Urteil: Kein Schadenersatz für Liquidationsausfall wegen Klinikschließung

von RA, FA für MedR Dr. Tobias Scholl-Eickmann, www.kanzlei-am-­aerztehaus.de und RA, FA für ArbR Gerd Pfeiffer, www.pfeiffer-theus.de

Das Arbeitsgericht (ArbG) Hamm hat die Klage eines Chefarztes, der unter anderem Schadenersatz für Liquidationsausfälle infolge einer Klinikschließung geltend machte, erstinstanzlich mit Urteil vom 4. September 2012 abgewiesen (Az: 1 Ca 2001/11). Gegen das Urteil wurde Berufung zum Landesarbeitsgericht Hamm eingelegt.

Fall: Klinikbetrieb wurde eingestellt, Chefarzt gekündigt

Geklagt hatte ein Chefarzt. In seinem Chefarztvertrag wurde ihm ein monatliches Grundgehalt von etwa 8.000 Euro sowie das Liquidationsrecht für stationäre Wahlleistungen eingeräumt. Weiter wurde vereinbart, dass er das Risiko für den Umfang der Inanspruchnahme gesondert berechenbarer ärztlicher Leistungen sowie für die Höhe und Eingang seiner Einnahmen aus dem Liquidationsrecht trägt. Bei einem Rückgang, einer Einschränkung oder dem Wegfall des Liquidationsrechts stehen ihm laut Vertrag keine Ausgleichsansprüche zu. Außerdem sah der Vertrag eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende vor.

Am 24. Oktober 2011 traf die Gesellschafterversammlung die Entscheidung, den Krankenhausbetrieb wegen erheblicher Verluste und dem Scheitern von Verkaufsbemühungen zum 31. Dezember 2011 einzustellen. Kurz darauf kündigte der Krankenhausträger das Arbeitsverhältnis mit dem Chefarzt fristgerecht zum 30.Juni 2012. Weiter stellte der Träger den Chefarzt bereits ab dem 17. Dezember 2011 unwiderruflich von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Grundvergütung frei, da der Geschäftsbetrieb faktisch ab diesem Tag eingestellt wurde.

Der Chefarzt wandte sich mit seiner Klage einerseits gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und rügte, dass ihm eine adäquate Stelle in einem anderen vom Träger betriebenen Krankenhaus hätte angeboten werden müssen. Außerdem forderte er Schadenersatz für die entgangenen Liquidationserlöse in Höhe von monatlich etwa 25.000 Euro, da der Träger ihm durch die Klinikschließung vertragswidrig die Möglichkeit genommen habe, entsprechende Einkünfte zu erzielen. Der Dienst­vertrag sei so zu verstehen, dass Rückgänge der Liquidationseinnahmen nur dann nicht in den Risiko­bereich des Trägers fielen, wenn dieser sich selbst vertragsgetreu verhalte. Daran fehle es vorliegend.

Die Entscheidung

Dieser Argumentation schloss sich das ArbG Hamm nicht an. Unstreitig war zunächst, dass die unternehmerische Entscheidung, das Krankenhaus zu schließen, sachgerecht getroffen wurde. Weiter sei die Kündigung auch nicht sozialwidrig, da allen Mitarbeitern gekündigt wurde. Daher musste – so der in den Urteilsgründen nicht ausgeführte Schluss – dem Arzt auch keine adäquate Stelle in einem anderen Haus des Trägers angeboten werden.

Schließlich stehe dem Arzt auch kein Schadenersatz für entgangene Liquidationseinkünfte zu, da der Klinikträger diesen Ausfall rechtlich nicht zu vertreten habe. Zwar sei der Chefarzt durch die Klinikschließung um die Möglichkeit gebracht worden, Liquidationserlöse zu erzielen. Der Träger habe aber mit der unternehmerischen Entscheidung, die Klinik zu schließen, die erforderliche Sorgfalt beachtet. Nach Auffassung des ArbG Hamm konnte der Arzt daher keinen Schadenersatz verlangen und wies die Klage ab.

Bleibt das Urteil bestandskräftig?

Das Urteil führt zu dem Ergebnis, dass dem Chefarzt bei Gesamteinkünften von zuvor etwa 33.000 Euro monatlich für die Dauer der Freistellung nur 8.000 Euro Grundgehalt verbleiben. Dies erscheint unverhältnismäßig. Zudem stellt sich die Frage, warum die Klinik nicht für die Dauer des bestehenden Arbeitsverhältnisses Schadenersatz leisten muss. Denn solange ist die Klinik verpflichtet, die Erwerbsmöglichkeit einzuräumen. Insofern erscheint es zumindest denkbar, dass das Urteil in der nächsten Instanz gekippt wird. Das „Contrast Forum“ wird wieder berichten.