Überraschendes Urteil zur interventionellen Radiologie: Wer darf Leistungen erbringen?

von RA, FA MedizinR Kristian Schwiegk LL.M, Voß.Partner, Münster, voss-medizinrecht.de

Eine Angiologin wollte Katheterangiografien durchführen und abrechnen. Die Genehmigung dafür wollte sie durch ein Kolloquium gemäß Radiologie-Vereinbarung erwerben. Dies lehnte die zuständige KV ab, da die Genehmigung ausschließlich Radiologen vorbehalten sei. Dagegen klagte die Ärztin erfolgreich. Das Gericht befand, dass die beantragten Leistungen der interventionellen Radiologie auch dem Kernbereich der Angiologie zuzuordnen seien (Sozialgericht [SG] München, Urteil vom 25.10.2021, Az. S 28 KA 84/19).

Sachverhalt

Eine Fachärztin für Innere Medizin und Angiologie klagte gegen einen ablehnenden Bescheid ihrer KV. Die Ärztin wollte die Zulassung zu einem Kolloquium gemäß § 9 Abs. 5 der „Vereinbarung von Qualifikationsvoraussetzungen gemäß § 135 Abs. 2 SGB V zur Durchführung von Untersuchungen in der diagnostischen Radiologie und Nuklearmedizin und von Strahlentherapie“ (kurz: Radiologie-Vereinbarung) erwirken. Nach erfolgreicher Teilnahme sollte ihr dann die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Katheterangiografien sowie damit verbundene therapeutische Eingriffe (EBM-Nrn. 34283 bis 34287) erteilt werden. Gegen die Klage wehrte sich die KV mit dem Argument, dass die nach § 3 der Radiologie-Vereinbarung notwendige fachliche Befähigung nur durch die Facharztbezeichnung Radiologie nachgewiesen werden könne.

Entscheidungsgründe

Das SG München gab der Klage der Angiologin statt und begründete dies damit, dass die beantragten Leistungen der interventionellen Radiologie auch dem Kernbereich des Fachgebiets Angiologie zuzuordnen seien. Nach der geltenden Weiterbildungsordnung (WBO) der zuständigen Ärztekammer seien diese Leistungen (auch) spezifische Inhalte der Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin und Angiologie. Zudem spreche der Umstand, dass im stationären Bereich diagnostische Katheterangiografien und therapeutische Eingriffe häufig und mit hohen Fallzahlen von Angiologen durchgeführt werden, für die Zuordnung dieser Leistungen (auch) zum Kernbereich der Angiologie.

Zu keiner anderen Entscheidung führe die Tatsache, dass in der WBO keine Mindest- bzw. Richtzahlen für bestimmte Untersuchungs- und Behandlungsverfahren der interventionellen Radiologie als Abgrenzungskriterium des fachlichen Kernbereichs der Angiologie enthalten seien. Auch sei unschädlich, dass die Leistungen der interventionellen Radiologie (primär) zum Kernbereich des Fachgebiets Radiologie gehörten. Dies würde allein dazu führen, dass die fachliche Eignung von Radiologen kraft der Radiologie-Vereinbarung als gegeben erachtet werde. Andere Fachgruppen, wie z. B. die Angiologen, müssten die fachliche Eignung erst positiv nachweisen – wie hier durch erfolgreiche Teilnahme an einem Kolloquium.

Fazit

Das Urteil des SG München ist auf den ersten Blick, insbesondere aufgrund der anderslautenden Rechtsprechung des BSG zu ähnlich gelagerten Fällen auf dem Gebiet der MR-Angiografie, überraschend. Das BSG hatte bislang für die nachgelagerten Instanzgerichte und die KVen klar vorgegeben, dass der Radiologie-Vereinbarung die Priorisierung der Leistungen der interventionellen Radiologie auf entsprechend qualifizierten Ärzten für Radiologie zu entnehmen sei. Dies führe, so die Rechtsprechung des BSG, zu einem Ausschluss von Ärzten mit anderen Facharztqualifikationen. Die erforderliche Facharztqualifikation Radiologie könne nicht durch ein Kolloquium ersetzt werden (siehe Urteil des BSG vom 02.04.2014, Az. B 6 KA 24/13 R, Beitrag in RWF Nr. 05/2014).

Für die Rechtspraxis bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form diese Entscheidung auch bundesweit Schule machen wird. Nicht auszuschließen ist, dass die Entscheidung des SG München dazu führt, dass die Vertragspartner der Radiologie-Vereinbarung ein Festhalten am strengen Erfordernis der Facharztqualifikation Radiologie auf dem Gebiet der Abrechnungsgenehmigungen der interventionellen Radiologie hinterfragen werden. Einstweilen ist jedoch zu erwarten, dass sich lediglich die beklagte KV Bayerns an die Vorgaben des SG München halten wird (bzw. muss). Alle weiteren KVen werden sich (vermutlich) zunächst weiterhin an die Maßgabe der bisherigen BSG-Rechtsprechung halten.