Neue Perspektiven in MVZ für Klinikärzte

von RA Tim Hesse, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Nach langer und kontroverser Diskussion ist am 1. Januar 2012 das GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) in Kraft getreten. Unter anderem enthält das Gesetz wesentliche Änderungen in Bezug auf Medizinische Versorgungszentren (MVZ).

Ärztliche Leitung von MVZ

Gemäß § 95 Abs. 1 SGB V sind MVZ fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen in das Arztregister eingetragene Ärzte mit verschiedenen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Wie im Rahmen des GKV-VStG nunmehr ausdrücklich festgelegt wurde, muss es sich auch bei dem ärztlichen Leiter eines MVZ um einen bei dem Versorgungszentrum angestellten Arzt oder Vertragsarzt handeln. Dies stärkt die Position von Chefärzten als für die Besetzung dieses Postens Prädestinierte. Um die sich aus dem ärztlichen Berufsrecht ergebende Therapie- und Weisungsfreiheit zu gewährleisten, darf der Leiter eines MVZ in medizinischen Fragen keinen Weisungen unterliegen.

Modifizierte Zulassungsregeln

Derzeit (und wohl auch weiterhin) werden die weitaus meisten MVZ von Vertragsärzten und Krankenhäusern betrieben. Doch auch Erbringer von nichtärztlichen Dialyseleistungen und gemeinnützige Träger sowie in unterversorgten Gebieten die Kassenärztlichen Vereinigungen und Gemeinden selbst dürfen künftig Versorgungszentren gründen.

Damit dort zu treffende medizinische Entscheidungen von Kapitalinteressen unbeeinflusst bleiben, ist die Organisation eines MVZ als Aktiengesellschaft (AG) neuerdings nicht mehr erlaubt. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung bestehende Zulassungen gelten indes unverändert fort. Somit gilt für Einrichtungen, die nach der Neuregelung nicht mehr gegründet werden dürfen, Bestandsschutz.

Erstmalig wird durch das GKV-VStG auch die (Rück-)Umwandlung einer ärztlichen Angestelltenstelle in einen eigenständigen Vertragsarztsitz möglich. So kann ein angestellter Arzt selbst (wieder) Inhaber der Zulassung werden – auch wenn er ursprünglich auf diese verzichtet hatte, um im MVZ zu arbeiten. Denkbar wird dadurch ebenfalls, dass ein Krankenhausarzt, der – beispielsweise aus Altersgründen – seine Tätigkeit im Krankenhaus aufgibt, einen „Angestelltensitz“ eines MVZ im Wege der Nachbesetzung übernimmt und fortan selbstständig vertrags- und privatärztlich tätig wird.

Rechtliche Rahmenbedingungen der ­Anstellung im MVZ

Die Tätigkeit in einem Versorgungszentrum ist eine vertragsärztliche. Mithin sind alle dort tätigen Ärzte zur Beachtung der vertragsarztrechtlichen Vorgaben verpflichtet. So ist etwa nach § 15 Abs. 1 des Bundesmantelvertrags-Ärzte und § 32 Abs.1 der Ärzte-Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV) jeder Vertragsarzt zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet; anders als im stationären Bereich ist eine Delegation von Leistungen bzw. Vertretung nur sehr eingeschränkt möglich. Eine Missachtung dieses Grundsatzes kann die Zulassung und Approbation des betreffenden Arztes gefährden und gar strafrechtliche Ermittlungen nach sich ziehen.

Was Nebentätigkeiten angeht, waren diese nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur bisherigen Fassung des § 20 Ärzte-ZV neben einer vollen vertragsärztlichen Zulassung lediglich in einem zeitlichen Umfang von bis zu 13 Stunden wöchentlich und bis zu 26 Wochenstunden neben einer halben Zulassung erlaubt. Diese starren Zulässigkeitsgrenzen werden durch das GKV-VStG gelockert: Künftig soll es den jeweiligen Umständen des Einzelfalls entsprechend nur noch darauf ankommen, ob ein Beschäftigungsverhältnis oder eine andere nicht ehrenamtliche (Neben-)Tätigkeit eines Vertragsarztes diesen daran hindert, seinen Patienten in einem dem Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang zur Verfügung zu stehen und Sprechstunden zu den für Vertragsärzte üblichen Zeiten anzubieten.

Wird dies gewährleistet, ist künftig eine Nebenbeschäftigung in einem MVZ auch bei Überschreitung der bisher gültigen Zeitgrenzen möglich. Unabhängig davon bleibt es dabei, dass die Vertragsarzttätigkeit bei vollem Versorgungsauftrag grundsätzlich als Vollzeittätigkeit angelegt ist. Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, wie die Zulassungsgremien künftig im Einzelfall entscheiden werden; die Erteilung einer halben Zulassung neben einer vollen Chefarztstelle ist aber auch in Zukunft unwahrscheinlich. Daher wird bei einer Nebentätigkeit in einem MVZ regelmäßig eine Anpassung des Chefarztvertrags notwendig sein.