von RAin, FAin für MedizinR Prof. Dr. Birgit Schröder, Hamburg
Das Bundessozialgericht (BSG) hatte sich mit der Erstattung der Kosten einer nuklearmedizinischen Untersuchung zu befassen und dabei zu bewerten, ob die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs im Sinne von § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V oder § 13 Abs. 3 SGB V gegeben sind. Das Urteil des BSG zeigt, worauf es im Rahmen einer solchen Kostenerstattung ankommt – Hintergrundwissen, das auch für Radiologinnen und Radiologen im Rahmen der Patientenkommunikation hilfreich sein dürfte (Urteil v. 10.03.2022, Az. B 1 KR 6/21 R).
Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte und wegen eines Prostatakarzinoms voroperierte Kläger wandte sich bei Verdacht eines Rezidivs an das Universitätsklinikum, um eine Positronenemissionstomografie/Computertomografie/Magnetresonanztomografie bei prostataspezifischem Membranantigen durchführen zu lassen (PSMA-PET/CT/MRT-Untersuchung). Bei dieser Untersuchung handelt es sich um eine Kombination nuklearmedizinisch-radiologischer Verfahren zur Sichtbarmachung von Prostatakarzinomzellen und Metastasen. Das Universitätsklinikum übersandte dem Patienten und Kläger mit Schreiben vom 20.12.2017 einen Kostenvoranschlag über 1.883,68 Euro. Der Kläger überwies den Betrag am 23.12.2017. Am 27.12.2017 beantragte er bei der Krankenkasse die Übernahme der Kosten der PSMA-PET/CT/MRT-Untersuchung. Die Krankenkasse teilte dem Kläger mit Schreiben vom 15.01.2018 mit, dass beabsichtigt sei, eine Stellungnahme beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einzuholen. Dieser verwies darauf, dass der G-BA für diese neue Untersuchungsmethode bei dieser Indikation noch keine Empfehlung ausgesprochen habe. Es fehle noch an evidenzgesicherten Daten, dass diese zweifelsfrei sensitive Methode einen patientenrelevanten Vorteil mit sich bringe. Am 29.01.2018 ließ der Patient die Untersuchung durchführen. Die Kosten beliefen sich auf 1.723,39 Euro. Mit Bescheid vom 06.02.2018 lehnte die Krankenkasse die Kostenübernahme ab. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Gegen den Wider-spruchsbescheid vom 24.05.2018 wurde sodann Klage zum Sozialgericht (SG) Chemnitz erhoben.
Das SG hat die Krankenkasse mit Urteil vom 13.11.2018 zur Zahlung von 1.723,39 Euro verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Krankenkasse hat das Sächsische Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen. Das LSG begründete die Entscheidung damit, dass dem Kläger der Kostenerstattungsanspruch gemäß § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V zustehe. Die Krankenkasse habe den Antrag nicht innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V beschieden und den Kläger auch nicht innerhalb dieser Frist über die beabsichtigte Einschaltung des MDK informiert. Der Patient habe sich die Leistung erst nach Fristablauf am 29.01.2018 selbst beschafft – und nicht bereits mit der Überweisung des im Kostenvoranschlag ausgewiesenen Betrags. Von einer Selbstbeschaffung könne erst die Rede sein, wenn die beantragte Leistung tatsächlich in Anspruch genommen werde.
Mit der Revision rügt die Krankenkasse eine Verletzung von § 13 Abs. 3a SGB V. Die notwendige Kausalität zwischen dem Fristversäumnis und der Leistungsbeschaffung sei nicht gegeben, da der Patient die Zahlungsverpflichtung schon vor Antragstellung eingegangen sei. Die Krankenkasse beantragt, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Revision der Krankenkasse sei, so das BSG, im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs. 2 S. 2 SGB V). Der Senat könne nicht abschließend darüber entscheiden, ob dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der von ihm selbst bezahlten PSMA-PET/CT/MRT-Untersuchung nach § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V oder § 13 Abs. 3 SGB V zustehe. Das Urteil des LSG wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Zu klären ist dabei, ob die verspätete Entscheidung der Krankenkasse über den Leistungsantrag für die Selbstbeschaffung der Leistung durch den Kläger ursächlich war. Bezüglich des Anspruchs nach § 13 Abs. 3 S. 1 Fall 1 SGB V müsse sodann weiter festgestellt werden, ob die PSMA-PET/CT/MRT-Untersuchung unaufschiebbar war und vom Patienten nach Maßgabe des § 2 Abs. 1a SGB V beansprucht werden konnte. Auf der Basis sei dann zu entscheiden.
Bereits 2013 wurden zahlreiche Bestimmungen im SGB V geändert, u. a. wurde in § 13 SGB V, der die sog. Kostenerstattung regelt, ein neuer Abs. 3a eingefügt. Danach hat „die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (…). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.“
Die Praxis nach rund zehn Jahren zeigt indes, dass von der Regelung in § 13 Abs. 3a SGB V mit Vorsicht Gebrauch gemacht wird. Es ist in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob die Krankenkasse nicht doch innerhalb der Frist reagiert hat bzw. doch die notwendige Kausalität fehlt. Daraus ergibt sich:
Wenn Patienten bereits sehr früh einen Behandlungsvertrag abschließen, dann kann ihnen dieses Verhalten als Vorfestlegung ausgelegt werden. Es kann dann schwer werden, die notwendige Kausalität zwischen dem Fristversäumnis und der Leistungsbeschaffung zu beweisen. Insofern kann die Reihenfolge der einzelnen Schritte, also auch zwischen Antragstellung und Selbstbeschaffung, von Bedeutung sein! Nun bleibt in dieser Frage abzuwarten, welches Ergebnis die weiteren Ermittlungen des Sächsischen LSG ergeben.
Zudem bleibt es dabei: Voraussetzung für eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 S. 1 Fall 2 SGB V für selbstbeschaffte Leistungen ist eine Entscheidung der Krankenkasse über den Leistungsantrag vor der Selbstbeschaffung.
Praxistipp |
Alle Ärzte sind gut beraten, Patienten auf die Notwendigkeit einer Genehmigung durch die Krankenkasse hinzuweisen und dieses zu dokumentieren. Um die Genehmigungsfiktion nicht zu gefährden, ist bis auf Weiteres Vorsicht bei Vorabzahlungen geboten. Diese könnten als Vorfestlegung ausgelegt werden. Eine Rechnungslegung nach Inanspruchnahme der Leistung ist der sichere Weg – jedenfalls, solange noch nicht abschließend geklärt ist, wie die Rechtsprechung die Vorabzahlung rechtlich bewertet. Bei einer tatsächlichen Inanspruchnahme der Leistung und der dann folgenden Zahlung nach Ablehnung des Antrags bestehen keine Zweifel an der Kausalität. Da dieses bei einer vorherigen Zahlung anders sein könnte, ist zu empfehlen, auf Vorabzahlungen erst einmal zu verzichten, um den Leistungsanspruch der Patienten nicht zu gefährden. |
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