Trotz neuem BAG-Urteil – Radiologen müssen bei Praxisübernahme Personal mit übernehmen

von RA, FA für MedR Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Die Übernahme einer Arztpraxis stellt nur in Ausnahmefällen ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB dar, wonach der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintreten muss. So lautet ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 22. Juni 2011 (Az: 8 AZR 107/10). Das Urteil wird in einigen Berichten so interpretiert, als seien damit die meisten Praxisübernehmer frei in ihrer Entscheidung, das bisherige Team zu übernehmen oder nicht. So pauschal stimmt das aber nicht – und schon gar nicht für Radiologen und Nuklearmediziner. Diese werden vom BAG als Ausnahmen explizit genannt. 

Fall und Urteil

In dem vom BAG entschiedenen Fall wurde einer Arzthelferin gekündigt, weil ihre Arbeitgeberin – eine Internistin – altersbedingt ihre Praxis aufgab. Sie verkaufte die Praxis an eine jüngere Ärztin, die wiederum gemeinsam mit einem Kollegen in ca. 10 Kilometer Entfernung ärztlich tätig wurde. Die Arzthelferin wandte sich gegen die Kündigung und machte insbesondere geltend, es liege ein Betriebsübergang vor, sodass ihr Arbeitsverhältnis auf die Nachfolgerin übergegangen sei. 

Das aber verneinte das BAG: Ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB habe nicht vorgelegen. Ein solcher liege vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Das sei hier nicht der Fall. 

Die gesamte Organisation einer von einem Arzt allein betriebenen Praxis sei auf die Person des Arztes zugeschnitten, insbesondere auf dessen inpiduelle Arbeitsweise. Die Arbeit einer Arztpraxis werden in der Regel durch die dort tätigen Personen, nicht durch die vorhandenen Betriebsmittel geprägt. Ausnahmen von diesem Grundsatz lägen dann vor, wenn eine Arztpraxis vor allem durch die vorhandenen medizinischen Geräte geprägt sei und die Praxis vor allem wegen der medizinischen Untersuchungs- bzw. Behandlungsgerätschaften aufgesucht werde (zum Beispiel radiologische oder nuklearmedizinische Praxen). 

Im vorliegenden Fall handele es sich aber um einen betriebsmittelarmen Betrieb, bei dem es auf ein „eingespieltes Mitarbeiterteam“ ankam. Ein solcher Betrieb könne zwangsläufig unter Aufrechterhaltung seiner Identität nur dann von einem Betriebserwerber fortgeführt werden, wenn dieses Mitarbeiterteam übernommen wird, weil dieses beim betriebsmittelarmen Betrieb identitätsbildend ist. Daran aber fehle es. 

Fazit

Das vorliegende BAG-Urteil stellt eine Besonderheit dar, da die „übernommene“ Praxis nicht am Standort verblieb, sondern mehrere Kilometer verlegt wurde. Auch wurden weder die Patientenkartei noch Inventar in nennenswertem Umfang übernommen. Daher ist Vorsicht vor einer Pauschalierung des Urteils geboten – maßgeblich bleibt der Einzelfall. Die typische Übernahme einer Einzelpraxis dürfte vor diesem Hintergrund nicht nur bei radiologischen oder nuklearmedizinischen, sondern auch bei auf den behandelnden Arzt zugeschnittenen Praxen nach wie vor als Betriebsübergang zu werten sein: Denn werden prägende Praxiselemente (Personal, Räume, Geräte, Patientenstamm) übernommen, liegt ein Betriebsübergang nach § 613a BGB vor, wodurch die Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten auf den Käufer übergehen, wenn die Arbeitnehmer nicht widersprechen.