von RA Dr. Tobias Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Frehse Mack Vogelsang, Dortmund, und Ass. jur. Tim D. Hesse, Münster
Ein Arbeitgeber hat einem Arzt für dessen Inanspruchnahme während seiner Rufbereitschaft das tariflich vorgesehene Entgelt für Überstunden und Zeitzuschläge auch dann zu zahlen, wenn die abgerufene ärztliche Leistung nicht innerhalb einer Klinik erfolgt. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem aktuellen Urteil vom 23. September 2010 entschieden (Az: 6 AZR 330/09, abrufbar unter „Downloads/Urteile“) und damit für Rechtssicherheit in einer bis dato unklaren Rechtslage gesorgt.
Eine Oberärztin an einer Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie hatte gegen ihre Arbeitgeberin geklagt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV-Ärzte/VKA Anwendung. Rufbereitschaft wird darin als Anordnung, sich außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufzuhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen, definiert. Im Falle der tatsächlichen Inanspruchnahme des Arztes soll dieser gemäß §11 Abs.3 Satz5 TV-Ärzte/VKA neben einer Tagespauschale das Entgelt für Überstunden sowie Zeitzuschläge erhalten.
Um ihren Patienten täglich rund um die Uhr die Erreichbarkeit von Fachärzten garantieren zu können, hatte auch die beklagte Fachklinik eine als telefonischer Dienst eingerichtete Rufbereitschaft für die Oberärztin angeordnet. In einem bestimmten Zeitraum war sie insgesamt mehr als 33Stunden durch Anrufe von Patienten aus deren häuslichem Umfeld heraus in Anspruch genommen worden. Zu einer Entgeltzahlung sah sich die Klinik jedoch nicht verpflichtet, da die ärztliche Beratung außerhalb der Klinik stattgefunden habe, die Anwendung der tarifvertraglichen Entgeltregelung aber den Regelfall, nämlich eine Bereitschaftstätigkeit im Krankenhaus, voraussetze.
Wie die Vorinstanzen stellte nun auch das BAG einen Vergütungsanspruch der Oberärztin fest. Zwar sei der Wortlaut der tariflichen Regelung nicht ganz eindeutig: Weder §10 Abs.8 Satz1 noch §11 Abs.3 Satz4 und Satz5 TV-Ärzte/VKA sähen ausdrücklich eine Vergütung ärztlicher Rufbereitschaftsleistungen außerhalb des Krankenhauses vor. Sie schlössen eine solche aber auch nicht aus, und bei Auslegung der Vertragsvorschriften sei auch keine entsprechende Absicht der Tarifparteien zu erkennen.
Der Rechtsspruch des höchsten deutschen Arbeitsgerichts hat grundsätzliche Bedeutung. Zur Begründung eines Vergütungsanspruchs nach §11 Abs.3 Satz5 TV-Ärzte/VKA reicht nunmehr definitiv die tatsächliche Heranziehung eines Arztes während seines Bereitschaftsdienstes aus – wo oder auf welche Weise dessen Leistung auch immer erbracht wird. Damit ist eine bisher unklare Rechtslage erfreulicherweise endgültig und rechtssicher geklärt.
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