Urteil zur Fachgebietsgrenze Radiologie: (hier) kein Diagnosefehler des Pneumologen

von RA, FA MedR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, christmann-law.de

Die Durchführung und Befundung von Röntgenaufnahmen fällt nicht ausschließlich in das Fachgebiet der Radiologie. Für pneumologische Sachverhalte fallen diese Tätigkeiten auch in das Fachgebiet der Inneren Medizin und der Pneumologie. Der Pneumologe darf – im Gegensatz zu einem Allgemeinarzt – die Bilder anfertigen und auswerten, hat das Landgericht (LG) Flensburg entschieden (Urteil vom 02.08.2019, Az. 3 O 198/15). Pneumologen sollten jedoch in Zweifelsfällen ein radiologisches Konsil hinzuziehen.

Sachverhalt

Ein in einem MVZ tätiger Pneumologe übersah auf Röntgenbildern des Thorax, die er Anfang 2014 angefertigt hatte, einen Lungenkrebs. Der Patient verstarb später an diesem Lungenkrebs. Die Erben des Patienten warfen dem MVZ und dem Pneumologen einen Diagnosefehler vor und verlangten Schmerzensgeld für das Leid des verstorbenen Patienten.

Entscheidungsgründe

Im Ergebnis wies das LG Flensburg die Klage als unbegründet ab. Denn das Übersehen der Krebserkrankung sah das LG Flensburg nicht als vorwerfbaren Diagnosefehler an. Das Gericht hatte zwei Ärzte als Sachverständige hinzugeholt, einen Pneumologen und einen Radiologen.

Zwar hatte der vom Gericht hinzugezogene Radiologe später auf denselben Bildern einen Lungentumor festgestellt. Allerdings hatte der vom Gericht ebenfalls als Sachverständiger hinzugezogene Facharzt für Pneumologie keinen Krebs auf den Bildern erkannt. Maßgeblich ist für einen Arzt nach allgemeiner Ansicht in der Rechtsprechung immer der Facharztstandard seines Fachbereichs, solange der Arzt sich bei seiner Tätigkeit in seinem Fachgebiet bewegt. In dem Fall habe der beklagte Pneumologe sich bei der Anfertigung und der Auswertung des Röntgen des Thorax noch in seinem Fachgebiet bewegt (und nicht etwa die Fachgebietsgrenze zum Facharzt für Radiologie überschritten), so das LG Flensburg.

Zwar sei die Röntgendiagnostik in der einschlägigen Weiterbildungsordnung der Pneumologen nicht erwähnt (wohl aber in der der Radiologen). Eine eigene Anfertigung und Befundung von Röntgenbildern durch einen niedergelassenen internistischen Pneumologen sei aber – so der Sachverständige – üblich, wenn auch rückläufig. Aus ärztlicher Sicht sei nicht festzustellen, dass ein Pneumologe keine Röntgenbilder befunden dürfe. Es sei aber eine schwierige Diagnostik. Der Sachverständige gab an, er selbst lasse in Facharztprüfungen für Innere Medizin und Pneumologie auch Röntgenbilder bewerten.

Nach alldem konnte das LG Flensburg nicht feststellen, dass die Durchführung und Befundung einer Röntgenaufnahme allein in das Fachgebiet der Radiologie fällt, sondern für pneumologische Sachverhalte aufgrund einer bestehenden Übung auch in das Fachgebiet der Inneren Medizin und Pneumologie.

Fazit

Das Ergebnis steht im Einklang mit der Linie der herrschenden Rechtsprechung: Ein Diagnosefehler als (vorwerfbarer) Behandlungsfehler liegt danach nur vor, wenn die fehlerhafte Diagnose als in der gegebenen Situation objektiv unvertretbar und subjektiv unverständlich war. Dies war hier nicht der Fall, weil der als Sachverständiger herangezogene andere Pneumologe den Krebs ebenfalls nicht gesehen hatte.

Für den Pneumologen ist es der sicherste Weg, in solchen Fällen ein radiologisches Konsil hinzuzuziehen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass in einem anderen Streitfall vor Gericht ein anderer Gerichtssachverständiger die Fachgebiete anders definiert und das Röntgen allein den Radiologen zuschlägt. Sofern das Gericht dem Sachverständigen dann folgen sollte, führt dies dazu, dass die Auswertung durch den Pneumologen doch als fachgebietsfremd angesehen würde, womit man bei einem verwertbaren Diagnosefehler ankäme.

 

Weiterführende Hinweise