Rechtsprechung stärkt Position nachgeordneter Ärzte bei Poolbeteiligungen

von Ass. jur. Tim Hesse und RA, FA für MedR Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Dortmund, Kanzlei am Ärztehaus, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Der Anspruch eines nachgeordneten Arztes auf Beteiligung an den Privatliquidationseinnahmen des Chefarztes kann sich im Einzelfall aus einem infolge praktischer Übung stillschweigend zustande gekommenen Vertrag ergeben ­– auch wenn dazu kein schriftlicher Vertrag vorliegt. Dies entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln in seinem Urteil vom 13. Januar 2011 (Az: 6 Sa 942/10).

Der Sachverhalt

Das Urteil beendete einen Streit um die Höhe der Beteiligung eines Oberarztes an den Privatliquidationseinnahmen eines Chefarztes der Abteilung für Anästhesie- und Intensivmedizin. Der Chefarztvertrag verpflichtete den Chefarzt dem Grunde nach zur finanziellen Beteiligung der nachgeordneten Ärzte an seinen Bruttoliquidationseinnahmen, von denen er 15 Prozent abzuführen hatte. Einzelheiten zu Umfang und Grundsätzen der Beteiligung enthielt der Vertrag nicht.

Der Oberarzt und Stellvertreter des Chefarztes erhielt mit den Gehalts­abrechnungen seines Krankenhauses seit 2002 aus der sogenannten Poolbeteiligung regelmäßig gleichbleibende Zahlungen in Höhe von monatlich 1.025Euro – bis diese aufgrund einer Entscheidung des Chefarztes auf 500Euro pro Monat gekürzt wurde. Der Chefarzt begründe dies damit, der Oberarzt habe sich geweigert, Privatpatienten zu behandeln. Letztlich verklagte der Oberarzt sowohl den Chefarzt als auch das Krankenhaus vor dem Arbeitsgericht Köln erfolgreich auf Zahlung der sich seither ergebenden monatlichen Differenzbeträge.

Daraufhin gingen sowohl der beklagte Chefarzt wie auch das beklagte Krankenhaus in die Berufung.

Die Entscheidung des LAG

Vor dem LAG Köln hatte allerdings lediglich das Rechtsmittel des Krankenhauses Erfolg. Die zuständige Kammer bestätigte zwar die dem Oberarzt in erster Instanz zugebilligten Ansprüche gegen den Chefarzt auf Beteiligung an dessen Liquidationserlösen in Höhe von monatlich 1.025 Euro, sah jedoch keine Verpflichtung des Krankenhauses zur Mithaftung.

Grundlage des dem Oberarzt zustehenden Zahlungsanspruchs sei eine stillschweigend zustande gekommene Vereinbarung zwischen diesem und dem Chefarzt. Zwar habe es keinen schriftlichen Vertrag gegeben, der Chefarzt habe jedoch schon seit Jahren monatlich den gleichen Betrag als Poolbeteiligung an den Oberarzt gezahlt. Die regelmäßige Wiederholung der Zahlungen in gleicher Höhe könne insoweit als Angebot zum Abschluss eines rechtsverbindlichen Vertrags gewertet werden, das von dem Begünstigten – also dem klagenden Oberarzt – stillschweigend angenommen worden sei.

Vor diesem Hintergrund könne die durch den Chefarzt vorgenommene Kürzung der monatlichen Beteiligungsbezüge auf 500 Euro keinen Bestand haben. Die etwa hälftige Dezimierung der Poolbeteiligung sei zudem unverhältnismäßig. Bei der Sachverhaltsaufklärung hatte sich herausgestellt, dass es sich bei der Weigerung des Oberarztes, Privatpatienten zu behandeln, um einen einmaligen Vorfall handelte, der aus einer Meinungsverschiedenheit zwischen Oberärzten in Abwesenheit des Chefarztes resultierte.

Dass das beklagte Krankenhaus im Einklang mit sozial- und steuerrechtlichen Vorschriften als Einzugs-, Abrechnungs- und Zahlstelle fungiert habe, mache es nicht ohne Weiteres selbst zur Schuldnerin der ihrerseits lediglich treuhänderisch an den Oberarzt weitergeleiteten Zahlungen. Bei der mit dem Abrechnungshinweis „Chefarztzulage“ bzw. „Chefarztpool/Abschlag“ versehenen Teilhabe des Oberarztes an den Liquidationserlösen handele es sich nicht um eine Arbeitsvergütung aus dem Arbeitsvertrag des Oberarztes mit dem Krankenhaus. Zudem habe das Krankenhaus erkennbar kein ­eigenes Prüfungs- oder Korrekturrecht in Bezug auf die Poolbeteiligung wahrgenommen.

Fazit

Die Rechtsprechung der Kölner Arbeitsgerichte bedeutet eine Stärkung der an einer finanziellen Poolregelung partizipierenden nachgeordneten Krankenhausärzte gegenüber ihren Vorgesetzten. Denn sie bestätigt, dass Chefärzte nicht willkürlich über die Höhe vertraglich begründeter Beteiligungszahlungen bestimmen dürfen, auch wenn in ihrem eigenen Arbeitsvertrag Einzelheiten der Zahlungsverpflichtung nicht geregelt und ausdrückliche Absprachen mit den Oberärzten nicht getroffen wurden. Selbst einmalige Verfehlungen der Begünstigten ändern regelmäßig nichts an der auch hinsichtlich der Beteiligungshöhe verbindlichen Wirkung jahrelanger praktischer Übung.

Der zur regulären Vergütung verpflichtete Arbeitgeber dagegen bleibt in Poolzahlungs-Streitfällen wie dem geschilderten hingegen haftungsrechtlich außen vor und kann vom Oberarzt nicht zur Ver­antwortung gezogen werden.

Praxishinweise

Um rechtliche Auseinandersetzungen bei der Abwicklung von Poolbeteiligungsmodellen zu vermeiden, empfiehlt es sich, die vertraglichen Rahmenbedingungen für alle Beteiligten vorab möglichst genau niederzulegen. Dies betrifft die exakte Höhe der Beteiligung genauso wie Verantwortlichkeit und Auszahlungsmodalitäten. Insbesondere sind auch die Bedingungen, unter denen eine Kürzung der Beteiligungsbezüge um einen ebenfalls festzulegenden Prozentsatz zulässig ist, zu regeln.

Zur rechtlichen Absicherung bei der Erstellung und Überprüfung des Vertragswerks lohnt sich die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe.