Zur Situation und zu den Folgen der COVID-19-Pandemie für die Radiologie

von Dr. med. Andreas Bollkämper, Hamburg, Kassenführer des Berufsverbands der Deutschen Radiologen (BDR)

Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sind in allen Lebensbereichen spürbar, besonders deutlich im Gesundheitssektor. Um die Entwicklungen und Konsequenzen in der Radiologie gebündelt zu erfassen, haben wir den Berufsverband der Deutschen Radiologen (BDR) um eine Einschätzung gebeten, wie sich die Situation in den Praxen und Kliniken darstellt. Lesen Sie die eindrückliche Darstellung von Dr. med. Andreas Bollkämper, Radiologe aus Hamburg und Kassenführer des BDR.

Anfangsphase: Mangel bei Schutzausrüstung und Personal

Die radiologischen Praxen in Deutschland sind von der COVID-19-Pandemie ganz unterschiedlich betroffen. Zu Beginn der Pandemie hat es eine große Unsicherheit gegeben. Viele unklare Thorax-Röntgen- und Thorax-CT-Aufträge trafen auf schlecht bis gar nicht ausgerüstete Praxen. Der Mangel an Schutzausrüstung war eklatant. Teilweise herrschte auch Personalmangel wegen der sehr weitgehenden Praxis bei der Verhängung von Quarantäne-Maßnahmen, auch für das Röntgen-Personal. Die Gesundheitsämter haben regional und individuell völlig jenseits der RKI Empfehlungen Mitarbeiter in Quarantäne versetzt, großteils ungetestet. Dann waren diese Ämter, auch völlig unvorbereitet, gar nicht mehr erreichbar, total überlastet.

Fachliches Defizit schnell aufgelöst

Das fachliche Defizit war sehr schnell aufgelöst. Nach wenigen Tagen/Wochen wussten die Radiologen, wie Corona-Lungen-CTs aussehen und schnell gab es (aus den USA vom RSNA) Empfehlungen zur Befundung und Klassifikation. Die Beschaffung der Schutzausrüstung – eigentlich ein „Cent-Artikel“ – war viel schwieriger und teilweise auch peinlich! Und inzwischen handelt es sich dabei um „wertige“ Masken mit Preisen im Euro-Bereich – welch ein Geschäft!

Die hohe Leistungsfähigkeit der Thorax-CT zur Klassifizierung auch der Schwere der Corona-Fälle kam wegen der schleppenden Bereitstellung der Schutzausrüstung nur wenig zum Tragen. Dabei ist Thorax-CT eine herausragende Methode, neben dem Feststellen des Corona-Falls (das macht die PCR), die Schwere und Behandlungsnotwendigkeit einzuschätzen.

Patientensteuerung „unter Corona“

In den Kliniken wurde für das Personal viel schneller auf die RKI-Richtlinien für Quarantäne umgestellt, aber auch dort fehlten und fehlen teilweise Mitarbeiter wegen Quarantäne und hauseigenen Infizierungen.

Die Trennung zwischen ambulanter Diagnostik und Separierung der Patienten in Corona-positiv-Einrichtungen und Corona-negativ getesteten Patienten für die „normale Routine-Medizin“ kam langsam in Gang. Im ambulanten Bereich gelang dies erst mit dem völligen Abflachen der Infektion wie gewünscht. Vielleicht hilft diese Erfahrung, falls eine zweite Infektionswelle mit dem Coronavirus kommen sollte. Zurzeit sind die Corona-Sprechstunden/-Praxen weitgehend unbenutzt bzw. wieder stark reduziert.

Wirtschaftliche Folgen differieren

Die wirtschaftlichen Folgen in der ambulanten Radiologie sind auch sehr unterschiedlich. Während „Versorger-Praxen“ nur wenig Fallzahlrückgang hatten, sind andere Standorte, mit mehr „Lifestyle Medizin“ und Innenstadtlagen viel stärker betroffen. Vom Runterfahren der Routinen, auch im Krankenhaussektor, um Intensivbetten für Corona-Patienten (die dann nicht kamen!) freizuhalten, ist die zugehörige ambulante Diagnostik mit betroffen. Vorsorgeuntersuchungen, allen voran die Mammadiagnostik und Screening, sind eine Zeit lang ganz ausgesetzt worden. Das half zwar, den Personalmangel durch Quarantäne auszugleichen, stellt aber einen erheblichen Verlust dar. Der Personalmangel wurde und wird fortwährend durch die unsägliche Schließung von Kitas und Schulen noch graviert. Was hilft hier die Einstufung „systemrelevant“, wenn diese Institutionen einfach mauern? Das trifft die Versorgung in Krankenhäusern und Praxen gleichermaßen.

Entsprechend der unterschiedlichen Betroffenheit hat es auch in der radiologischen ambulanten Versorgung Kurzarbeit gegeben. Sehr wichtig ist, dass die irrige Anweisung von Minister Heil für die Arbeitsagentur, Kurzarbeitergeld Arztpraxen (wegen Rettungsschirm) vorzuenthalten, inzwischen revidiert wurde. Es handelt sich bei diesen Mitteln ja um Versicherungsleistungen der Mitarbeiter, die mit evtl. Schutzschirmen im KV-System rein gar nichts zu tun haben. Im Übrigen decken Schutzschirme die Umsätze nur im KV-Bereich und das nur in Quoten. Fehlende Leistungen im Bereich der PKV-Versorgung, der BG-Praxis, in der Mitversorgung von Krankenhäusern und das völlige Erliegen z. B. von Forschungsarbeiten, reißen tiefe Löcher in die Umsätze der Praxen. Aber dies erfolgt auch sehr individuell, je nach „normaler“ Ausrichtung. Entsprechend ist die individuelle Prüfung auch von Kurzarbeitergeld wie von allen anderen Hilfen erforderlich.

Fazit und Perspektiven

Die „Glaskugel“ für den sicheren Blick in die Zukunft steht auch hier nicht. Ich denke, die Versorgung – ambulant wie stationär – steht und war m. E. auch radiologisch nie gefährdet! Unsere Mitarbeiter und die Radiologen haben sich erfolgreich der Hausforderung durch Corona gestellt. Der Mangel an Schutzausrüstung war dabei am schwierigsten und hätte fast die Versorgung gekippt. Radiologie kann für Lungenerkrankungen (Thorax-CT und -Röntgen), aber auch in anderen Bereichen (Neurocranium, MRT), sehr wertvolle Dienste leisten.

Für die nahe Zukunft sind Konzepte zur separierten Versorgung von Corona-positiv und -negativ getesteten Patienten Erfolg versprechend und etabliert. Entscheidend wird die Herausforderung und Aufgabe sein, die Finanzierung und die Budgets angemessen in das Jahr 2021 zu bringen (auf Basis der Vor-Corona-Zeit 2019!). Alle sollten, wo es irgend geht, sehr schnell zu normalen Routinen der Versorgung zurückkehren. Das schafft die beste Datenbasis für 2021 und die folgenden Jahre.