Wie kann der Chefarzt seinen ärztlichen Mitarbeitern zur Eingruppierung als Oberarzt verhelfen?

Seit dem Tarifvertrag für Ärzte an kommunalen Kranken­häusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) sind bundesweit Klagen vor Arbeitsgerichten und weiteren Instanzen anhängig, in denen Fachärzte ihre Eingruppierung als Oberärzte durchzusetzen versuchen. In den Entscheidungen wurde teils den klagenden Ärzten, teils den beklagten Krankenhäusern recht gegeben. Stellvertretend für alle chefärztlichen Kollegen im Krankenhaus fragte nun ein Chefarzt der Radiologie an, wie er und seine Kollegen ihren ärztlichen Mitarbeitern helfen können – denn in Zeiten des Fachkräftemangels ginge es auch darum, gute Mitarbeiter zu halten.

Die Voraussetzungen

Die Voraussetzungen für die Eingruppierung als Oberarzt im TV-Ärzte/VKA sind in der Protokollerklärung zu Buchstabe c des § 16 TV-Ärzte/VKA und in § 15 Abs. 2 des Tarifvertrags geregelt. Nach der Protokollerklärung ist geschlechtsneutral formuliert:

„Oberarzt: derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.“

Nach § 15 Abs. 2 ist der Arzt in der Entgeltgruppe eingruppiert, dessen Tätigkeitsmerkmale die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Dies ist der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen.

Der Begriff „Selbstständigkeit“

Der Begriff der „Selbstständigkeit“ wurde aus dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) übernommen. Indizien für eine Selbstständigkeit sind die organisatorische Eigenständigkeit eines Bereichs (eigene Sprechstunde, eigenes Personal, eigene Geräte oder Räume) und/oder die Erwähnung auf der Homepage des Krankenhauses oder die besondere medizinische Kompetenz des Bereichs.

Der Begriff „Funktionsbereich“

Der Begriff „Funktionsbereich“ ist aus dem BAT übernommen, der dort als wissenschaftlich anerkanntes Spezial­gebiet innerhalb eines ärztlichen Fachgebiets definiert wurde, so dass man sich an der Weiterbildungsordnung orientieren kann.

Der Begriff „Teilbereich“

Der Begriff „Teilbereich“ ist neu. Hier wird man wohl davon ausgehen können, dass auch ärztliche Tätigkeiten ohne jeden Bezug zu einer Weiterbildungsordnung erfasst werden – wie die Verantwortung für ein Brust- oder Wirbelsäulenzentrum oder die Hygieneverantwortung.

„Medizinische Verantwortung“

Die „Medizinische Verantwortung“ bedeutet, dass der Facharzt, der als Oberarzt eingruppiert werden will, weiterhin medizinisch tätig ist und seine Tätigkeit ohne unmittelbare bzw. ständige Kontrolle ausübt, also die Aufsicht des Chefarztes auf ein Mindestmaß begrenzt ist. Das ärztliche und nicht ärztliche Personal ist in seinem Bereich seinen Weisungen unterworfen.

Praxishinweis: Von Vorteil ist es, wenn Sie als Chefarzt gemeinsam mit Ihrem ärztlichen Mitarbeiter eine Liste erarbeiten. Auf der linken Seite nennen Sie die genannten Begriffe; in der zweiten Spalte halten Sie fest, welche konkreten Maßnahmen Ihr Mitarbeiter bereits erfüllt. Im Anschluss daran können Sie genau sehen, wo noch in der nächsten Zeit Handlungsbedarf besteht.

Vorsicht: Hier liegen die Fallen für den Chefarzt

Die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche der Abteilung muss dem Facharzt, der eine Eingruppierung als Oberarzt beansprucht, vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden sein. Das bedeutet für den Chefarzt, der Unfrieden in seiner Abteilung vermeiden möchte, dass er nach dem TV-Ärzte/VKA nicht einem seiner ärztlichen Mitarbeiter eigenmächtig zu einer Eingruppierung als Oberarzt verhelfen kann, indem er ihm die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche seiner Klinik bzw. Abteilung überträgt.

Wenn der Chefarzt dies dennoch macht, ohne durch den Träger dazu bevollmächtigt worden zu sein, so hilft dies dem Betroffenen in einem Eingruppierungsprozess nicht weiter. Er kann sich nicht darauf berufen, er habe darauf vertrauen können, dass der Chefarzt im Einvernehmen mit dem Träger gehandelt hat (so das Hessische Landesarbeitsgericht, Urteil vom 5.12.2008, Az: 3 Sa 1269/08).

Praxishinweis: Chefärzten ist daher zu einem abgestimmten Vorgehen mit dem Träger zu raten. Sofern dieser Weg nicht weiterführt, sollte dem ärztlichen Mitarbeiter empfohlen werden, anwaltliche Beratung einzuholen. Die Kosten einer Eingruppierungsklage sind zwar nicht unerheblich; sie würden aber dann, wenn der Arzt über keine Rechtsschutzversicherung verfügt, gegebenenfalls auch vom Berufsverband übernommen werden.

Fazit

Letztlich muss leider jeder Chefarzt damit rechnen, dass ein ärztlicher Mitarbeiter, der die von ihm gewünschte Eingruppierung nicht erhält, eher geneigt ist, sich woanders nach einer besser vergüteten Anstellung umzusehen.

Beispiel für eine gemeinsame Liste

Name des ärztlichen Mitarbeiters:

Name des verantwortlichen Chefarztes:

Ort, Datum:

Tätigkeitsmerkmale

Konkrete Maßnahmen

Erfüllt

Noch nicht erfüllt

Geplante Maßnahmen

Selbstständiges Arbeiten

Funktionsbereich

Teilbereich

Medizinische Verantwortung