Controlling in einer radiologischen Großpraxis

von Prof. Günter Stephan, ehem. Hochschule für öffentliche Verwaltung des Landes Baden-Württemberg, Kehl, stephan@hs-kehl.de

Controlling dient der Unterstützung der Betriebsführung zur besseren Erreichung von Zielen sowie zur Verbesserung der Effektivität und Effizienz. Controlling sorgt für systematische und entscheidungsrelevante Informationen und schlägt Maßnahmen vor. In einer großen Arztpraxis oder einem MVZ haben der bzw. die leitenden Ärzte bestimmte Informationsbedürfnisse zur Führung der Einrichtung, die durch Controlling mit der Auswertung der vorhandenen Kosten- und Leistungsrechnung und dem Berichtswesen bedient werden können.

Operatives Controlling im Fokus

In diesem Beitrag wird das operative Controlling im Vordergrund stehen, bei dem die Abläufe innerhalb der Arztpraxis betrachtet werden. Hingegen steht beim strategischen Controlling die Umwelt bzw. das Umfeld im Vordergrund und es geht um die langfristige Planung und Kontrolle der Praxis, beispielsweise um die Frage, wie sich bestimmte Gesetzesänderungen im MVZ umsetzen lassen.

Bei der Auswertung einer vorhandenen Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) sind

  • Kostenarten-,
  • Kostenstellen- und
  • Kostenträgerebene

zu unterscheiden.

Analyse auf Kostenartenebene

Die Darstellung aller Kostenarten einer Arztpraxis ergibt bereits Steuerungsmöglichkeiten. I. d. R. wird mit einer ABC-Analyse begonnen. Die Kosten werden nach ihrer absoluten Höhe sortiert und im Anschluss wird der jeweilige relative Anteil an den Gesamtkosten ermittelt. Die „A-Kosten“ betragen bis ca. 70–80 Prozent der Gesamtkosten, die „B-Kosten“ weitere 15 Prozent und die „C-Kosten“ stellen den Rest dar (s. Bsp. ABC-Analyse).

Beispiel ABC-Analyse

Kostenarten

Summe (Euro)

relativer Anteil

kum. Anteil

Kostentyp

Personalkosten

1.500.000

49,3 %

49,3 %

A

Mietkosten

560.000

18,4 %

67,7 %

A

Kalk. Abschreibung

450.000

14,8 %

82,5 %

A

Medikamente

350.000

11,5 %

94,0 %

B

Kalk. Zinsen

120.000

3,9 %

97,9 %

C

Unterhaltung

60.000

2,0 %

100,0 %

C

Gesamtsumme

3.040.000

100,0 %

   

 

Bei der Kostenanalyse sollten zunächst die A-Kosten betrachtet werden, da sie das größte Kostenvolumen ausmachen, dann die B-Kosten und zum Schluss die C-Kosten. Eine solche ABC-Analyse ist auch für die Kostenstellen möglich und zu empfehlen.

Durch einen Vergleich der Kosten (z. B. Personalkosten, kalk. Abschreibungen, etc.) mit den Vorjahren können sich Hinweise auf Unwirtschaftlichkeiten ergeben. „Ausreißer“ bedürfen hier einer genauen Betrachtung. Haben sich die Kostendeckungsgrade verändert? Welche Möglichkeiten bestehen, um die Kosten bzw. Kostenartengruppen zu beeinflussen? Das Controlling kann Antworten auf diese Fragen geben.

Beispiel Mehrjahresvergleich

 

2016

2017

2018

Gründe für Kostensteigerungen

Personalkosten

150.000

153.000

205.000

2016/17 Tarifsteigerung, 2017/18 Neueinstellung

Energiekosten

22.000

23.000

28.000

2016/17 Tarifsteigerung, 2017/18 Steigerung durch erhöh. Energieverbrauch

Fahrzeugunterhaltung

280.000

300.000

315.000

2016/2018 gestiegenes Alter der Fahrzeuge, daher erhöhte Reparaturkosten

 

Im Beispiel Mehrjahresvergleich (s. u.) sind die Ursachen der Kostensteigerungen für Energie von 2017 auf 2018 detaillierter zu erfassen. Gründe könnten u. a. sein, dass die Fenster schlecht isoliert sind und/oder, dass die Praxiseingangstür längere Zeit offen steht. Zu beachten ist stets, ob sich die Aufgaben oder der Output verändert haben und bereits dadurch höhere Kosten anfallen.

Weitere Analysen auf Kostenstellen- und Kostenträgerebene

Auf der Ebene der Kostenstellen (z. B. Empfang, Röntgen, CT, MRT, Arzt 1, Arzt 2 usw.) ist neben Periodenvergleichen auch ein Vergleich mit den geplanten Kosten möglich. Somit kann der Ressourcenverbrauch jeder Kostenstelle beurteilt werden, der allerdings im Zusammenhang mit den Kostenträgern noch aussagefähiger ist.

