Wie Private-Equity-Gesellschaften den deutschen Radiologie-Markt durchdringen

von Dr. Christoph Scheuplein, Sozialwissenschaftler, Institut Arbeit und Technik, Gelsenkirchen, www.iat.eu

Private-Equity-Gesellschaften haben sich in den vergangenen Jahren stark auf dem deutschen Gesundheitsmarkt engagiert. So wurde der Gesundheitssektor im Jahr 2017 erstmals in Deutschland zum wichtigsten Anlagefeld für Beteiligungsgesellschaften, was sich im Jahr 2018 fortgesetzt hat. Ein wichtiger Teil dieses Trends ist der Aufbau von Facharzt-Ketten. Die Radiologie mit ihrer hohen Kapitalintensität ist hier ein geradezu natürliches Ziel für die Private-Equity-Gesellschaften, denen eine grundlegende Neustrukturierung des deutschen Radiologiemarkts in den kommenden Jahren zuzutrauen ist.

Ausgangssituation und Marktlage

Eine Voraussetzung für die heute zu beobachtende Übernahme von Radiologie-Praxen war die gesetzliche Einführung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) im Jahr 2004. Seitdem können sich nichtärztliche Investoren mittelbar an einem MVZ beteiligen, wenn sie einen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Träger wie z. B. ein Krankenhaus oder einen Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen erwerben (Neuregelungen hierzu im Terminservice- und Versorgungsgesetz; s. Downloads). Dass der Übernahmeprozess jedoch erst vor wenigen Jahren begonnen hat, weist auf Veränderungen auf der Nachfrageseite hin. Der Private-Equity-Markt in Deutschland ist seit einiger Zeit gekennzeichnet von

  • einer wachsenden Zahl von (internationalen) Beteiligungsgesellschaften,
  • sich vergrößernden Fonds-Volumina und
  • einer sinkenden Zahl an Übernahmeobjekten.

Dies schlägt auf die Kaufpreise von Unternehmen durch. Zudem hat es die Bereitschaft wachsen lassen, in kleinere Unternehmen sowie in komplexere Märkte zu investieren.

Aktive Private-Equity-Gesellschaften

Aktuell sind in Deutschland vier Radiologie-Unternehmen aktiv, an denen eine Private-Equity-Gesellschaft beteiligt ist (s. Tabelle). Drei der Unternehmen haben ab dem Jahr 2017 MVZ in Deutschland erworben. Dabei liefen der interne Organisationsprozess und der Kauf einer Trägereinrichtung zu diesem Zeitpunkt bereits jeweils ein bis zwei Jahre. Im Fall von RAD-x SAS handelt es sich um ein im Jahr 2016 in Frankreich gegründetes Plattform-Unternehmen, das 2018 in eine Schweizer Radiologie-Kette und in ein deutsches Unternehmen investiert hat. Als Träger der MVZ wurden in je zwei Fällen Krankenhäuser bzw. Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen erworben. Bei den Käufen verfolgen die Beteiligungsgesellschaften die sog. Buy-and-Build-Strategie. D. h., sie erwerben bereits vorhandene Einrichtungen und fügen diese zu einem größeren Unternehmen zusammen. Dies schließt allerdings nicht aus, dass die einzelnen MVZ personell expandieren bzw. zusätzliche Standorte eröffnet werden.

Ein gemeinsamer Markenauftritt ist vor allem im Fall der Deutschen Radiologie Holding GmbH zu beobachten, deren Standorte über die Marke „Meine Radiologie“ erkennbar sind. Dieses Unternehmen ist zugleich das erste Beispiel für einen Secondary Buyout, d. h., dem Weiterverkauf an einen anderen Finanzinvestor. Gegründet wurde das Unternehmen von der deutschen Private-Equity-Gesellschaft Tempus Capital. Der zur Jahreswende 2018/2019 eingestiegene Investor Triton Partners scheint die bisherige Strategie fortzusetzen.

Radiologie-Unternehmen in Deutschland mit Private-Equity-Beteiligung

Unternehmen

Hauptsitz

Eintrittsjahr

Private-Equity-Gesellschaft

Herkunftsland

MVZ/Standorte

Deutsche Radiologie Holding GmbH

Frankfurt am Main

2017

Triton Partners

Großbritannien

4/ca. 11

RAD-x SAS

Paris

2018

Gilde Healthcare Partners

Niederlande

1/1

Radiologie Holding GmbH

München

2017

DT Private Equity Consulting GmbH

Deutschland

4/ca. 5

Ranova/Radiologie Herne

Unna

2017

Deutsche Beteiligungs AG (DBAG)

Deutschland

3/ca. 18

Summe:

12/35

 

Stand: März 2019; Quelle: eigene Recherchen im Rahmen des „Private Equity Monitor“

Insgesamt können im ersten Quartal 2019 zwölf MVZ mit 35 Standorten zu den vier Unternehmen mit Private-Equity-Beteiligung gezählt werden. Die Mitarbeiterzahlen können aufgrund der unvollständigen Datenlage nur grob geschätzt werden, aber es ist davon auszugehen, dass mindestens 530 Mitarbeiter im Radiologiebereich der vier Unternehmen arbeiten und etwa 400 Beschäftigte in den dazugehörigen Trägergesellschaften.

