Kein TV-Ärzte/VKA für Chefärzte anstelle des BAT

von Rechtsanwalt Norbert H. Müller, www.klostermann-rae.de

Den jahrelangen Rechtsstreit, ob Chefärzten nach „Wegfall“ des BAT im Jahre 2005 eine Vergütung nach der höchsten EntgeltgruppeIV des TV-Ärzte/VKA zusteht, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in fünf Revisionsverfahren am 9.Juni 2010 (Az. u.a. 5 AZR 498/09) überraschend gegen die Chefärzte entschieden (siehe auch „Contrast Forum“ Nr.8/2010, S.4). Entgegen der Mehrheit der vorinstanzlichen Urteile sieht das BAG lediglich einen Anspruch auf eine Vergütung nach dem TVöD – dort nach Entgeltgruppe 15Ü. Was dies in der Praxis bedeutet, erfahren Sie nachfolgend.

Entscheidungsgründe

Das BAG bestätigt zunächst die einhellige Auffassung der Instanzgerichte, dass eine vertragliche Vereinbarung, wonach eine Grundvergütung nach Vergütungsgruppe BAT I einschließlich Ortszuschlag etc. „in der jeweils gültigen Fassung“ zu zahlen ist, als sogenannte „kleine dynamische Bezugnahme“ qualifiziert werden muss. Die vereinzelt von Arbeitgebern vertretene Auffassung, mit „Wegfall des BAT“ sei keine Dynamisierung der Grundvergütung mehr existent und diese müsste somit auf dem letzten Stand des BAT eingefroren werden, hat das BAG damit klar abgelehnt. Eine statische Fortgeltung des BAT auf dem Stand des Jahres 2003 widerspräche der dynamischen Ausgestaltung der vertraglichen Regelung. Daher muss eine Dynamisierung auch zukünftig nach einem Tarifwerk erfolgen, nicht jedoch nach dem TV-Ärzte/VKA, sondern nach dem TVöD.

Das BAG bestätigt die Existenz einer Regelungslücke, da im Vertrag nicht im Detail geregelt ist, was bei „Wegfall“ des BAT an dessen Stelle treten soll. Diese Regelungslücke ist nach Auffassung des BAG im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahingehend zu schließen, dass die Parteien eine Überleitung in die Entgeltgruppe 15 Ü des TVöD vorgenommen hätten, wenn sie einen „Wegfall“ der Vergütungsgruppe I des BAT zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bedacht hätten.

Konsequenzen aus dem Urteil

Auch wenn das Urteil insgesamt als sehr ergebnisorientiert begründet erscheint und bedauerlicherweise einige Widersprüche nicht auflöst, ist diese höchstrichterliche Entscheidung zu akzeptieren. Trotz zahlreicher entgegenstehender Entscheidungen vieler Landesarbeitsgerichte ist dieses letzte Wort somit bindend.

Chefärzte, deren Vergütung auf dem letzten Stand des BAT eingefroren wurde, haben nach diesem Urteil zumindest zweifelsfrei einen Anspruch auf eine Dynamisierung ihrer Grundvergütung entsprechend der Entgeltgruppe 15 Ü des TVöD. Soweit solche Ansprüche rechtzeitig schriftlich geltend gemacht worden sind, besteht dieser Anspruch auch rückwirkend. Weiter ist damit zukünftig zumindest eine Dynamisierung entsprechend der Tarifsteigerungen des TVöD sichergestellt und eine Statik wird vermieden.

Ein Anspruch auf eine Vergütung nach der Entgeltgruppe IV des TV-Ärzte besteht nicht. In den einzelnen Fällen, bei denen die Chefärzte ihre diesbezüglichen Ansprüche rechtskräftig haben durchsetzen können oder prozessual oder außergerichtlich eine vergleichsweise Einigung erzielt haben, gilt diese trotz der Entscheidung des BAG unverändert auch zukünftig fort.

Dieses Urteil hat keinerlei präjudizierende Wirkung für die noch anstehende Entscheidung des BAG zur ähnlichen, aber rechtlich differenten Problematik im Bereich des BAT in der kirchlichen Fassung. Dort haben bisher ausnahmslos alle Instanzgerichte einen Anspruch auf eine Vergütung nach dem TV-Ärzte-KF (KF = Kirchliche Fassung) bejaht. Mit dieser Entscheidung ist unter Umständen noch in diesem Kalenderjahr, spätestens jedoch im ersten Quartal des Jahres 2011, zu rechnen. Ob auch hier alle falsch lagen, bleibt abzuwarten.