Kostenträger sind die Produkte/Dienstleistungen einer Arztpraxis (z. B. Kosten pro Röntgen-, CT-, MRT-Untersuchung), die Ressourcen verursachen und in der Kostenträgerrechnung sichtbar werden. Auch hier sind Zeitvergleiche möglich sowie Vergleiche mit Angeboten Dritter.

Bei einer Break-Even-Analyse (auch: Gewinnschwellenanalyse) werden rechnerisch die Erlöse einer Kostenstelle den entsprechenden Kosten gleichgesetzt. Somit kann die jeweilige Leistungsmenge für den Break-Even-Point ermittelt werden. Dazu benötigt man die Aufteilung der Kosten in fixe und variable Bestandteile.

Die Break-Even-Analyse ist für das Controlling von besonderer Bedeutung. Die Veränderung des Break-Even-Points kann anhand verschiedener Optimierungsmaßnahmen erreicht werden; z. B. durch

  • Kostensenkungen,
  • Erlössteigerungen,
  • Erhöhung der Fallzahlen (mehr untersuchte Patienten) etc.

Beispiel Break-Even-Point

In der Kostenstelle Röntgen sind für das Jahr 2018 Kosten in Höhe von 150.000 Euro angefallen, die Erlöse betrugen 140.000 Euro. Das Defizit betrug also 10.000 Euro. 30.000 Patienten wurden behandelt (Erlöse pro Patient = 4,67 Euro). Die Kosten sind zu 80 Prozent variabel (var.) (= 120.000 Euro bzw. 4,00 Euro pro Patient) und zu 20 Prozent fix (= 30.000 Euro). Für die Ermittlung des Break-Even-Points werden die Erlöse mit den Kosten gleichgesetzt. Die Anzahl der Patienten beim Break-Even-Point ist zunächst x (Erlöse = fixe Kosten + var. Kosten):

4,67 * x = 30.000 + 4,00 * x

x = 44.777

Bei 44.777 Patienten entsprechen die Erlöse den Kosten, d. h., das Defizit von 10.000 Euro wird aufgelöst. Dafür muss allerdings die Patientenzahl von 30.000 auf 44.777 gesteigert werden.

 

In diesem Beispiel sind keine Kostensteigerungen/-senkungen oder Erlössteigerungen berücksichtigt.

Berichterstattung mittels Controlling

Eine weitere wichtige Aufgabe des Controllings ist die Berichterstattung an die Betriebsleitung. Die Betriebsleistung benötigt viele Informationen, um die Großpraxis erfolgreich zu steuern. Dabei haben sich in der Controllingpraxis verschiedene Aspekte bzw. Fragen und ggf. Antworten herauskristallisiert:

  • Wozu soll berichtet werden?
  • Die Leitung benötigt Informationen über Leistungen, Kosten, Abweichungen, um rechtzeitig eingreifen zu können.
  • Wer soll berichten und an wen?
  • Controller/Buchhalter an Betriebsleitung.
  • Was soll berichtet werden?
  • Es geht um den Berichtsinhalt, der vorab mit der Betriebsleitung abgestimmt sein sollte.
  • Für welchen Zeitraum/Zu welchem Zeitpunkt sollte berichtet werden?
  • Denkbar sind Jahresberichte oder auch halb-/vierteljährliche Berichte. Bei der Einführung dürfte ein jährliches Berichtswesen ausreichend sein, empfohlen wird der 31.03. des Folgejahres als Stichtag.

Nachfolgend einige Vorschläge zum Berichtsinhalt eines MVZ. Gesetzliche Vorschriften existieren dazu nicht:

1.Einnahmen/Ausgaben der Praxis

2.Betriebsabrechnungsbogen mit Kostenarten und Kostenstellen

3. Erbrachte Leistungen getrennt nach EBM und GOÄ (zumindest Hauptleistungen, „Top-Produkte“) mit Vorjahresvergleich

4. Kostendeckungsgrade der einzelnen Kostenstellen mit Vorjahresvergleich

5. Kostenveränderungen bei den Kostenarten und Kostenstellen gegenüber dem Vorjahr

6. Kosten der einzelnen Leistungen/Produkte

7. Wert des Anlagevermögens nach Kostenstellen

Fazit

Ein gutes operatives Controlling erleichtert die erfolgreiche Leitung Ihrer Praxis. Nehmen Sie dabei nur Informationen in das Controlling auf, die für die Leitung von Interesse sind. Der Informationsbedarf sollte immer wieder aktualisiert werden. Der Aufbau eines Controllings in einem MVZ sollte durch einen betriebswirtschaftlich geschulten Berater oder Mitarbeiter erfolgen.