BAG bestätigt: Private Telefonate im OP sind kein Grund zur außerordentlichen Kündigung

von RA Tim Hesse, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Ein Arzt, der während einer Operation private Telefongespräche führt, verstößt gegen arbeitsvertragliche Pflichten. Zu einer fristlosen Kündigung berechtigt dies seinen Arbeitgeber jedoch nicht, wie das Bundesarbeits­gericht (BAG) mit Urteil vom 25. Oktober 2012 (Az. 2 AZR 495/11) entschied. Es erachtete auch in diesem Fall eine vorherige Abmahnung des Mediziners als unverzichtbar. Damit bestätigte das BAG ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Mainz vom 22. Februar 2011 (Az. 3 Sa 474/09, siehe Ausgabe 9/2011).

Fall und Urteil

Zeugenaussagen zufolge hatte der Chefarzt der Chirurgie einer Klinik mehrmals täglich für jeweils mehrere Minuten aus dem OP heraus private Telefonate unter anderem mit seiner Frau geführt, während Patienten narkotisiert und teils mit offener Wunde auf dem Operationstisch lagen. Die Leitung des katholischen Krankenhauses hatte ihm deswegen – ohne vorherige Abmahnung – fristlos gekündigt: Der Arzt habe durch sein Verhalten die Dauer von Operationen verlängert und das Risiko von Komplikationen in nicht akzeptabler Weise erhöht. Eine ordentliche Kündigung des verheirateten Familienvaters war seinem Arbeitsvertrag aus dem Jahr 2005 zufolge ausgeschlossen.

Nachdem das LAG Mainz in der Vorinstanz betont hatte, dass kein Patient geschädigt worden und die „soziale Schutzbedürftigkeit“ des Vaters zweier Kinder „gerade noch“ höher zu gewichten sei als das Klinikinteresse an einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses, beurteilte auch das BAG die fristlose Kündigung als unverhältnismäßig. Der Verstoß sei nicht derart massiv, dass eine vorherige Abmahnung entbehrlich gewesen wäre. Bei Pflichtverstößen eines Arbeitnehmers sei die Abmahnung als erste Sanktion die Regel.

Fazit

Die im Ergebnis gleichlautenden Urteile der arbeitsgerichtlichen ­Instanzen zugunsten des mittlerweile nicht mehr an der Klinik tätigen Arztes mögen vor allem aus Patientensicht auf Unverständnis stoßen. Unter rechtlichen Gesichtspunkten entsprechen sie jedoch dem Grundsatz, dass bei langer Zeit unbeanstandeter Tätigkeit immer ­zunächst eine Abmahnung des seine Pflichten verletzenden Arbeitnehmers erforderlich ist – und erst im wiederholten Fall des Pflichtverstoßes eine außerordentliche Kündigung möglich ist.