Berufsverbot eines Radiologen begründet Honorarrückforderung von fast 1 Mio. Euro

Ein vertragsärztlich zugelassener Facharzt für Radiologie muss peinlichst genau abrechnen. Zu der korrekten Abrechnung gehört mehr als die zutreffende Anwendung der Abrechnungsbestimmungen des EBM. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in zwei Beschlüssen über Honorarrückforderungen der KV gegenüber einem Facharzt für Radiologie in Höhe von insgesamt fast 1 Mio. Euro einen raschen Überblick über die Zulässigkeit der Honorarabrechnung gegeben (Beschlüsse des BSG v. 24.10.2018, Az. B 6 KA 9/18 und B 6 KA 10/18).

von RA Dr. Tim Oehler, Lehrbeauftragter der Universität Witten/Herdecke, Wallenhorst

Mal vorläufiges, mal eingeschränktes Berufsverbot

Gegen einen Facharzt für Radiologie bestand dringender Tatverdacht wegen der Straftaten der Beleidigung, des Missbrauchs von Schutzbefohlenen und der Vergewaltigung. Aus diesem Grund verboten ein Amtsgericht sowie ein Landgericht dem Radiologen ab 2004 für verschiedene Zeiträume die Ausübung des Arztberufs. Teilweise wurde ihm insbesondere die körperliche Untersuchung weiblicher Personen verboten.

Entzug der Zulassung und Honorarrückforderungen

Die zuständige KV erhielt später Kenntnis von dem Strafverfahren. Dem Facharzt für Radiologie wurde die Zulassung entzogen, was auch gerichtlich bestätigt wurde.

Die KV nahm gegenüber dem Facharzt für Radiologie sachlich-rechnerische Berichtigungen und damit Honorarrückforderungen vor. Für bestimmte Zeiträume wurde ein Drittel des Honorars zurückgefordert, für andere Zeiträume das gesamte Honorar. Weitere Rückforderungen beschränkten sich auf das Honorar für die Behandlung weiblicher Patienten.

Strafrechtliches Berufsverbot schließt Kassenabrechnung aus

Das BSG hat die Beschwerden des Vertragsarztes gegen die Honorarberichtigungen zurückgewiesen. Es stellte klar, dass die Zulassung der KV zwar eine notwendige, aber nicht die ausschließliche Voraussetzung für die Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen wäre. Die obersten Richter erklärten, dass eine solche Zulassung nicht rückwirkend begründet und auch nicht rückwirkend aufgehoben werden könne. Bei dem Radiologen wäre es nicht erst auf den Entzug seiner Zulassung durch den KV-Ausschuss angekommen.

Die Anordnung des vorläufigen Berufsverbots u. a. durch das Amtsgericht hätte ausgereicht, damit der Facharzt seiner beruflichen und damit auch der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht mehr hätte nachgehen dürfen. Das strafrechtliche Berufsverbot hätte also nicht erst in eine sozialrechtliche Untersagung der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit „umgewandelt“ werden müssen. An den Auswirkungen des Berufsverbots auf die Zulassung ändere sich auch dadurch nichts, dass das Berufsverbot zwischenzeitlich mal aufgehoben und dann auf die Behandlung weiblicher Patienten beschränkt worden wäre.

Merke

  • Die weiterhin vorhandene Approbation und Vertragsarztzulassung ändern nichts am Durchgreifen des strafrechtlichen Berufsverbots!
  • Verwaltungsrechtlich ist eine Approbation zwar nicht aufteilbar. Strafrechtlich darf ein vorläufiges Berufsverbot auf einen bestimmten Teil ärztlicher Tätigkeit (hier: die Behandlung weiblicher Patienten) beschränkt werden.
 

Honorarrückforderung nicht nur bei Verletzung des Vertragsarztrechts

Im Hinblick auf die spätere „endgültige“ Anordnung des Berufsverbots machte das BSG die Ausführung, dass eben nicht nur Verletzungen vertragsärztlicher Regelungen eine KV zur Honorarrückforderung berechtigen können.

Berufsverbot schließt Vertragsarzttätigkeit umgehend aus

Eine weitere wesentliche Erwägung des BSG erfolgte dahingehend, dass die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung schon mit der Bekanntmachung eines vorläufigen Berufsverbots nicht mehr gegeben wäre. Es bedürfte dann weder der Aufhebung der Approbation noch der Beseitigung der vertragsärztlichen Zulassung.

Daran würde sich auch dadurch nichts ändern, dass im strafrechtlichen Verfahren gegen Ärzte der KVen eine Mitteilung über ein solches Verfahren zu machen wäre. Denn die KV sollte hierdurch lediglich die Gelegenheit erhalten, zu überprüfen, ob der Arzt sein Berufsverbot beachtet oder weiterhin unter Verstoß gegen das Berufsverbot abrechnet.

Verstoß gegen Berufsverbot ist eine Straftat

Wenigen ist bekannt, dass ein Verstoß gegen ein Berufsverbot – auch ein vorläufiges – eine selbstständige Straftat darstellt (§ 145 c StGB). Ein solcher Verstoß hat bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe zur Konsequenz. Der strafbare Verstoß gegen das Berufsverbot erfasst dabei Umgehungsformen. Eine strafbare Umgehung des Berufsverbots könnte bspw. sein, dass in einer Praxisgemeinschaft von Radiologen der vom Berufsverbot Betroffene für seinen Kollegen die radiologischen Verfahren an den weiblichen Patienten durchführt, der Kollege diese dann aber abrechnet.

Fazit

Eine KV ist zur sachlich-rechnerischen Berichtigung befugt, wenn der Arzt Leistungen …

  • ... unter Verstoß gegen seine generellen berufsrechtlichen Pflichten oder
  • ... im Widerspruch zu seinen speziellen kassenärztlichen Pflichten erbringt oder
  • ... rechnerisch falsch oder unter gebührenordnungsmäßigen Fehlern abrechnet.

Auch wenn sich gegen einen Arzt ein Berufsverbot später als haltlos darstellt, ist dieses zu beachten.