BAG: Stufenlaufzeit nach TV-Ä/VKA beginnt erst mit der Eingruppierung

von RA Dr. Tobias Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Frehse Mack Vogelsang, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Nach wie vor bahnen sich die Streitigkeiten anlässlich des zum 1. August 2006 in Kraft getretenen TV-Ä/VKA den Weg durch die Instanzen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ab welchem Zeitpunkt die sogenannte „Stufenlaufzeit“ innerhalb einer Entgeltgruppe (EG), vorliegend der EG III (Oberärzte), beginnt. Erneut hat das BAG eine Entscheidung zulasten der angestellten Ärzte getroffen (Urteil vom 16.12.2010, Az: 6 AZR 357/09).

Hintergrund

Die Vergütung nach dem TV-Ä/VKA richtet sich einerseits nach der Eingruppierung in die EG, wobei –vereinfacht dargestellt – zwischen der EG I („Assistenzarzt“), EG II („Facharzt“), EG III („Oberarzt“) und EG IV („Leitender Oberarzt“) unterschieden wird. Darüber hinaus gibt es innerhalb der EG noch eine Stufenzuordnung, wobei die nächsthöhere und besser dotierte Stufe nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums erreicht wird.

Der Fall

Der etwa 50 Jahre alte neuroradiologische Arzt war seit 1986 bei dem später beklagten städtischen Klinikum als Oberarzt beschäftigt. Er verfügt über die Weiterbildungsberechtigung im Bereich Neuroradiologie und ist Mitglied im Prüfungsausschuss der Bayrischen Landesärztekammer. Dem Arzt wurde zum 1. August 2006, also zum Inkrafttreten des TV-Ä/VKA, vom Klinikum eine oberärztliche Tätigkeit zugewiesen, wobei eine Eingruppierung in die EG III Stufe 1 vorgenommen wurde. Der Arzt verlangte demgegenüber eine Zuordnung zur höher dotierten Stufe 2, weil er die oberärztliche Tätigkeit bereits zuvor ausgeübt habe. Die „Vorzeiten“ müssten bei der Stufenzuordnung berücksichtigt werden. Dies ergebe sich auch aus einem Rundschreiben des VKA vom 18. Dezember 2006.

Die Entscheidung

Das BAG folgte dieser Argumentation nicht. Nach der betreffenden Regelung für die Stufenzuordnung in § 19 TV-Ä/VKA erreiche ein Arzt die jeweils nächste Stufe erst nach den vorgesehenen Tätigkeitszeiten innerhalb derselben EG. Die Anrechnung von Vorzeiten auf die Stufenlaufzeit sei im § 19 Abs. 2 TV-Ä/VKA zwar für die EG I und II, nicht aber für die EG III geregelt worden. Daraus folge, dass die Tarifvertragsparteien – anders als bei der ärztlichen und fachärztlichen Tätigkeit – bei der oberärztlichen Tätigkeit bewusst von der Regelung einer obligatorischen oder fakultativen Anrechnung von Vorzeiten abgesehen haben. Zwar spreche das vom Kläger angeführte VKA-Rundschreiben für eine Anrechnung der Vorzeiten. Ein entsprechender „Regelungswille“ habe sich aber jedenfalls nicht im Wortlaut des TV-Ä/VKA nieder­geschlagen.

Anmerkung zum Urteil

Es erstaunt doch sehr, dass der VKA und somit die Tarifvertragspartei der Arbeitgeberseite in einem Rundschreiben, das zeitlich nach dem Tarifvertragsschluss versandt wird, eine anderweitige Auslegung vertritt als das BAG dem Tarifvertrag entnehmen möchte. Warum sollte der VKA „freiwillig“ eine für seine Mitglieder wirtschaftlich nachteilige Auslegung vertreten, wenn diese nicht im Rahmen der Tarifvertragsverhandlungen vereinbart worden ist? Die Entscheidung des BAG kann insoweit – wie zuvor schon die Oberarzt-Eingruppierungsentscheidungen – nicht überzeugen, gleichwohl wird man mit ihr leben müssen.