Beschäftigung ausländischer Ärzte am ­Krankenhaus – ein Haftungsrisiko?

von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Rainer Hellweg, Kanzlei Schroeder-Printzen, Kaufmann & Kollegen, Hannover, www.spkt.de

Sprechen Sie deutsch? Diese Frage wird nicht nur von Ärzten an Patienten, sondern zunehmend auch von Patienten an Ärzte gestellt: Nachwuchsmangel und wirtschaftlicher Druck führen dazu, dass zunehmend ausländische Ärzte an deutschen Krankenhäusern angestellt werden. Dies betrifft auch die radiologischen Abteilungen. Was dies insbesondere für den Chefarzt aus haftungsrechtlicher Sicht bedeutet und worauf zu achten ist, zeigt der folgende Artikel.

Organisationsverschulden des Chefarztes als Haftungsgrund

Der Chefarzt ist in exponierter Stellung medizinisch gesamtverantwortlich für seine Abteilung. Verletzt er seine Überwachungspflicht, kann er auch für Fehler von nachgeordneten Mitarbeitern verantwortlich gemacht werden.

Nach dem sogenannten Facharztstandard hat der Patient Anspruch auf eine ärztliche Behandlung, die dem Stand eines erfahrenen Facharztes entspricht. Die Organisationsstruktur in der Abteilung und eine entsprechende Einteilung der Mitarbeiter muss gewährleisten, dass jeweils ein hinreichend qualifizierter und geeigneter ärztlicher Mitarbeiter für die Patientenversorgung zur Verfügung steht. Hier obliegt zuvorderst dem Chefarzt die Organisationspflicht. Aber auch der Krankenhausträger kann für Fehler des ärztlichen Personals haftbar gemacht werden.

Besondere Überwachung neuer ausländischer Ärzte

Wenn ein ausländischer Arzt seine Tätigkeit in der Klinik aufnimmt, darf sich die Kontrolle nicht darauf beschränken, ob Approbation und Qualifikationsnachweise durch die Ärztekammer bestätigt wurden. Da im Falle einer Aus-­ bzw. Weiterbildung im Ausland eine hundertprozentige Deckung mit deutschen Ausbildungsinhalten nicht garantiert werden kann, trifft den Chefarzt eine besondere Überwachungspflicht.

Gerade bei Beginn der Tätigkeit –aber auch nachfolgend – müssen sich die Vorgesetzten regelmäßig vergewissern, ob der nachgeordnete ausländische Arzt die ihm übertragenen Aufgaben erfüllt. Wenn diesbezüglich Zweifel bestehen, sollte dem Mitarbeiter ein erfahrener Kollege zur Überwachung und Kontrolle an die Seite gestellt werden.

Deutsche Leitlinien im Zweifel maßgeblich

Auch wenn Leitlinien nicht abschließend rechtsverbindlich sind, werden diese von Sachverständigen in Arzthaftungsprozessen doch regelmäßig als Kriterium für die Beurteilung herangezogen. Deshalb empfiehlt sich eine Anweisung an den ausländischen Arzt, dass dieser sich mit den deutschen Standards vertraut macht. Dies empfiehlt sich selbst dann, wenn der ausländische Standard, nach dem der ausländische Arzt praktiziert, medizinisch nicht schlechter ist als der deutsche. Der Chefarzt sollte sich bei Zweifeln von Zeit zu Zeit vergewissern, ob sein neuer Mitarbeiter die deutschen Standards auch tatsächlich beherrscht.

Fall vor dem Oberlandesgericht Naumburg

Mit seinem Urteil vom 10. Mai 2010 (Az. 1 U 97/09) hatte das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg unter anderem über den Vorwurf eines Aufklärungsfehlers zu entscheiden. Der Patient hatte moniert, dass zwar ein deutscher Arzt das Aufklärungsformular unterschrieben habe, es jedoch ein ausländischer Arzt gewesen sei, der das Aufklärungsgespräch geführt habe.

Das OLG wies die Klage des Patienten jedoch ab, da seine Einwände unerheblich seien. Die Richter argumentierten, das Aufklärungsgespräch sei unstreitig in deutscher Sprache erfolgt; zudem müssten der aufklärende Arzt und der Operateur nicht identisch sein. Der vom Patienten in diesem Fall relativ oberflächlich vorgetragene Vorwurf hatte somit keinen Erfolg.

Grundsätzlich ist es also nicht zu beanstanden, wenn ein ausländischer Arzt das Aufklärungsgespräch – etwa vor Kontrastmittelgabe – führt.

Hinreichende Deutschkenntnisse notwendig

Es muss jedoch gewährleistet sein, dass sich der ausländische Arzt im Aufklärungsgespräch gegenüber dem Patienten in deutscher Sprache verständlich machen kann. Dazu gehört es auch, Rückfragen des Patienten zu verstehen und adäquat reagieren zu können. Insofern sollte der ärztliche Mitarbeiter die deutsche Sprache „verhandlungssicher“ beherrschen.

Wenn Aufklärungsgespräche gegenüber den Patienten zum Beispiel nur in englischer Sprache angeboten werden, dürfte dies auf haftungsrechtliche Bedenken stoßen. Grund hierfür ist, dass dadurch die Verständlichkeit für nicht hinreichend englisch sprechende Patienten leidet und ihnen die Möglichkeit erschwert werden könnte, Rück­fragen zu stellen.

Fazit

Wenn ein nicht hinreichend des Deutschen mächtiger Arzt eine Kontrastmittelgabe oder eine andere aufklärungsbedürftige Maßnahme am Patienten vornehmen soll, kann ein deutscher Kollege für diesen das Aufklärungsgespräch übernehmen. Aufklärender und die Maßnahme durchführender Arzt müssen nicht personenidentisch sein. Zu einer haftungsrechtlichen Entlastung des die Maßnahme letztlich vornehmenden Arztes für etwaige Aufklärungsfehler führt dies aber nicht.

Wenn aufgrund von Sprachbarrieren zwischen den nachgeordneten ärztlichen Mitarbeitern Absprachen nicht sicher erfolgen können und es zu Abstimmungsfehlern kommt, kann hierfür unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens eine Haftung sowohl des Chefarztes als auch des Krankenhausträgers in Betracht kommen. Wenn die sprachlichen Defizite so hoch sind, dass keine Abhilfe ­möglich erscheint, sollte der Chefarzt zwecks personeller Umstrukturierung an die Klinikleitung herantreten.