Wann ist ein Honorararzt selbstständig tätig – und wann gilt er als Angestellter?

von RA/FA MedR, Wirtschaftsmed. Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Zwei Juristen, drei Meinungen: Das alte Vorurteil stimmt nicht immer – manchmal aber schon: So haben kürzlich kürzlich das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) im Falle eines Radiologen und das Sozialgericht (SG) Kassel im Falle eines Psychologischen Psychotherapeuten unterschiedliche Urteile zur Frage der (Schein-)Selbstständigkeit von Honorarärzten gefällt. Beide Urteile treffen Aussagen zu den Abgrenzungskriterien, wann eine selbstständige Tätigkeit des Arztes vorliegt und wann nicht. 

Frage der Scheinselbstständigkeit – interessant für viele!

Mit diesen Kriterien sollten sich betroffene Ärzte vertraut machen; ebenso Klinikleitungen und gegebenenfalls auch Chefärzte, um bei der Klinikleitung im Zweifel für eine Anstellung des Honorararztes zu werben: Im Gegensatz zu selbstständigen Honorarärzten kann der Chefarzt angestellte Ärzte besser führen, ihnen gegenüber ist er weisungsbefugt. 

Die Fälle vor dem Hessischen LAG sowie dem SG Kassel stellten sich wie folgt dar: 

Fall vor dem Hessischen LAG: ­Radiologe in leitender Funktion

Bei dem Fall vor dem LAG (Urteil vom 14.1.2013, Az. 16 Sa 1213/12) war ein Radiologe auf Basis eines Vertrags vom Juni 2011 für ein Krankenhaus in leitender Funktion tätig. Die Tätigkeit wurde zuvor von einem angestellten Arzt ausgeübt. Das Krankenhaus kündigte den „freiberuflichen“ Vertrag mit dem Radiologen zum 31. März 2012. Dieser wandte sich gegen die Kündigung mit dem Argument, er sei tatsächlich nicht freiberuflich, sondern als angestellter Arzt tätig. 

LAG: Der Radiologe war selbstständig tätig

Das LAG entschied – wie die Vorinstanz – zugunsten des Krankenhauses. Der Radiologe habe nicht schlüssig vorgetragen, dass er Arbeitnehmer sei. Dies sei derjenige, der aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags zur weisungsgebundenen, fremdbestimmten Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet sei. Arbeitnehmer müssten die geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitssorganisation erbringen. 

Die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation zeige sich vor allem darin, dass der Beschäftigte dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege, das sich auf Inhalt, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit beziehe. Selbstständig sei demgegenüber, wer im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit frei bestimmen könne. Maßgeblich komme es auf die tatsächlichen Umstände, nicht auf die vertragliche Formulierung an. 

Obwohl die Leistungen in den Räumen des Klinikums erbracht wurden, sah das Gericht keine Anstellung des Radiologen: Auch Belegärzte nutzten die Klinikräume und seien anerkanntermaßen keine angestellten Arbeitnehmer. 

Der Radiologe unterlag keinen festen Arbeitszeiten, es wurde vielmehr nur ein Tageshonorar von 1.000 Euro für die Tätigkeit von 8 bis 16 Uhr vereinbart. Auch der Umstand, dass ein unbefristeter Vertrag geschlossen wurde, stehe – so das LAG – einer selbstständigen Tätigkeit des Radiologen nicht entgegen. 

Fall ärztlicher Psychotherapeut vor dem Sozialgericht Kassel

In dem vom SG Kassel entschiedenen Fall (Urteil vom 20.2.2013, Az. S 12 KR 69/12) wurde darüber gestritten, ob ein für das klagende Krankenhaus tätiger ärztlicher Psychotherapeut in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis beschäftigt war oder aber eine freiberufliche Tätigkeit zugrunde lag. Zwischen dem Krankenhaus und dem ärztlichen Psychotherapeuten wurden für die Leistungserbringung konkrete Leistungen wie Gruppensprechstunden zu vor­gegebenen Zeiten oder Prozessanalysen mit Behandlerteam in der Klinik etc. vereinbart; außerdem eine Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden mit täglicher Präsenzpflicht und eine Vergütung auf Stundenbasis. 

Gericht: Arzt war abhängig beschäftigt

Das SG Kassel entschied, dass der Psychotherapeut als abhängig Beschäftigter anzusehen ist. Dabei legte das SG die gleichen Grundsätze wie das LAG zugrunde: Zwar habe der Therapeut umfassende therapeutische Entscheidungsspielräume gehabt, diese seien aber für seine Tätigkeit selbstverständlich. Auch die Vereinbarungen sowie die umgesetzten Regelungen wiesen auf eine abhängige Tätigkeit hin, zumal er kein unternehmerisches Risiko trage. Dass der Psychotherapeut die Risiken krankheits- und urlaubsbedingter Entgeltausfälle trage, ändere nichts an dieser Bewertung. Er war faktisch in den Betrieb der Klinik vollständig eingebunden, die Verfügung über seine eigene Arbeitskraft war nachhaltig eingeschränkt. 

 

Fazit

Die Urteile verdeutlichen, dass sich eine pauschalierende Bewertung, ob ein Honorarzt Arbeitnehmer oder „Unternehmer“ ist, verbietet. Es ist daher denkbar, dass ein Honorararzt tatsächlich freiberuflich seine Arbeitsleistung in einem Krankenhaus erbringt. Je weniger der Arzt über seine eigene Arbeitskraft selbst verfügen kann, desto eher ist er ein Arbeitnehmer. Im Zweifel sollte eine frühzeitige Klärung erfolgen, da sonst erhebliche Nachzahlungen an die Sozialversicherungsträger drohen, die in erster Linie den Arbeitgeber treffen.