Wann dürfen Behandlungsunterlagen ­herausgegeben werden?

von Rechtsanwalt Rainer Hellweg, Kanzlei Schroeder-Printzen, Kaufmann & Kollegen, Hannover, www.spkt.de

Immer wieder sehen sich Ärzte im Klinikalltag mit der Frage konfrontiert, auf wessen Anforderung hin welche Unterlagen bzw. Aufnahmen übermittelt werden dürfen bzw. müssen. Die Anfragen und Einsichts­gesuche kommen nicht nur von Patienten selbst, sondern auch von Kostenträgern oder anderen Dritten. Der nachfolgende Artikel gibt einen Überblick über die wichtigsten Fragen.

Vom Grundsatz her darf der behandelnde Arzt gegenüber Krankenkassen, Behörden oder sonstigen Dritten keinerlei Informationen oder Unterlagen ohne Einwilligung des Patienten herausgeben. Dies gebietet die ärztliche Schweigepflicht. Ausnahmen gelten nur, wenn entweder eine Erlaubnis oder Pflicht im Gesetz ausdrücklich normiert ist oder der Patient in die Weitergabe persönlicher Daten eingewilligt hat.

Was muss dem Patienten ­herausgegeben werden?

Der Patient selbst kann jederzeit sein Einsichtsrecht in die Behandlungsunterlagen geltend machen, ohne dass Gründe angegeben werden müssen. Den Anspruch auf Einsichtnahme kann der Patient ebenso durch Angehörige oder einen Rechtsanwalt wahrnehmen lassen, wobei dann zur Rechts­sicherheit von dem Vertreter eine schriftliche Vollmacht gefordert werden sollte. Einschränkungen können bei psychisch kranken Patienten bestehen, wenn Einsichtnahme und Kenntniserlangung über die eigenen Befunde ein therapeutisches Risiko für den Patienten darstellen.

Das Einsichtsrecht des Patienten umfasst alle objektiven Befunde, Aufzeichnungen und Aufnahmen, erstreckt sich jedoch nicht auf subjektive Wertungen des Arztes. Schriftlich vermerkte persönliche Eindrücke des Arztes über den ­Patienten können vor diesem geheim gehalten werden. Im Falle der Überlassung von Abschriften der Behandlungsunterlagen kann dies dadurch geschehen, dass die entsprechenden Passagen geschwärzt werden. Wenn Foto­kopien ange­fordert werden, können dem Patienten Kopierkosten von 0,50Euro pro Seite in Rechnung gestellt werden.

Mit Urteil vom 30. März 2007 (Az:8 O 59/06) erkannte das Landgericht Kiel einen Anspruch des Patienten auf vorübergehende Überlassung der Originalröntgenaufnahmen durch den Radiologen an. Dieser Anspruch bestehe unabhängig von der weiteren Möglichkeit, Kopien der Röntgenbilder gegen Kostenerstattung zu erlangen. Das Gericht argumentierte, eine vorübergehende Überlassung sei nicht gleichzusetzen mit einer endgültigen Herausgabe, worauf der Patient keinen Anspruch habe. Im dort entschiedenen Fall sollte ein Rechtsstreit gegen einen anderen Arzt vorbereitet werden, wofür es auf die Originalbilder ankam.

Können Erben des Patienten Einsicht verlangen?

Die ärztliche Schweigepflicht besteht auch im Falle des Todes des Patienten fort. Das Recht zur Entbindung von der Schweigepflicht geht insofern nicht auf die Erben über. Es muss im Einzelfall beurteilt und abgewogen werden, ob die Datenweitergabe dem mutmaß­lichen Willen des Verstorbenen entspricht. Dies wird in aller Regel der Fall sein, wenn Erben zum Beispiel Ansprüche gegenüber der Lebensversicherung oder Schadenersatz- bzw. Schmerzensgeldansprüche auch wegen Falschbehandlung durchsetzen wollen. In jedem Fall sollte sich der Arzt von den Angehörigen darlegen lassen, wofür die Informationen benötigt werden.

Was gilt bei Privatliquidation gegenüber PKVen?

Insbesondere wenn es um GOÄ-Abrechnungsfragen im Rahmen der privatärztlichen Liquidation geht, wenden sich private Krankenver­sicherer von Patienten regelmäßig direkt an den liquidierenden Arzt und bitten zwecks Abrechnungsprüfung um die Herausgabe von Behandlungsunterlagen. Hier ist der Arzt zur Auskunft berechtigt und verpflichtet, wenn eine konkrete und aktuelle Schweigepflichtentbindungserklärung des Patienten vorgelegt wird. Dies folgt daraus, dass der Patient als Versicherungsnehmer im Verhältnis zu seinem Versicherer alle Auskünfte erteilen muss, die der Versicherer zur Rechnungsprüfung benötigt.

Jedoch ist Vorsicht und sorgfältige Prüfung geboten, da einige Krankenversicherer mit Vordrucken von zu pauschalen Schweigepflicht­entbindungserklärungen arbeiten. Erfolgt die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht seitens des Patienten nicht hinreichend konkret, ist der Arzt nicht berechtigt und verpflichtet, der privaten Krankenversicherung Behandlungsunterlagen zu übermitteln. Hier eröffnet sich gegebenenfalls für den Chefarzt mit eigenem Liquidationsrecht eine Möglichkeit, sich gegenüber dem teilweise überbordenden und als taktisches Mittel eingesetzten Anfordern immer neuer Unter­lagen seitens einiger Versicherer zur Wehr zu setzen.

Können Krankenkassen oder MDK Unterlagen verlangen?

Im Rechtsverhältnis zwischen Krankenhausträger und gesetz­licher Krankenversicherung kommt es zunehmend und in sehr großer Zahl zu Prüfungen der abgerechneten Krankenhausvergütung durch die Kostenträgerseite. Hier dürfen jedoch die Krankenkassen Behandlungsunterlagen nicht direkt anfordern. Auskunftsberechtigt ist nach dem Gesetz nur der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dieser muss bei seiner Anfrage an das Krankenhaus die Rechtsgrundlage, den Zweck der erbetenen Auskunft sowie die konkrete Beauftragung durch die zuständige Krankenkasse darlegen.

Unter diesen Voraussetzungen müssen die angeforderten Unterlagen an den MDK herausgegeben werden. Eine Versendung an die Krankenkasse ist nur akzeptabel, wenn die ärztlichen Unterlagen in einem gesonderten, verschlossenen Umschlag mit dem Vermerk „Ärzt­liche Unterlagen – nur vom MDK zu öffnen“ übersandt werden. Kopier­kosten können in diesem Zusammenhang nicht verlangt werden.