Haftungsrechtliche Fragen in der Radiologie

von RA und Notar Dr. Hermann Fenger, Münster

Immer mehr Patienten melden Ansprüche gegenüber Ärzten und Krankenhäusern an. Nach einer Meldung der Bundesärztekammer ist die Zahl der Beschwerden bei den ärztlichen Schlichtungsstellen um 5,1 Prozent gestiegen. Man geht davon aus, dass in Deutschland jährlich etwa 40.000 Ansprüche angemeldet werden. Hiervon ist der Bereich der Radiologie nicht ausgenommen. Deshalb sollte jeder Betroffene gewappnet sein, wenn er in eine derartige Situation gerät.

Tipps für das Patientengespräch

Wenn dem Krankenhaus-Radiologen tatsächlich ein Fehler unterlaufen ist und der Patient einen Gesprächsbedarf anmeldet, gerät er in eine für ihn unangenehme Situation. Denn weicht er dem Gespräch aus, wächst das Misstrauen des Patienten. Andererseits läuft der Betroffene Gefahr, seinen Versicherungsschutz zu verlieren, wenn er dem Patienten oder dessen Angehörigen gegenüber den Fehler anerkennt.

Praxistipp: Auf der sicheren Seite befindet sich der Krankenhaus-Radiologe, wenn er dem Gespräch nicht ausweicht und ein solches auch nicht auf Kollegen oder das nichtärztliche Personal delegiert. Hier gilt:

  • Der Radiologe sollte den Patienten darauf hinweisen, dass der optimale Erfolg noch nicht erreicht wurde, aber durch einen weiteren Eingriff erreicht werden kann.
  • In einem solchen Gespräch sollte der Begriff „Fehler“ unterbleiben, da Patienten kaum zwischen Fehler und Schuld differenzieren.
  • Zu einem solchen Gespräch sollte der Arzt einen Zeugen hinzuziehen. Dabei kann es sich um einen Kollegen oder einen nichtärztlichen Mitarbeiter handeln. Hierbei muss der Name und die Anschrift des Zeugen in der Krankenakte notiert werden. Jahre später wird man sich kaum an die Tatsache erinnern, dass ein Zeuge am Gespräch teilgenommen hat. Die Praxis zeigt, dass im Gerichtsverfahren dann ein wichtiges Beweismittel fehlt.

Hinweise zur korrekten Dokumentation

Im Streitfall kommt der Qualität der Patientenakte eine überragende Bedeutung zu. Eine fehlende oder unvollständige Dokumentation zieht erhebliche Beweislastnachteile bis hin zur Umkehr der Beweislast auf Seiten des Radiologen und Krankenhauses nach sich.

Die Rechtsprechung geht bei einer Verletzung der ärztlichen Dokumentationspflicht von der Vermutung aus, dass eine nicht dokumentierte – aber zu dokumentierende – Maßnahme tatsächlich nicht getroffen wurde. Ein etwa in der Krankenakte befindliches Aufklärungsformular, das weder ausgefüllt noch unterschrieben war, führte zu der Annahme, dass die Aufklärung unterblieben war. Dann muss der Radiologe den Beweis durch eine Zeugenvernehmung antreten, um die fehlenden Angaben entsprechend zu bestätigen. Im Schadensfall muss die Dokumentation sofort überprüft werden.

Praxistipp: Es ist hierbei zulässig, ergänzende Aufzeichnungen zu tätigen. Diese müssen allerdings kenntlich gemacht werden. Dabei ist das Datum der Ergänzung zu vermerken und die Ergänzung zu unterschreiben. Bei einem Verstoß hiergegen liegt eine strafbare ­Urkundenfälschung vor.

Welche Unterlagen darf der Patient einfordern?

Da viele Patienten oder ihre Angehörigen Strafanzeige gegen den Radiologen erstatten, sollte die Kranken­akte vorsorglich fotokopiert werden. Dies gilt auch für die Röntgen-, CT- oder MRT-Bilder.

Bei Erstattung einer Strafanzeige muss der betroffene Radiologe damit rechnen, dass die Akten beschlagnahmt werden. Ferner hat der Patient einen Anspruch darauf, dass der Radiologe die Original-Röntgenaufnahmen seinem Rechtsanwalt zur Einsichtnahme vorübergehend zur Verfügung stellt.

