Kopfes. Außerdem die Nr. 5731 GOÄ. Sie bezieht sich auf ergänzende Serien und führt als Anwendungsbeispiel auch die Darstellung von Arterien als MR-Angiografie an.

Einige private Kostenträger lehnen die Steigerung (bis 2,5-fach) des Höchstwerts nach Nr. 5735 GOÄ ab. Das ist falsch. Denn man kann auch den Höchstwert steigern, wenn eine oder mehrere der im Höchstwert berücksichtigten Leistungen überdurchschnittlich schwierig oder zeitaufwendig waren.

Redaktion: Diskussionen und widersprüchliche Aussagen gab es auch bei der CT, genau bei der Nr. 5377 GOÄ (Zuschlag für computergesteuerte Analyse – einschließlich speziell nachfolgender 3D-Rekonstruktion, nicht steigerungsfähig, 46,63 Euro). Ein Einzelfall?

Dr. Kleinken: Die BÄK bestritt jahrzehntelang, dass diese Gebührenposition mehrfach abrechenbar sei. Sie empfiehlt erst seit dem vergangenen Jahr, dass der Zuschlag mehrfach berechnungsfähig ist, wenn nach den Nrn. 5370 bis 5374 GOÄ ein Höchstwert nach Nr. 5369 GOÄ für mehrere Leistungen berechnet wird. Sie folgt damit der Auffassung des GOÄ-Kommentars Hoffmann.

Ein anderes Beispiel ist die Abrechnung der Tomosynthese. Es wurde von der BÄK lange bestritten, dass sie über die Nr. 5290 abrechenbar sei. Schließlich lenkte die BÄK ein.

Redaktion: Offenbar sind auch die Kostenträger PKV und Beihilfe manchmal anderer Auffassung als die Leistungserbringer.

Dr. Kleinken: Ein Klassiker ist die Diagnostik eines privat versicherten Patienten in einem externen radiologischen Institut, das von einem Krankenhaus beauftragt wird. Da z. B. bei einer MRT-Angiografie allein schon wegen der Katheter sehr hohe Kosten entstehen, meinten die privaten Krankenversicherungen, dass diese in der vom Krankenhaus berechneten Fallpauschale enthalten seien. Der externe Radiologe könne die Sachkosten deshalb nur dem Krankenhaus, nicht dem Patienten berechnen. Diese Auseinandersetzung liegt schon einige Zeit zurück, ging aber bis zum Bundesgerichtshof (BGH). Dort durfte ich als Sachverständiger vortragen, dass die Sachkosten für auswärtige Konsiliarärzte bei Privatpatienten in der Fallpauschale überhaupt nicht einkalkuliert werden dürfen. Um das zu wissen, reicht ein Blick in das Handbuch zur Kalkulation von Fallpauschalen und Sonderentgelten. Der BGH urteilte im Sinne der Radiologen.

Redaktion: Wie werden Sie im Webinar mit Fragen zu Unklarheiten dieser Art umgehen?

Dr. Kleinken: Ich freue mich auf die Fragen der Teilnehmer. Was wir nicht direkt beantworten können, beantworten wir später im Radiologen WirtschaftsForum. Die Teilnehmer können ihre Fragen auch im Vorfeld stellen, sodass Zeit bleibt, technische Hintergründe zu recherchieren. Was ich vortrage, kann zudem jeder schriftlich bekommen.

Redaktion: Lassen Sie uns noch über die Zukunft der GOÄ reden, die seit 1996 nicht grundlegend novelliert wurde. Elektronische Patientenakte, digitale Gesundheits-Apps, Videosprechstunde – ist die GOÄ noch zeitgemäß?

Dr. Kleinken: Ja, denn es gibt in der GOÄ nichts, was man nicht darüber abbilden kann. Eine Leistung lässt sich entweder unter einer Gebührenposition subsumieren oder analog abrechnen. Das ist der große Vorteil der GOÄ.

Redaktion: Warum ist dann eine Novelle notwendig?

Dr. Kleinken: Man kann darüber geteilter Meinung sein, ob diese Novelle notwendig ist. Sicher wäre ein zeitgemäßes Leistungsverzeichnis gut. Hauptziel der BÄK ist aber nicht ein zeitgemäßes Leistungsverzeichnis, sondern eine Angleichung der Strukturen an die der vertragsärztlichen Versorgung.

So soll der Steigerungsfaktor in der GOÄ nur noch in seltenen Ausnahmefällen zugelassen werden. Eine Kommission (die sog. Gemeinsame Kommission, kurz „GeKo“), die von PKV, Beihilfe und BÄK paritätisch besetzt wird, hätte darüber zu entscheiden, ebenso über zulässige Analogabrechnungen. Das erwähnte Urteil des BGH zu den Sachkosten des externen Konsiliararztes soll im § 6a revidiert werden.

Viele, jetzt eigenständig nebeneinander berechenbare Leistungen sollen in Komplexen versenkt oder nur noch als Zuschläge berechenbar sein. Das wäre die „EBM-isierung“ der GOÄ und die Bevormundung von Ärzten durch die „GeKo“, ähnlich wie von G-BA und Bewertungsausschuss im vertragsärztlichen Bereich.

Redaktion: Radiologen befürchten zudem, dass ihre Leistungen abgewertet werden. Ist das absehbar?

Dr. Kleinken: Nicht die gesamte Radiologie, doch CT und MRT sollen erheblich abgewertet werden. Über die Höhe kann man nur spekulieren, da die BÄK die bereits ausgehandelten Entwürfe als Geheimsache behandelt. Vermutungen lauten, dass es um eine Abwertung von ca. 30 Prozent geht. Grund sind vor allem die gegenüber 1996 oft erheblich gesunkenen Gerätekosten. Gleichzeitig sollen Leistungen wie Qi Gong und Traditionelle Chinesische Medizin, die meines Erachtens nichts in der GOÄ zu suchen haben, aufgenommen werden. Mit jeder Novelle gibt es Gewinner und Verlierer. Die methodenorientierten Fächer würden zu Verlierern.

Anmeldung zum MRT-Abrechnungswebinar

Das Webinar „MRT-Leistungen optimal abrechnen – Tipps und Antworten von GOÄ- und EBM-Experten“ findet statt am

  • Mittwoch, dem 07.12.2022,
  • von 17:00 bis 18:30 Uhr.

Die Teilnahme ist für RWF-Leser kostenlos. Die Anmeldung zum Webinar erfolgt online unter iww.de/s6952. Stellen Sie sehr gerne Ihre Abrechnungsfrage zu MRT-Leistungen im Vorfeld per E-Mail an rwf@iww.de.

 

Weiterführende Hinweise

  • Interview zu den Plänen einer GOÄneu als Download online unter iww.de/s7107
  • Liste der GOÄ-Leserforen zu MRT-Leistungen von 05/2010 bis 11/2022 als Download online unter iww.de/s7097