Wie lange besteht eine Praxis bei Ausscheiden eines Partners fort?

von RA und FA für MedR Dr. Paul Harneit, Kiel, www.causaconcilio.de 

Wie lange darf es nach Ausscheiden eines Arztes aus einer Vertragsarztpraxis bis zur Nachbesetzung dauern, sodass noch ein Fortbestand der Praxis gewährleistet ist? Zu dieser Frage hat das Sozialgericht (SG) Marburg mit Urteil vom 26. November 2014 (Az. S 12 KA 655/13) wie folgt entschieden: Bis zur Dauer von einem Jahr kann vom Fortbestand einer Vertragsarztpraxis ausgegangen werden, soweit nicht offenkundig ist, dass die Praxis untergegangen ist. Nach Ablauf von zwei Jahren ist vom Wegfall eines Praxissubstrats auszugehen. Für die Zwischenzeit ist eine substanziierte Darlegung der Fortführungsfähigkeit durch den Vertragsarzt zu verlangen.

Der Fall 

Eine Vertragsärztin hatte zum 1. Januar 2012 innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) auf ihre Zulassung verzichtet. Auf die Ausschreibung dieser Zulassung bewarb sich im Februar 2013 die Klägerin. Zulassungs- und Berufungsausschuss lehnten die Zulassung mit der Begründung ab, es sei kein fortführungsfähiges Praxissubstrat mehr vorhanden.

Die Entscheidung 

Die Klage der Ärztin wies das SG Marburg unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ab. Danach ist Ziel der Ausschreibung und Nachbesetzung die „Fortführung“ der Praxis, weshalb die Nachbesetzung einer Einzelpraxis nur solange erfolgen kann, wie ein Praxissubstrat noch vorhanden ist. Bei einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) muss eine Anknüpfung an die gemeinsam ausgeübte Tätigkeit noch möglich sein.

Eine vertragsärztliche Tätigkeit setzt nach dem BSG den (Mit-)Besitz von Praxisräumen, die Ankündigung von Sprechzeiten, die tatsächliche Entfaltung einer ärztlichen Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen sowie das Bestehen der für die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit erforderlichen Praxisinfrastruktur voraus. Dabei ist für die Beurteilung der „Fortführung“ der Praxis auch der zeitliche Abstand zwischen der Beendigung der Tätigkeit durch den Vorgänger und der Aufnahme der Tätigkeit durch den Nachfolger von erheblicher Bedeutung.

Anmerkungen 

Eine generelle Festlegung, nach welcher Zeitspanne eine fortführungsfähige Praxis nicht mehr existiert, hat das BSG bisher nicht getroffen. Das SG Marburg definiert nunmehr erstmals zeitliche Eckpunkte. Bei einer BAG sei zusätzlich ein Vergleich der Behandlungsfälle vor und nach dem Ausscheiden des Vertragsarztes vorzunehmen, so das Gericht.

Das SG Marburg definiert durchaus angemessene zeitliche Orientierungspunkte für eine in der Praxis häufig relevante Frage. Individuelle Besonderheiten werden dadurch nicht abgeschnitten – sie müssen aber substanziiert vorgetragen werden.