Versetzung auch nach fast 20-jähriger Tätigkeit an einem Ort möglich

von RA, FA für MedizinR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Dortmund, kanzlei-am-aerztehaus.de

Mitarbeiter eines Krankenhauses können in den Grenzen des Direktionsrechts an einen anderen Standort versetzt werden. Ist arbeitsvertraglich eine Versetzungsmöglichkeit vorgesehen, steht auch eine langjährige Tätigkeit der Versetzung nicht entgegen. Dies gilt selbst dann, wenn der bisherige Arbeitsort im Vertrag als Ort der Arbeitsleistung hinterlegt ist (Landesarbeitsgericht [LAG] Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.11.2019, Az. 8 Sa 28/19, Abruf-Nr. 214424 ). Das Urteil betrifft einen Anäthesiepfleger, ist aber auch für Ärzte relevant.

Der Sachverhalt

Ein Anästhesiepfleger klagte gegen seinen Arbeitgeber. Seine Arbeitsleistung hatte er 16 Jahre lang an dem Standort erbracht, der arbeitsvertraglich als Arbeitsort benannt war. Nachdem er sich erfolgreich in einem separaten Verfahren gegen eine fristlose Kündigung gewehrt hatte, versetzte ihn der Krankenhausträger mit Zustimmung der Mitarbeitervertretung an einen anderen Standort. Für den Kläger verlängerte sich der tägliche Arbeitsweg von 10 km auf 37 km. Außerdem erlitt er finanzielle Einbußen. Bislang hatte er sechs bis acht separat vergütete Rufbereitschaftsdienste im Monat absolviert. Am neuen Standort gab es nur eine Anwesenheitsbereitschaft, zu der neue Mitarbeiter erst nach einer Einarbeitungszeit von mindestens sechs Monaten herangezogen wurden. Daher erzielte der Kläger im Anschluss an die Versetzung zunächst keine separaten Einnahmen. Auch seit der Zuweisung von Bereitschaftsdiensten war sein Einkommen hieraus immer noch geringer als zuvor. Der Kläger begehrte die Wiederbeschäftigung am alten Standort und Schadenersatz in Höhe der entgangenen Einkünfte aus den Rufbereitschaftsdiensten. Die Versetzung entspreche weder dem Arbeitsvertrag noch billigem Ermessen, sondern sie sei eine Strafversetzung. Der Träger entgegnete, die Stelle am neuen Standort sei kurzfristig vakant geworden und habe nicht anders besetzt werden können. Wie schon die Vorinstanz gab das LAG dem Arbeitgeber Recht.

Die Entscheidungsgründe

Das Gericht war der Auffassung, der Arbeitsort sei aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien nicht festgelegt. Das vertragliche Weisungsrecht des Klinikträgers umfasse durchaus die Befugnis, dem Kläger einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen. Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindere regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung. Es mache daher keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet werde und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 Gewerbeordnung (GewO) vorbehalten bleibe oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart werde. In diesem Fall werde lediglich klargestellt, dass § 106 S. 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll.

Auch die langjährige Tätigkeit an einem Arbeitsort begründe – allein – keine Konkretisierung auf einen bestimmten Arbeitsort. Da der Arbeitgeber hier auf ein ihm zustehendes Weisungsrecht verzichten würde, müssten weitere Anhaltspunkte darauf schließen lassen, dass der Arbeitgeber einer solchen Vertragsänderung zugestimmt hat. Es müsse sich um Umstände handeln, anhand derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen dürfe, dass er nicht in anderer Weise bzw. an einem anderen Arbeitsort eingesetzt werden soll. Daran fehlte es nach Auffassung des LAG vorliegend. Selbst wenn man den Arbeitsvertrag des Klägers so verstünde, dass er einen Standort als Ort der Arbeitsleistung festlegte, wäre die Versetzbarkeit des Klägers schon aufgrund des vereinbarten Versetzungsvorbehalts (in den Arbeitsvertragsrichtlinien) zu bejahen.

Die Versetzung halte sich im Übrigen im Rahmen des billigen Ermessens. Dabei sei nicht stets der optimale Ausgleich zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen erforderlich. Erst wenn der Arbeitgeber zu einer Maßnahme gegriffen habe, die deutlich über das verfolgte Ziel hinausschieße und die Maßnahme den Arbeitnehmer damit unnötig belaste, könne sie gegen billiges Ermessen verstoßen. Da am neuen Standort eine Stelle vakant war und der Kläger – nach dem gewonnenen Kündigungsrechtsstreit – wieder beschäftigt werden musste, am alten Arbeitsplatz aber eine andere Mitarbeiterin eingesetzt war, stufte das LAG die Entscheidung als nachvollziehbar und damit „im billigen Ermessen“ ein. Eine „Strafversetzung“ liege daher nicht vor. Auch ein Anfahrtsweg von 37 km in Relation zu vormalig 10 km sei zumutbar.

Ein Schadenersatzanspruch für entgangene Einkünfte aus Rufbereitschaften scheitere daher schon daran, dass keine pflichtwidrige Versetzung vorlag. Im Übrigen stelle die Einteilung zu Bereitschaftsdiensten weder eine Gegenleistung für die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit des Klägers dar, noch habe der Krankenhausträger dem Kläger einen Anspruch auf Einteilung zu Bereitschaftsdiensten im Arbeitsvertrag eingeräumt.

Praxistipp

Der vorliegende Fall steht sicher auf der Grenze und hätte mit guten Argumenten auch anders entschieden werden können. Dies aber zeigt das Risiko auf Arbeitnehmerseite. Wer nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig werden möchte, sollte dies arbeitsvertraglich unmissverständlich fixieren. Damit aber geht ein anderes Risiko einher: Die abverlangte Flexibilität eines Versetzungsvorbehalts bedeutet eine entsprechende stärkere Sicherung des Arbeitsverhältnisses im Falle betriebsbedingter Kündigungen, weil im Rahmen der Sozialauswahl die Arbeitnehmer auf allen infrage kommenden Arbeitsplätzen einzubeziehen sind. Im Umfang der Versetzungsmöglichkeiten hat der Arbeitgeber zudem zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Hier ist also sorgsam abzuwägen.