Leistungen niedergelassener Radiologen für Krankenhauspatienten unterliegen nicht der GOÄ

von RA Dr. Peter Wigge, Fachanwalt für Medizinrecht und RAin Dr. Ulrike Tonner, Münster/Westf., www.ra-wigge.de

Für niedergelassene Radiologen besteht eine wirtschaftliche Notwendigkeit, mit Krankenhäusern und anderen niedergelassenen Ärzten zur Auslastung der vorhandenen Geräte zusammenzuarbeiten, insbesondere im Bereich der Schnittbilddiagnostik. Die schnelle technische Überalterung der Geräte und die Notwendigkeit zur ständigen technischen Innovation aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit hat den durchschnittlichen Praxiskostenanteil in dieser Fachgruppe stark ansteigen lassen. Radiologische Praxen werden deshalb in der Zukunft nur wirtschaftlich überleben können, wenn sie mit anderen Partnern kooperativ zusammenarbeiten und gemeinsame Nutzungs- oder Investitionsentscheidungen treffen. 

Bei engeren Verzahnungen zwischen radiologischen Praxen und Krankenhäusern stellt sich allerdings unter anderem die Frage, nach welchen Vergütungsgrundlagen die Leistungen des niedergelassenen Radiologen für das Krankenhaus abgerechnet werden. Jetzt hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil entschieden, dass Kooperationsverträge zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Radiologen nicht zwingend der GOÄ unterliegen (Urteil vom 12.11.2009, Az: III ZR 110/09). 

Sachverhalt

Der Sachverhalt betraf die Erbringung radiologischer Leistungen für Regelleistungspatienten eines Krankenhauses. Das Krankenhaus selbst verfügte über keine eigene radiologische Fachabteilung. Entgegen einer mündlichen Vergütungsvereinbarung zwischen dem Krankenhaus und dem früheren Praxisinhaber, wonach einheitlich der 0,75-fache Steigerungssatz der GOÄ zu vergüten ist, hatte die Gemeinschaftspraxis für ihre Leistungen überwiegend einen 1,2-fachen Gebührensatz abgerechnet. Mit ihrer Klage verlangte die Gemeinschaftspraxis den vom Krankenhaus nicht gezahlten, sich aus den unterschiedlichen Steigerungssätzen ergebenden Differenzbetrag. 

Zentrale Aussagen des BGH-Urteils

Das vorinstanzliche Berufungsgericht lehnte die Klage ab. Die mündliche Vergütungsabrede über die Zugrundelegung des 0,75-fachen Gebührensatzes sei wirksam, da die Vorschriften der GOÄ auf den Kooperationsvertrag zwischen den Prozessparteien nicht unmittelbar anzuwenden seien. Dieser Rechtsauffassung hat sich der BGH angeschlossen. Er trifft in seinem Urteil vier Kernaussagen: 

1. Leistungen gehören zu Allgemeinen Krankenhaus­leistungen

Zunächst führt der BGH in seinem Urteil aus, dass die von der Gemeinschaftspraxis erbrachten radiologischen Leistungen Bestandteil der allgemeinen Krankenhausleistungen i.S.v. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sind und folglich weder unmittelbar gegenüber dem Patienten noch gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abzurechnen sind. Vielmehr seien diese über die Entgelte der allgemeinen Krankenhausleistung entsprechend den Regelungen des KHEntgG vergütet. 

Dies gelte jedoch nur für Leistungen gegenüber Regelleistungspatienten, das heißt, gegenüber sozialversicherten Patienten und denjenigen Privat­patienten, die auf die Inanspruchnahme von wahlärztlichen Leistungen verzichtet haben. 

2. Keine unmittelbare ­Anwendung der GOÄ

In dem Rechtsstreit beriefen sich die Ärzte der Gemeinschaftspraxis darauf, die mündliche Vereinbarung des 0,75-­fachen Steigerungssatzes verstoße gegen das Schriftformerfordernis des § 2 Abs. 2 GOÄ und sei daher unwirksam. Dieser Ansicht ist der BGH mit Hinweis auf die nicht zwingende Anwendbarkeit der GOÄ-­Vorschriften nicht gefolgt. Die GOÄ ist grundsätzlich die maßgebliche Grundlage der Honorare, die Ärzte für Leistungen gegenüber Privatpatienten bzw. in § 11 Abs. 1 GOÄ genannten öffentlichen Leistungsträgern verlangen können. 

