Wundersames BAG-Urteil: Vergütung der Chefärzte nur nach Entgeltgruppe 15 Ü des BAT-KF n.F

von RA Norbert H. Müller, Fachanwalt für Arbeits- und Steuerrecht c/o Kanzlei Klostermann, Dr. Schmidt, Monstadt, Dr. Eisbrecher, Bochum

Eine einzelvertragliche Vereinbarung, wonach der Chefarzt eines Krankenhauses Vergütung nach der Vergütungsgruppe I des BAT-KF (KF = Kirchliche Fassung) erhält, ist im Zweifel als dynamische Vergütungsvereinbarung auszulegen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Urteil vom 29. Juni 2011 (Az: 5 AZR 161/10) entschieden. Weniger erfreulich – und nachvollziehbar– ist allerdings, dass die BAG-Richter in demselben Urteil zu dem Ergebnis gelangen, dass Chefärzte nach der Entgeltgruppe 15 Ü BAT-KF n.F. (neue Fassung) zu vergüten sind – und nicht nach der höheren Entgeltgruppe Ä4 des BAT-KF n.F.

Hintergrund

Die Arbeitsrechtliche Kommission hatte 2007 eine Änderung des bis zu diesem Zeitpunkt für zahlreiche Ärzte als auch Chefärzte aufgrund inpidual-vertraglicher Vereinbarungen anwendbaren BAT-KF beschlossen. Unter anderem wurde die Vergütungsgruppe I BAT-KF zum 1. Juli 2007 durch den BAT-KF n.F. abgelöst. Diese Fassung sieht im Entgeltgruppenplan (Anlage1) vor, dass Mitarbeiter mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulausbildung und Ärzte, die nicht in Krankenhäusern beschäftigt sind, nach der Entgeltgruppe 15 Ü zu vergüten sind. Gleichzeitig sieht diese neue Fassung vor, dass Ärzte in Krankenhäusern nach der Anlage 6 und 7 (dann Entgeltgruppe Ä4) vergütet werden.

In dem Rechtsstreit, der dem BAG-Urteil zugrunde liegt, hatte ein Krankenhaus mit dem seit 1996 darin beschäftigten Chefarzt inpidualvertraglich eine monatliche Grundvergütung nach der VergütungsgruppeI des auf Chefärzte ­eigentlich nicht anwendbaren BAT-KF vereinbart. Nach der Änderung des BAT-KF im Jahre 2007 ordnete das Krankenhaus den Chefarzt der allgemeinen Entgeltgruppe 15 Ü des BAT-KF n.F. zu. Dagegen klagte der Chefarzt: Nach seiner Auffassung hat er ­Anspruch auf Entgelt nach der Entgeltgruppe Ä4 der Anlage 6 des BAT-KF n.F. – was brutto einen Unterschied von etwa 2.000Euro pro Monat ausmacht.

Das Urteil des BAG

Die Vorinstanzen hatten der Klage des Chefarztes stattgegeben. Das BAG aber hob diese Klagen auf. Die vereinbarte VergütungsgruppeI war nach Auffassung der Richter nicht nach Anlage 7 BAT-KF n.F. in die Entgeltgruppe Ä 4 TV-Ärzte-KF (Anlage 6) überzuleiten. Die Überleitungsvorschriften der Anlage 7 würden nur für die Ärzte gelten, die zuvor nach Abschnitt 3 des allgemeinen Vergütungsgruppenplans (Gesundheitsdienst) eingruppiert waren. Dazu würden Chefärzte nicht gehören.

Der vertragliche Regelungsplan enthalte auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Chefarzt, dem das beklagte Krankenhaus zudem das Recht zur Privatliquidation eingeräumt hatte, eine monatliche Grundvergütung in Anlehnung an das Entgelt anderer Ärzte erhalten sollte. Die Dynamik bleibe im vertraglich vereinbarten Umfang mit der Überleitung in die höchste all­gemeine Entgeltgruppe 15 Ü BAT-KF n.F. gewahrt.

Damit bleibt das BAG immerhin auf der Linie seiner bisherigen Rechtsprechung, da es aus der vertraglichen Regelung zumindest eine Dynamisierungsnotwendigkeit und eindeutige Dynamisierungsintention ableitet. So wird für die betroffenen Chefärzte zumindest vermieden, dass diese mangels Anwendung der Anlagen 6 und 7 des BAT-KF n.F. schlicht im BAT-KF a.F. verbleiben und eine statische Vergütung erhalten. Somit dürfen Chefärzte immerhin damit rechnen, dass ihre Vergütung entsprechend den Veränderungen der Entgeltgruppe 15Ü des BAT-KF n.F. angepasst wird. Sollten Krankenhausträger das Gehalt der Chefärzte „einfrieren“ wollen, können sich Chefärzte nunmehr auf das BAG-Urteil berufen und Anpasssungen entsprechend den Veränderungen der Entgeltgruppe 15Ü des BAT-KF n.F. verlangen.

Urteilskritik

Mit seinem Urteil hat das BAG sämtliche bisherigen Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte und Arbeitsgerichte aufgehoben und eine völlig entgegengesetzte Auffassung vertreten. Das Urteil überzeugt nicht, hilft aber letztlich, weitere wirtschaftliche Belastungen des Gesundheitssystems zugunsten „der ohnehin gut verdienenden“ Chefärzte zu vermeiden. Dies wiederum sollte und darf juristisch zwar kein Argument sein, scheint jedoch die Argumentation zumindest aus Sicht des BAG mit zu beeinflussen. Nur so ist verständlich, dass in diesem Kontext auch immer wieder die Privatliquidationseinnahmen angeführt werden.