von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Rainer Hellweg, armedis Rechtsanwälte, Hannover, www.armedis.de
Immer wieder wird aus Krankenhäusern berichtet, dass durch die radiologische Abteilung Bilder an den auftraggebenden Klinikarzt ohne Befundung übermittelt werden. Gründe für die unterlassene Befundung können zum Beispiel ein zu geringes Personalbudget oder temporäre personelle Engpässe sein. Doch Vorsicht: Hieraus folgt ein erhebliches Haftungsrisiko! Dieses betrifft nicht nur den Krankenhausträger und den Chefarzt der Radiologie, sondern auch die Chefärzte der auftraggebenden Abteilungen.
Im radiologischen Zentrum eines bekannten Großklinikums wurden aufgrund eines zu geringen Personalbudgets bis zu 100 konventionelle Röntgenaufnahmen (Thorax, Abdomen, Skelettsystem) von den zuständigen Radiologen ohne Befundung übermittelt. Die unterbliebene Befundung wurde von den Radiologen auch später nicht nachgeholt.
So blieb es allein den behandelnden Ärzten der auftraggebenden Abteilung überlassen, das Röntgenbild des Patienten zu bewerten. Bei ihnen bestand naturgemäß die Tendenz, sich auf das eigene Fachgebiet zu beschränken. Auf diese Weise kam es immer wieder vor, dass zum Beispiel Tumore der Lunge als Zufallsbefund erst verspätet entdeckt wurden, da sich die Chirurgen auf ihr operatives Zielgebiet fokussiert und auch die Anästhesisten den Zufallsbefund der Lunge übersehen hatten.
Der Chefarzt hat in seiner Abteilung eine hervorgehobene Stellung. Er ist der medizinisch Gesamtverantwortliche in seinem Bereich und hat hierdurch auch weitreichende Organisationspflichten. Diese umfassen auch die Abläufe innerhalb seiner Fachabteilung, so die Rechtsprechung.
Dass eine durchgeführte Röntgenuntersuchung befundet wird, dürfte genuin als radiologische Leistung und Aufgabe anzusehen sein. Danach wäre der haftungsrechtliche, lege artis zu erwartende medizinische Standard nicht erfüllt, wenn allein der auftraggebende Arzt das Röntgenbild befundet, die Begutachtung durch den Radiologen jedoch unterbleibt und auch nicht nachgeholt wird. Wird hierdurch ein reaktionspflichtiger Befund nicht entdeckt, liegt ein Haftungsanspruch des Patienten nahe.
Im Arzthaftungsprozess kann der Chefarzt kaum argumentieren, aufgrund knapper Kassen und dadurch fehlender Radiologen sei das geschilderte Vorgehen unumgänglich gewesen bzw. die Praxis sei der Krankenhausleitung bekannt gewesen und ihr gegenüber mehrfach angemahnt worden. Der Patient könnte in einem Prozess nämlich Folgendes entgegenhalten: Der Chefarzt habe die medizinische Gesamtverantwortung und sei auch für die Organisation verantwortlich – Unstimmigkeiten über die Verteilung der wirtschaftlichen Ressourcen dürften nicht zulasten der Patienten gehen.
Praxishinweis |
Anders als im Strafprozess, bei dem es auf die subjektive Vorwerfbarkeit ankommt, gilt im Zivilrecht ein objektiver Sorgfaltsmaßstab. Dies bedeutet: Unabhängig von der finanziellen Situation der Klinik und den personellen Ressourcen darf der Patient eine medizinische Behandlung lege artis erwarten. Je nachdem, wie lange und in welchem Ausmaß die radiologischen Befundungen unterblieben sind, drohen dem Chefarzt in einem Prozess sowohl zivil- als auch strafrechtliche Folgen. |
Das rechtliche Risiko beschränkt sich aber nicht allein auf Chefärzte der Radiologie. Wenn die Nichtbefundung häufig vorkommt oder sogar zur Regel wird, Chefärzte der auftraggebenden Abteilung gleichwohl die Patienten behandeln, können auch sie wegen einer Verletzung ihrer Organisationspflichten haftbar gemacht werden. Dies gilt vor allem dann, wenn die Vorgehensweise in der Klinik allgemein bekannt ist und es hierdurch vielleicht sogar schon zu Behandlungsfehlern gekommen ist.
Im ersten Schritt sollte der Chefarzt einen entsprechenden Missstand sehr deutlich gegenüber der Klinikleitung anzeigen und gegebenenfalls auf fehlende finanzielle oder personelle Ressourcen hinweisen. Diese Korrespondenz sollte schriftlich erfolgen, um sie später belegen zu können. Zudem sollte der Chefarzt das ihm zur Verfügung stehende Druckpotenzial auf die Klinikleitung bei akuter Patientengefährdung voll ausnutzen. Nach dem Grundsatz des Übernahmeverschuldens gilt: Wer als Arzt eine Behandlung übernimmt, obwohl die erforderliche personelle oder sachliche Ausstattung fehlt, kann sich haftbar machen. Hierauf und auf das haftungsrechtliche Risiko der Klinik sollte der Chefarzt die Geschäftsführung hinweisen und auf entsprechenden Änderungen bestehen – ansonsten sitzt er mit in der Haftungsfalle.
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