Wie viel kaufmännisches Management braucht die Radiologie?

von Dr. Bernd May, Geschäftsführer MBM Medical-Unternehmensberatung GmbH, Mainz

Die Radiologie ist ein Querschnittsfach im Zentrum der ambulanten und klinischen Versorgung. Doch wie bemisst man den „Wert“ der Radiologie? Eine Frage, die sich beispielsweise auch im Begriff der „value driven radiology“ widerspiegelt. Sofern der Wertbeitrag der radiologischen Versorgung als Quotient aus klinischem Outcome und den Kosten der radiologischen Versorgung verstanden wird, können auf dieser Basis auch Aussagen und Abschätzungen zum sinnvollen Einsatz von kaufmännischem Management abgeleitet werden.

Wertstellung der Radiologie

Aus der beschriebenen Formel zum Wertbeitrag der radiologischen Versorgung (s. Tabelle 1) lassen sich einige allgemeine Schlussfolgerungen ziehen. Werden die Kosten der radiologischen Versorgung bei gleichbleibendem Outcome gesenkt, erhöht sich der Wertbeitrag; wird der klinische Outcome bei gleichbleibenden Kosten erhöht, verbessert sich der Wertbeitrag ebenfalls. Wird der klinische Outcome zusammen mit den Kosten erhöht, verbessert sich der Wertbeitrag nur dann, wenn der klinische Outcome sich stärker entwickelt als die Kosten erhöht werden.

Tabelle 1: Formel „Wertbeitrag der rad. Versorgung“


Wertbeitrag der radiologischen Versorgung


=

klinischer Outcome

Kosten der radiologischen Versorgung

 

Die Beherrschung der Kostenstruktur und -steuerung ist das klassische Feld der kaufmännischen Leitung, das Management des klinischen Outcomes dagegen kann nur einem Arzt obliegen. Dieser Themenkomplex ist vielschichtiger und weit schwieriger mit seinem Wertbeitrag zur radiologischen Versorgung zu steuern als das Kostenthema. Der klinische Outcome umfasst Inhalte wie

  • die strategische Entwicklung,
  • das Qualitätsmanagement, in diesem Zusammenhang
  • die Einstellung und Führung von ärztlichen Spezialisten zu einem Team mit einem gemeinsamen Qualitätsverständnis und
  • das Innovationsmanagement mit Weiterentwicklung der Kenntnisse und Spezialisierungen innerhalb des Ärzteteams sowie der apparativen Basis mit den eingesetzten Technologien, sowie
  • die Orientierung an der Berufspolitik und den Erweiterungen im klinischen Nachfragebereich einschließlich der Möglichkeiten von Kooperationen mit Kliniken.

Der überwiegende Teil der Praxen konzentriert sich auf das Management des einfacheren Komplexes, nämlich die Kosten!

Merke

Diejenigen Radiologie-Praxen, die den Themenkomplex des klinischen Outcomes facettenreich beherrschen und steuern, sind nach Kenntnis des Autors deutlich in der Minderzahl, aber die weitaus erfolgreicheren!

 

Dennoch ist die Organisation eines professionellen Kostenmanagements eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass das Management des klinischen Outcomes sich erfolgreich entwickeln kann. Denn anderenfalls muss das Outcome-Management sich zusätzlich um mangelhaft geführte Bereiche beim Kostenmanagement kümmern.

Aktuelle ambulante/stationäre Versorgungsstrukturen

Ärzte sind die Träger der Versorgung, insofern soll die Zahl der in den radiologischen Versorgungseinheiten (BAG /MVZ) zusammenarbeitenden Ärzte als zentraler Orientierungsindikator dienen. Eine an notwendigen kaufmännischen Strukturen orientierte Klassifikation bilden folgende Einheiten:

  • bis zu 10 Radiologen
  • 11 bis 25 Radiologen
  • 26 bis 50 Radiologen
  • 51 bis 100 Radiologen

Die meisten ambulanten radiologischen Versorger bestehen aus den beiden erstgenannten Klassen. Wichtige Unterscheidungsmerkmale innerhalb jeder Klasse sind:

  • Zahl der Standorte,
  • Zahl der Klinikkooperationen,
  • Anzahl der MRT-Geräte und davon der Anteil mit 3-Tesla-Technologie.

Die Anzahl der MRT-Geräte in Verbindung mit dem Anteil der 3-Tesla-Technologie ist ein deutlicher Hinweis auf die Innovationsbereitschaft. Dies gilt besonders in Verbindung mit trainierten Spezialisten wie Neuroradiologen und Radiologen mit unterschiedlichen Schwerpunkten (MSK, Onkologie, Urologie, Kinderradiologie, Kardiologie). Erst mit Spezialisten lassen sich die subtileren Möglichkeiten der 3-Tesla-Technologie nutzen. Ein spezielles Unterkriterium im Zusammenhang mit Klinikkooperationen ist zudem der Anteil und Umfang interventioneller radiologischer Versorgung.

