Chefarzt gewinnt Rechtsstreit um eine Mitarbeiterbeteiligung gegen den Oberarzt

von RA FA MedR Dr. Tobias Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Frehse Mack Vogelsang, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Nur wenige Themen sind so streitträchtig wie die Mitarbeiterbeteiligung. So hatte auch das Arbeitsgericht (ArbG) Düsseldorf jetzt über die Klage eines ehemaligen Oberarztes zu entscheiden, der von seinem Chefarzt eine Poolbeteiligung forderte. Der Chefarzt gewann den Prozess. Das Urteil verdeutlicht, dass gerade im Bereich der Mitarbeiterbeteiligung keine pauschale Bewertung möglich ist, sondern stets eine konkrete Betrachtung des Einzelfalls vorzu­nehmen ist (Urteil vom 26. Januar 2010, Az: 7 Ca 7397/09).

Der Sachverhalt

Der Oberarzt war seit 1992 als Oberarzt im T-Krankenhaus beschäftigt. Bis September 2008 wurde die Abteilung von einer Chefärztin geleitet, die den Oberarzt sowie die anderen nachgeordneten Mitarbeiter im Rahmen regelmäßiger Poolzahlungen beteiligte. An den Oberarzt zahlte sie zuletzt monatlich 1.000 Euro.

Zum Oktober 2008 wurde die Chefärztin durch einen neuen Chefarzt abgelöst. Dieser erklärte nunmehr, er werde die Verpflichtung seiner Vorgängerin übernehmen und eine Poolbeteiligung zahlen. Die Zahlungen könnten jedoch erst später erfolgen, wenn ein Geldeingang zu verzeichnen sei. Über die konkrete Höhe der Poolbeteiligung wurde nicht gesprochen. Im Chefarztvertrag ist folgende Regelung enthalten:

„Der Arzt verpflichtet sich, die nachgeordneten Ärzte in angemessenem Umfang am Einkommen gemäß § 7 Abs. 2 (Beteiligung an Einnahmen des Trägers aus wahlärztlichen Leistungen) zu beteiligen.“

Ende April 2009 schied der Oberarzt aus und wurde Chefarzt. Er verlangte von seinem bisherigen Vorgesetzten die Zahlung einer Mitarbeiterbeteiligung in Höhe von 7.000 Euro. Dieser hielt entgegen, dass es an einer rechtlichen Anspruchsgrundlage fehle. Die vertragliche Regelung wiederhole lediglich die Verpflichtung aus der Berufsordnung, die jedoch für den Oberarzt keinen Anspruch begründe. Im Übrigen sei auch keine vertragliche Zusage erfolgt, eine Mitarbeiterbeteiligung von 1.000 Euro monatlich zu zahlen.

Die Entscheidungsgründe

Das ArbG Düsseldorf entschied zugunsten des Chefarztes. Zunächst habe er durch seine Aussage, die Verpflichtung seiner Vorgängerin zu übernehmen, nur die grundsätzliche Verpflichtung zur Mitarbeiterbeteiligung gemeint. Eine Bindung im Sinne einer bestimmten Zahlungshöhe sei damit nicht verbunden gewesen.

Auch aus dem Chefarztvertrag ergebe sich kein rechtlicher Anspruch des klagenden Oberarztes auf Zahlung der 7.000 Euro. Zwar enthalte die zitierte Regelung nach Auffassung der Düsseldorfer Richter nicht nur einen reinen Verweis auf einschlägige berufsrechtliche Regelungen (§ 29 Abs. 4 der Berufsordnung), vielmehr sollen die nachgeordneten Ärzte konkret an dem variablen Einkommen aus wahlärztlichen Leistungen beteiligt werden. Diese Regelung stelle rechtlich somit einen sogenannten „echten Vertrag zugunsten Dritter“ dar.

Der daraus folgende Anspruch des Oberarztes sei jedoch noch nicht konkretisiert, weil der Chefarzt sein Leistungsbestimmungsrecht bislang nicht ausgeübt habe. Anhaltspunkte dafür, dass zwingend eine Festlegung einer Beteiligung in Höhe von 1.000 Euro monatlich angemessen sei, bestünden nicht. Der Oberarzt hätte daher zunächst die Leistungsbestimmung gerichtlich geltend machen müssen.

Anmerkungen

Die Entscheidung des ArbG Düsseldorf bestätigt zunächst die überwiegende juristische Auffassung, wonach regelmäßig weder aus den Regelungen zur Mitarbeiterbeteiligung in den Landeskrankenhaus­gesetzen noch in den jeweiligen Berufsordnungen der Landesärztekammern ein einklagbarer Anspruch der nachgeordneten Ärzte erwächst. Direkte Ansprüche auf Poolzahlungen können allerdings aus vertraglichen Vereinbarungen hergeleitet werden. Maßgeblich sind insoweit die jeweiligen Umstände des Einzelfalls.

Im vorliegenden Fall wird in der zitierten Klausel des Chefarztvertrages gerade nicht nur – wie in der Praxis häufig – auf die berufsrechtliche Regelung Bezug genommen. Vielmehr wird eine unmittelbare Verpflichtung des Chefarztes niedergelegt, die nachgeordneten Ärzte angemessen zu beteiligen. Die Entscheidung des ArbG Düsseldorf, darin eine vertragliche Verpflichtung zugunsten der nachgeordneten Ärzte zu sehen, ist insoweit rechtlich nicht zu beanstanden. Die Düsseldorfer Richter bejahen dem Grunde nach einen Anspruch des Oberarztes gegen den Chefarzt auf Poolzahlung. Die Bestimmung der Höhe müsse indes zunächst durch den Chefarzt erfolgen. Der Oberarzt unterlag im Prozess also vor allem deshalb, weil er die Klageanträge anders hätte fassen müssen. Das Urteil verdeutlicht, dass die rechtlichen Fragen der Mitarbeiterbeteiligung komplex sind.

Praxishinweis: Chefärzte sollten bedenken, dass die Mitarbeiterbeteiligung auch ein Ausdruck der Wertschätzung ist sowie ein Instrument der Motivation für die nachgeordneten Ärzte darstellt. Nachfolgend daher drei Tipps für den Chefarzt:

  • Es empfiehlt sich, bereits bei Abschluss des Chefarztvertrags mit dem Krankenhaus auch die Frage der „Poolbeteiligung“ zu erörtern und dabei zur Vermeidung späterer Streitigkeiten eine unmissverständliche Regelung aufzunehmen, die den berufsrechtlichen Vorgaben Rechnung trägt.
  • Ein Chefarzt, der seine Stelle neu antritt, sollte das Thema gegenüber seinen ärztlichen Mitarbeitern offen ansprechen.
  • Viele Chefarztverträge sehen heute kein eigenes Liquidationsrecht, sondern eine reine Beteiligungsvergütung vor. Möchte der Chefarzt die nachgeordneten Ärzte hier poolmäßig beteiligen, sollte er mit dem Krankenhaus die Möglichkeiten einer Mitarbeiterbeteiligung zumindest an den wahlärztlichen Leistungen abklären. Hierbei kommt in Betracht, dass er eine höhere prozentuale Beteiligung für die Weitergabe an die Mitarbeiter gewährt erhält, oder aber die Mitarbeiter ohne die Zwischenschaltung direkt seitens des Krankenhausträgers beteiligt werden. Der Vorteil der Zahlung über das Krankenhaus liegt darin, dass direkt Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben abgeführt werden können.