von Dipl.-Kfm. Axel Witte, Steuerberater, RST Steuerberatungsgesellschaft mbH, Essen/Dresden/Dessau/Zwickau
Praxisbewertungen werden auch erforderlich, wenn der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch Ehescheidung beendet wird und zum Vermögen des Ehegatten eine Arztpraxis gehört. Mit seinem Urteil vom 9. Februar 2011 (Az: XII ZR 40/09) hat der Bundesgerichtshof (BGH) das „modifizierte Ertragswertverfahren“ als Bewertungsmethode zur Ermittlung des Wertes einer Arztpraxis im Rahmen des Zugewinnausgleichs ausdrücklich bestätigt.
Grundgedanke des Zugewinnausgleichs ist, dass ein in der Ehe erarbeiteter Vermögenszuwachs beiden Partnern jeweils zur Hälfte gehört, unabhängig davon, wer in der Ehe den Vermögenszuwachs erwirtschaftet hat. Für die Berechnung des Zugewinnausgleichs ist der Wert zugrunde zu legen, den das vorhandene Vermögen zum Stichtag hat. Dazu gehört auch die Praxis.
Der Praxiswert besteht aus dem materiellen Praxiswert (Substanzwert) und dem immateriellen Praxiswert („Goodwill“). In der Praxis gibt es unterschiedliche Methoden zur Ermittlung des „Goodwill“, etwa die Umsatz- und Gewinnmethode, die „Hinweise zur Bewertung von Arztpraxen“ der Bundesärztekammer und der KBV vom 9. September 2008 sowie das modifizierte Ertragswertverfahren.
Der BGH erklärt nunmehr für die Ermittlung des Zugewinnausgleichsanspruchs das modifizierte Ertragswertverfahren zur Methode der Wahl. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung wird bei der Berechnung des Zugewinns zunächst der Substanzwert berücksichtigt, also der Wert des Praxisvermögens (medizinische Geräte, Einrichtung und Vorräte).
Laut BGH ist der Goodwill einer Arztpraxis als immaterieller Vermögensgegenstand zusätzlich in den Zugewinnausgleich einzubeziehen. Der Goodwill bestimmt sich nach immateriellen Faktoren wie Mitarbeiterstamm, Standort, Patientenstamm und Konkurrenzsituation, wenn diese Werte auf den Nachfolger übertragbar sind. Mit dem Goodwill bezahlt der Käufer den Preis für die Chance, ein ähnliches Ergebnis wie der bisherige Praxisinhaber zu erzielen.
Der Goodwill ist aber auch durch andere immaterielle Faktoren – wie Ruf, Ansehen und medizinisches Know-how des Praxisinhabers – bestimmt. Diese Werte sind mit der Person des Inhabers der Praxis verbunden und deswegen grundsätzlich nicht übertragbar. Sie dürfen nach Rechtsprechung des BGH nicht in den Zugewinn mit einfließen – was allerdings nicht praktikabel erscheint: Wie will man die erstgenannten Faktoren, die zum Marktwert gehören, und die letztgenannten Faktoren, wie das Know-how des Praxisinhabers, voneinander trennen?
Der BGH betont, dass die Bewertung nur stichtagsbezogen erfolgen und für die Zukunft nur Ereignisse mitberücksichtigen kann, deren Wurzeln in der Vergangenheit liegen. Hier muss man wissen, dass die modifizierte Ertragswertmethode an sich eine zukunftsbezogene Bewertungsmethode ist, die aber nur im Falle des Zugewinnausgleichs stichtagsbezogen erfolgt. Basis sind dann die Gewinne der letzten drei bis fünf Jahre, die allerdings zu bereinigen (modifizieren) sind.
Laut Leitsatz des BGH ist von dem übertragbaren Goodwill im Rahmen der modifizierten Ertragswertmethode ein Arztlohn abzusetzen, der sich an den inpiduellen Verhältnissen des Arztes orientiert. Zusätzlich sind bei der Ermittlung des Zugewinnausgleichs „latente Ertragsteuern“ abzusetzen – und zwar unabhängig davon, ob eine Veräußerung tatsächlich beabsichtigt ist.
Die Entscheidung des BGH ist positiv zu sehen, da Grundlage für die Ermittlung des Praxiswertes im Rahmen des Zugewinnausgleichs die Erträge bis zum Stichtag sind und nicht, wie bei der Bundesärztekammermethode (2008), eine umsatzbezogene Betrachtung. Ist die Ermittlung des Praxiswertes im Rahmen des Zugewinnausgleichs erforderlich, sollte der Arzt in jedem Fall einen Gutachter hinzuziehen.
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