1. Klasse: bis 10 Radiologen

In der ersten Klasse der Versorgungseinheiten (bis 10 Radiologen) gibt es durchaus solche mit Klinikkooperationen. Diese fordern im Vergleich zu rein ambulanten Versorgungsstrukturen einen höheren Anteil an konventionellem Röntgen sowie CT an. Deshalb muss beim Unterscheidungskriterium „Anzahl der MRT-Geräte“ zusätzlich differenziert werden zwischen

  • rein ambulanten Praxen und
  • Praxen, die auch Kliniken versorgen.

Insgesamt liegt in dieser Klasse der Anteil der MRT-Geräte kaum höher als etwa ein Drittel, bezogen auf die Anzahl der Ärzte.

2. Klasse: 11 bis 25 Radiologen

Anders sieht es in der zweiten Klasse (zwischen 10 und 25 Radiologen) aus, die bis zu sechs Klinikkooperationen betreiben. Zudem sind diese Versorgungseinheiten, bezogen auf die Anzahl der Ärzte, bis zu 50 Prozent mit MRT-Geräten ausgestattet. Das liegt hauptsächlich an der Möglichkeit der Ausprägung einer bedarfsorientierten Spezialisierungsstruktur. In dieser Gruppe gibt es auch Kooperationen mit einem Schwerpunkt in der interventionellen Radiologie. Die kaufmännische Leitung ist in dieser Größenklasse nicht immer differenziert ausgeprägt. In Personalunion sind dort meistens die Aufgaben Finanzierung, Controlling, Personal sowie weitere besetzt. Das IT-Management ist mit bis zu drei Vollzeitkräften stark entwickelt, während die ärztliche Geschäftsführung meistens auch die Aufgabenbereiche Technik und Infrastruktur mit abdeckt.

3./4. Klasse: bis 100 Radiologen

In der 4. Klasse mit bis zu 100 Ärzten kommen bis zu 30 Klinikkooperationen vor. Das sind im Durchschnitt etwa doppelt so viele wie in den Klassen darunter. In den Klassen mit bis 100 Radiologen gibt es große Unterschiede bei der Ausstattung mit ärztlichen Spezialisten unterschiedlicher Schwerpunkte und mit 3-Tesla-MRT-Geräten (zwischen 6 und 45 Prozent aller MRT-Modalitäten)! Die Gruppe mit bis zu 100 Ärzten wird dabei aus mittelständischen Betrieben mit einer differenzierten kaufmännischen Leitung gebildet, die verschiedene kaufmännische Disziplinen (u. a. Finanzmanagement/Controlling, Standortleitungen, Personalmanagement, IT-Management, Privatabrechnung) mit jeweils eigenständigen Fachleuten abdeckt.

Konsequenzen für das Management

Grundsätzlich liegt der kaufmännische Management-Anteil über alle hier beschriebenen Größenklassen von radiologischen Versorgungseinheiten – je nach Bandbreite diagnostischer und interventioneller Radiologie und Anzahl der Klinikkooperationen – bei etwa 20 bis 30 Prozent der in Vollzeit tätigen Ärzte.

Das kaufmännische Management mit dem Schwerpunkt Finanzen und Controlling ist die Basis für ein erfolgreiches ärztliches Management des klinischen Outcomes (Ergebnisqualität), welches ein wesentlich größeres wirtschaftliches Potenzial birgt als das kaufmännische Controlling. Wesentliche Erfolgsfaktoren für eine positive Entwicklung des Outcomes sind:

  • Die Investition in ein Team von ärztlichen Spezialisten mit unterschiedlichen Schwerpunkten, durchaus auf verschiedene Standorte verteilt.
  • Die Ausstattung dieses Teams mit Modalitäten aktueller Technologie; das ist bei MRT, je nach klinischen Anforderungen, die 3-Tesla-Technologie, wie auch speziell die interventionelle Radiologie.
  • Das Management einer guten Teamkultur.

Fazit

Bei mehr als drei in einer Versorgungseinheit zusammenarbeitenden Radiologen ist die Organisation eines professionellen kaufmännischen Managements sinnvoll, weil so die Produktivität der Radiologen erhalten bleibt und einen höheren Ergebnisbeitrag erwirtschaften kann als die Kosten für das kaufmännische Management betragen. Für größere Einheiten mit Klinikkooperationen, einem differenzierten diagnostischen Spektrum und einem Team von Spezialisten ist ein professionelles kaufmännisches Management eine wesentliche Erfolgsvoraussetzung. Umgekehrt ist ein professionelles kaufmännisches Management in einer größeren Gruppierung allein kein Erfolgsfaktor, wenn das ärztliche Outcome-Management nicht einmal eine mittelmäßige Ergebnisqualität gewährleistet.