An einem fünften Unternehmen, dem in Berlin ansässigen Unternehmen Medneo, ist die britische Private Equity-Gesellschaft Marcol seit dem Jahr 2015 beteiligt. Medneo hat bereits elf Standorte in Deutschland und expandiert zügig. Allerdings werden keine Praxen erworben, sondern das 2010 gegründete Unternehmen verfolgt ein neuartiges Geschäftsmodell, bei dem die Bildgebung als Dienstleistung für Partner-praxen erbracht wird („Radiology as a service“), sodass es sich hier eher um eine Wagniskapital-Finanzierung handelt.

Perspektiven des Radiologiemarkts

Mit der gezeigten Anzahl und Größe der übernommenen Radiologie-Unternehmen ist Private Equity zwar bereits zu einem Faktor auf dem deutschen Radiologiemarkt geworden. Allerdings ist dessen Relevanz noch begrenzt. Die Beteiligungsgesellschaften treffen in der Radiologie auf einen Markt, der bereits einige Entwicklungen vorweggenommen hat, die sie selbst derzeit in anderen Facharztbereichen in Deutschland forcieren. So wurden in den vergangenen 15 Jahren bereits vermehrt größere Praxen gebildet, die Zahl der angestellten Ärzte hat stark zugenommen und viele Praxen sind in Netzwerken bzw. Einkaufsverbünden organisiert. Es haben sich so einige ärztegeführte Radiologie-Netzwerke oder -Ketten mit mehreren hundert Beschäftigten gebildet, die auch gegen die neue, kapitalkräftige Konkurrenz antreten können.

Dass Private-Equity-Gesellschaften in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle bei der Neustrukturierung des Marktes spielen werden, lassen zum einen die Eigenschaften der Akteure vermuten. Denn bei Gilde, Triton und DBAG handelt es sich um kapitalkräftige, mit dem deutschen Markt vertraute und in der Gesundheitsbranche erfahrene Gesellschaften, die einen langen Atem besitzen. Zum anderen findet der Akquisitionsprozess international statt. In den USA wurden zuletzt einige große Radiologie-Unternehmen übernommen, etwa US Teleradiology durch Great Point Partners und Riverside Radiology & Interventional Associates durch Excellere Partners (beide 2016) sowie des Gesundheitskonzern Envision Healthcare (inklusive einer Radiologie-Sparte) durch KKR im Jahr 2018. Auch wenn diese US-Entwicklungen nicht umstandslos auf Deutschland zu übertragen sind, zeigt das Beispiel von RAD-x SAS, wie ggf. europäische, Private-Equity-geführte Ketten nach Deutschland ausgreifen können. Ein weiterer Kandidat für eine solche Strategie wäre die Unilabs SA, die sich seit 2007 im Private-Equity-Eigentum befindet. Das Diagnostikunternehmen mit den Schwerpunkten Labordiagnostik und Radiologie (10.000 Beschäftigte in 13 europäischen Ländern) wurde 2017 bei einem Secondary Buyout von Apax Partners erworben.

Eine weitere Variante wäre ein Bündnis von ärztegeführten Radiologie-Unternehmen bzw. -Netzwerken mit einer Private-Equity-Gesellschaft, die dann gezielt die Technologieentwicklung und Geräteausstattung finanzieren würde. Infrage kämen hier eher Wagniskapitalgesellschaften, die Gründer unterstützen, statt klassische Buyout-Gesellschaften, die etablierte Unternehmen kaufen. Wagniskapitalgeber beschränken sich meist auf Minderheitsanteile und agieren auch in größeren Konsortien. Diesen Weg ist im vergangen Jahr beispielsweise das US-Unternehmen Radiology Partners gegangen.

Hintergrund: Geschäftsmodell Private Equity

Private-Equity-Gesellschaften sind ein spezieller Typ von Finanzmarkt-Akteuren, deren Geschäft im Kauf und Verkauf von Unternehmen besteht. Ihre Kernkompetenzen sind

  • das Identifizieren geeigneter Übernahmeziele,
  • die effiziente Gestaltung des Akquisitionsprozesses und
  • die Suche geeigneter Käufer.

Den größeren Teil der Rendite erzielen Private Equity-Gesellschaften nicht aus den laufenden Einnahmen während der Haltezeit eines Unternehmens, sondern aus dem Verkaufspreis beim Ausstieg aus dem Unternehmen.

Meistens arbeiten die Beteiligungsbranchen branchenübergreifend, wobei das spezielle Expertenwissen ad hoc von Insidern aus dem Consulting-Bereich hinzugekauft wird. Häufig generieren die Private-Equity-Gesellschaften ihr Geschäftskapital durch die Auflage eines geschlossenen Fonds, in den vor allem institutionelle Investoren einzahlen. Diese Fonds werden dann zu den rechtlichen Eigentümern der erworbenen Unternehmen. Um die Erträge der Investoren steuerlich zu optimieren, sind die Fonds offiziell in Offshore-Finanzzentren angesiedelt. Bei den in der deutschen Gesundheitsbranche aktiven Fonds sind dies vor allem die Cayman Islands sowie die Kanalinseln Guernsey und Jersey. Die Private-Equity-Manager beziehen ihr Einkommen aus den Fondsgebühren und aus einer Gewinnbeteiligung ab einer bestimmten Höhe der Fonds-Rendite. Aufgrund der üblichen Laufzeit des Fonds von zehn Jahren plus dem zeitintensiven Kauf- und Verkaufsprozess ergibt sich auch für den deutschen Markt eine durchschnittliche Haltezeit von fünf bis sechs Jahren.

Weiterführende Hinweise