Wahlleistungsvereinbarungen rechtswidrig – Chefarzt zahlt Geldbuße von 150.000 Euro

von Rechtsanwalt Karsten Kienitz, Münster, www.curacon-recht.de 

Dass die Verwendung unwirksamer Vertreterklauseln in der Wahlleistungsvereinbarung kein Kavaliersdelikt ist, musste vor kurzem ein Chefarzt erkennen: Nur gegen Zahlung von 150.000 Euro an gemeinnützige Organisationen waren Staatsanwaltschaft und Gericht bereit, das Strafverfahren wegen gewerbsmäßigen Betrugs einzustellen (Land­gericht Aschaffenburg, 29. Oktober 2013, Az. 104 Js 13948/07, nicht veröffentlicht). Dieser Beitrag zeigt, worauf Chefärzte und Kliniken jetzt achten sollten.

Benennung des Vertreters in der Wahlleistungsvereinbarung 

Nach Ansicht des Gerichts ist die Vertreterregelung in § 4 GOÄ eng an deren Wortlaut auszulegen. Da der ständige Vertreter dort im Singular auftauche, dürfe nur ein einziger ständiger Vertreter benannt werden. Dieser könne nur bei unvorhergesehener Vertretung tätig werden. Bei vorhersehbar notwendiger Vertretung bedürfe es jedoch einer individuellen Vertreterverein­barung.

Gericht ging von 44 unwirksamen Vertretungsfällen aus 

Da der Chefarzt bzw. die Klinik im vorliegenden Fall sechs Vertreter benannt hatte, liege ein Verstoß gegen § 4 GOÄ vor. Zudem hatte sich der Chefarzt auch bei vorhersehbarer Abwesenheit vertreten lassen, ohne hierfür individuelle Vertretervereinbarungen nachweisen zu können. Insgesamt ging das Gericht von 44 unwirksamen Vertretungsfällen und Abrechnungen aus.

Einordnung des Urteils 

Die Ansicht des Landgerichts ist durchaus umstritten. Vielfach wird es zum Beispiel als zulässig angesehen, dass ein Chefarzt mit verschiedenen Teilbereichen für jeden Teilbereich einen eigenen Vertreter benennen darf. Trotzdem sollten Chefärzte und Klinikleitungen bestehende Vereinbarungen über­prüfen und sie – falls nötig – nach den folgenden Maßgaben aktualisieren:

1. Unvorhergesehene Abwesenheit 

Der in der Wahlleistungsvereinbarung benannte Vertreter darf nur bei unvorhergesehener Abwesenheit des Chefarztes tätig werden.

2. Vorhersehbare Abwesenheit 

Individuelle Vertretervereinbarungen für Fälle vorhersehbarer Abwesenheit sollten mindestens Grund und Dauer der Abwesenheit benennen und dem ­Patienten explizit die Wahl zwischen folgenden Möglichkeiten eröffnen:

  • Behandlung durch einen sonstigen Arzt ohne Abrechnung der Wahlleistung,
  • Vertretung durch einen individuell benannten Arzt oder
  • Behandlung durch den Chefarzt nach seiner Rückkehr, sofern das Warten medizinisch vertretbar ist.

Entsprechende Vereinbarungen können nach hiesiger Ansicht auch für besonders qualifizierte Krankenhaus- oder externe Ärzte abgeschlossen werden, von denen sich der Patient behandeln lassen möchte.

Die Dokumentation der Vertretervereinbarungen sollte überprüft und eventuell eine Dienstanweisung für ärztliche/nichtärztliche Mitarbeiter formuliert werden.