Dass der Patient ein Einsichtsrecht in die Krankenakte hat, ist unbestritten. Es besteht jedoch kein Anspruch auf Herausgabe der Krankenunterlagen im Original. Das Einsichtsrecht wird meist durch die Patientenanwälte geltend gemacht. Dabei besteht keine Verpflichtung, an Eides statt zu erklären, dass in Kopie überreichte Behandlungsunterlagen vollständig seien. Die Kopien der Krankenakte müssen nicht beglaubigt werden.

Praxistipp: Nicht selten wenden sich Patienten unmittelbar an den Radiologen und fragen nach dem Namen und der Anschrift von anderen Patienten. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass diese als Zeugen aufgebaut werden sollen. Der Arzt darf hierauf unter keinen Umständen eingehen, da sonst ein Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht vorläge.

Die Haftpflichtversicherung

Macht der Patient einen Anspruch geltend, ist die Haftpflichtversicherung unverzüglich zu informieren. Es gilt eine Wochenfrist, innerhalb derer der Schadensfall bei der Versicherung angezeigt werden muss. Bei Zustellung von Unterlagen durch ein Gericht werden regelmäßig Fristen in Gang gesetzt, die ein sofortiges Handeln unabdingbar machen.

Oft erfolgt die Informationserteilung über den Versicherungsmakler, der dann die Versicherung informieren muss. Die Versicherung wird dann einen Rechtsanwalt beauftragen, der für das Krankenhaus und den Radiologen tätig wird. Dies muss alles innerhalb der gesetzten Frist geschehen, da ansonsten die Gefahr eines Versäumnisurteils droht. Dies gilt auch dann, wenn der Patient einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt hat. In diesem Stadium besteht noch kein Anwaltszwang, sodass manche Radiologen ihre Sichtweise dem Gericht unmittelbar mitteilen.

Praxistipp: Auch dies sollte nicht ohne Zustimmung der Haftpflichtversicherung geschehen, da durch derartige Schreiben oft nicht mehr zu korrigierende Situationen entstehen.

Das Verfahren vor Gericht

Wenn bisher noch nicht geschehen, muss spätestens dann die Haftpflichtversicherung informiert werden, wenn das Schreiben des Gerichts eingeht. Denn in dieser Situation werden mit der Zustellung eines Antrags Fristen in Gang gesetzt. Die Versicherung beauftragt einen Rechtsanwalt, der entsprechende Schritte einleitet. Der weitere Schriftverkehr mit dem Gericht wird dann ausschließlich über den Rechtsanwalt geführt.

Praxistipp: Wird während des Urlaubs ein Schriftstück durch Niederlegung und entsprechende Benachrichtigung zugestellt, werden die Fristen ebenfalls in Gang gesetzt. Wird infolge des Urlaubs eine Frist versäumt, muss eine sogenannte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt werden. Hierzu läuft eine Frist von zwei Wochen. Werden die Buchungsunterlagen für den Urlaub dem Gericht in Kopie vorgelegt, wird dem Wiedereinsetzungsantrag meist stattgegeben.

Das Verhältnis zwischen dem Radiologen und dem Anwalt

Die Versicherung beauftragt den Rechtsanwalt, der den in Anspruch genommenen Radiologen oder das Krankenhaus vertreten soll. Es ist wichtig, dass dem Anwalt die erforderlichen Informationen und Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Fehlt die notwendige Unterstützung, kann sogar der Versicherungsschutz verloren gehen.

Praxistipp: Die bei Gericht einzureichenden Schriftsätze sollten zwischen dem Radiologen und dem Rechtsanwalt abgestimmt werden. Hierbei sollte der Betroffene die entsprechende Fachliteratur in Kopie beibringen, wenn etwa unterschiedliche Auffassungen in der Fachliteratur vertreten werden. Es hat sich als sehr produktiv erwiesen, wenn Schriftsätze zunächst im Entwurf erstellt und vom Radiologen überprüft werden. Es macht keinen guten Eindruck, wenn gerade in komplexen Angelegenheiten Ausführungen in Schriftsätzen widerrufen werden müssen.

Noch eines zum Sachverständigen: Der Anwalt muss rechtzeitig darüber informiert werden, wenn hinsichtlich der fachlichen Eignung Bedenken bestehen oder Zweifel an der Objektivität des Sachverständigen vorliegen.