Nach Auffassung des BGH ist im Rahmen einer Kooperation das Krankenhaus aber weder Leistungsempfänger noch Leistungserbringer im Sinne von § 11 Abs. 1 GOÄ, sondern selbst auch Leistungserbringer der allgemeinen Krankenhausleistung, welcher die Leistungen der Gemeinschaftspraxis im Verhältnis zum Patienten zugerechnet würden. Bei dem zwischen den Prozessparteien bestehenden Rechtsverhältnis handele es sich vielmehr um einen Dienstvertrag, der auf die Komplettierung der vom Krankenhaus geschuldeten allgemeinen Krankenhausleistung gerichtet sei. Der Entscheidung des BGH zufolge ist auf diesen Dienstvertrag die GOÄ jedoch nicht unmittelbar anwendbar, wobei es den Vertragsparteien offenstehe, sich am ärztlichen Gebührenrecht zu orientieren. 

3. Geltung der GOÄ durch ­Vereinbarung möglich

Als weiteres Argument für die nicht unmittelbare Anwendung der GOÄ auf Vereinbarungen zwischen Krankenhäusern und externen Ärzten führt der BGH die Verordnungsbegründung zu § 2 Abs. 1 GOÄ an. § 2 Abs. 1 GOÄ berechtigt den Vertragsarzt zur Vereinbarung einer von der GOÄ in der Höhe abweichenden Vergütung. Entsprechend der Verordnungsbegründung gelte dies nicht nur für Vereinbarungen mit dem Patienten, sondern auch für Kollektivverträge mit Leistungsträgern, die anstelle des Patienten die Vergütungspflicht übernehmen. 

Verträge mit anderen Leistungserbringern würden in der Begründung jedoch gerade nicht genannt, obwohl bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der GOÄ Kooperationen in Form von Konsiliarärzten üblich gewesen seien und deren Leistungen mit den allgemeinen Pflegesätzen der Krankenhausbehandlung abgegolten worden seien. An diesem Rechtszustand hat sich aus Sicht des BGH trotz späterer Änderungen der GOÄ nichts geändert. 

Im Ergebnis findet die GOÄ nach der BGH-­Rechtsprechung nur dann auf Kooperationsverträge im Rahmen der allgemeinen Krankenhausleistungen Anwendung, wenn ihre Geltung durch die Vertragsparteien ausdrücklich vertraglich vereinbart wurde. 

4. ­Gebührenrahmen der GOÄ darf unterschritten werden

Abschließend stellt der BGH in seinem Urteil fest, dass im Rahmen von Kooperationsverträgen auch eine Vergütung vereinbart werden kann, die unterhalb des Gebührenrahmens der GOÄ (1­ bis 3,5­-facher Satz) liegt. Grund dafür sei, dass nach § 11 der Bundesärzteordnung (BÄO), der Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der GOÄ, in der GOÄ die Mindest­ und Höchstsätze für die ärztlichen Leistungen festzusetzen sind. In Verbindung mit § 2 Abs. 1 GOÄ, wonach eine von der GOÄ in der Höhe abweichende Vergütung vereinbart werden kann, läge es in der Konsequenz dieser Regelung, dass Abweichungen in beide Richtungen geben können. 

Zur Unterstützung dieser Argumentation verweist der BGH auf die Berufsordnungen der Ärztekammern, die ebenfalls eine Unterschreitung der Mindestgebühr der GOÄ nicht generell verbieten würden, sondern nur dann, wenn dies in unlauterer Weise geschieht. Im vorliegenden Fall verneint der BGH eine Beeinflussung des Wettbewerbes in unlauterer Weise, da durch das niedrig bemessene Honorar andere Radiologen nicht in ihrer Tätigkeit behindert worden seien. Ferner handele es sich nicht um eine unerlaubte Vorteilsgewährung i.S.v. § 31 BÄO. 

Fazit

Die zentrale Frage, ob die Vorschriften der GOÄ im Fall der Hinzuziehung eines niedergelassenen Radiologen in den Bereich allgemeiner Krankenhausleistungen auf das interne Vertragsverhältnis zwischen Krankenhaus und externem Arzt zwingend Anwendung finden, hat der BGH eindeutig verneint. Radiologe oder Krankenhaus können sich im Rahmen der vorliegenden Leistungsbereiche nur dann auf die Regelungen der GOÄ berufen, wenn deren Geltung vertraglich ausdrücklich vereinbart wurde. 

Den Kooperationspartnern steht es jedoch offen, die GOÄ als Orientierungsmaßstab heranzuziehen. Im Rahmen dessen ist auch eine Vergütungsvereinbarung wirksam, die den Mindestgebührensatz der GOÄ unterschreitet. Unzulässig sind solche Unterschreitungen nur dann, wenn darin eine unlautere Wettbewerbsbeeinflussung liegt.