von RA Tim Hesse, Kanzlei am Ärztehaus, Münster/Dortmund
Bei der gegenseitigen Vertretung innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) ist Vorsicht geboten. Verstöße gegen die vertragsärztlichen Vertretungsregelungen bzw. gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung können Honorar-Rückforderungen nach sich ziehen. Dies zeigt ein Fall, der jüngst vom Sozialgericht [SG] München entschieden wurde (Urteil vom 20.01.2017, Az. S 28 KA 698/15 ).
Auf eine anonyme Anzeige hin war festgestellt worden, dass der Facharzt für Radiologie C seine urlaubsbedingten Abwesenheiten (jährlich rund 100 Tage) nicht bzw. nur unvollständig der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) gemeldet hatte. In seinen Abwesenheitsmeldungen hatte C jeweils seinen Praxis-Partner D, einen Facharzt für Radiologie und für Nuklearmedizin, als seinen Vertreter benannt.
Daraufhin nahm die KV Honorarbescheide für mehrere Quartale zurück. Sie wies darauf hin, dass eine gegenseitige Vertretung der Partner in einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung wegen der Bindung an die Grenzen des Fachgebiets und des Versorgungsbereichs grundsätzlich nicht möglich ist. C habe demnach stets einen externen Vertreter bemühen müssen.
Bei strikter Anwendung der Rechtsprechung seien alle von D in Vertretung von C erbrachten Leistungen fehlerhaft abgerechnet worden und damit zurückzufordern. Angesichts einer insoweit erst Ende 2011 erfolgten grundlegenden Änderung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts räumte die KV den Ärzten allerdings Vertrauensschutz ein: Sie erkannte in analoger Anwendung der in § 32 Ärzte-ZV statuierten zeitlichen Obergrenze Vertretungen von bis zu drei Monaten jährlich an.
Die gegen die verbleibende Honorar-Rückforderung in Höhe von knapp 73.000 Euro gerichtete Klage der BAG hatte zum Teil Erfolg.
Allerdings bestätigte das SG zunächst Verstöße gegen die Vertretungsregelungen, die Anwesenheitspflicht und die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung.
Einer „praxisinternen Vertretung“ des C durch D stünden bereits die Abrechnungsbestimmungen des EBM entgegen. Da sowohl Röntgen- als auch CT-Leistungen für ihn fachfremde Leistungen sind, benötige C tatsächlich grundsätzlich einen externen Vertreter.
Die beklagte KV habe allerdings die Drei-Monats-Fristen nicht korrekt berechnet und das ihr im Rahmen der Honorarneufestsetzung zustehende Ermessen, die Berechnung der Honorarrückforderung anhand der Kalendertage oder der Tage mit Sprechstundenzeit vorzunehmen, fehlerhaft ausgeübt. Daher berechnete das Gericht neu und reduzierte die Honorarrückforderung gegenüber der BAG um ca. 30.000 Euro.
Gemäß § 32 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV hat der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben.
Bei Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an einer ärztlichen Fortbildung oder an einer Wehrübung kann er sich innerhalb von zwölf Monaten bis zu einer Dauer von drei Monaten vertreten lassen (§ 32 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV).
Ein Vertragsarzt, der seiner Tätigkeitsverpflichtung nicht nachkommen kann, muss selbst für eine geeignete ärztliche Vertretung und angemessene Patienteninformation sorgen. Dauert die Vertretung länger als eine Woche, ist sie der KV mitzuteilen (§ 32 Abs. 1 S. 4 Ärzte-ZV).
Die in § 32 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV statuierte Drei-Monats-Frist ist nach wohl vorherrschender Ansicht nicht durch Addition der Abwesenheits- oder Vertretertage, sondern fortlaufend von dem Zeitpunkt an zu errechnen, an dem der Vertreter erstmalig tätig wird.
Beginnt ein Urlaub an einem Wochenende oder einem Feiertag, ist für diese Tage keine Vertretung erforderlich, wenn die Praxis lediglich von Montag bis Freitag Sprechstunden anbietet.
Als Ausnahme vom Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung kann der Vertragsarzt die in dem dreimonatigen Zeitraum erbrachte Vertreterleistung ohne Genehmigung gegenüber der KV wie eine eigene Leistung abrechnen.
Wer gegenüber der KV Abwesenheitszeiten falsch oder unvollständig angibt, setzt die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärungen in den betroffenen Quartalen aufs Spiel.
In dem beschriebenen Fall ergab sich die Gesamtrückforderungssumme für das Gericht aus der Zahl der gestrichenen Abwesenheitstage, multipliziert mit dem jeweils durchschnittlichen GKV-Tageshonorar des C. Doch das SG hat darauf hingewiesen, dass es im Ermessen der KV liegt, ob die Rückforderung anhand der Kalendertage oder der Tage mit Sprechstundenzeit berechnet wird.
Eine Berechnung der Rückforderung anhand der Sprechstundentage hätte hier zu einem ähnlichen Ergebnis geführt. In diesem Fall wäre die Anzahl der Sprechstundentage, an denen C abwesend war, mit seinem an einem Tag mit Sprechstundenzeit durchschnittlich eingenommenen GKV-Honorar zu multiplizieren gewesen.
Praxishinweis |
Wie die KV Bayerns zählt das SG München Vertretungen für Bereitschaftsdienst zu den Vertretungstagen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Bereitschaftsdienst getauscht wurde. Eine lediglich stundenweise Vertretung schlägt nach Ansicht des SG München als ein Vertretungstag zu Buche. Das heißt aber nicht, dass KVen in anderen Bezirken und/oder andere Gerichte dies genauso beurteilen. Wer Unannehmlichkeiten vermeiden möchte, sollte nicht zuletzt diesbezüglich die Verwaltungspraxis der jeweils zuständigen KV in Erfahrung bringen und ggf. rechtzeitig juristischen Rat einholen. |
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