Teilgemeinschaftspraxen von Radiologen und Allgemeinärzten nur in engen Grenzen unzulässig

von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Michael Frehse und RA Tim Hesse, Kanzlei am Ärztehaus, Münster, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Unter Abänderung eines landgerichtlichen Urteils hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe in einem mit Spannung erwarteten zweitinstanzlichen Urteil klargestellt, dass der Zusammenschluss von Allgemeinmedizinern und Radiologen in einer Teil-Berufsausübungsgemeinschaft (Teil-BAG) unter bestimmten Voraussetzungen verboten und dieses Verbot verfassungsmäßig nicht zu beanstanden ist (Urteil vom 27.6.2012, Az: 6 U 15/11). 

Stichwort: Teil-Berufsausübungsgemeinschaft (Teil-BAG)

Die Teil-BAG, auch Teilgemeinschaftspraxis genannt, ist ein auf ein bestimmtes Leistungsspektrum beschränkter Zusammenschluss von Arztpraxen zur gemeinsamen Patientenbehandlung. Die Teil-BAG muss keine eigenen Räume haben und kann überörtlich betrieben werden. Sie ist zulässig, soweit sie nicht gegen berufsrechtliche Regelungen, insbesondere gegen das Verbot der Zuweisung von Patienten gegen Entgelt nach § 31 der (Muster-)Berufsordnung (BO) für Ärzte, verstößt. Eine solche Umgehung liegt gemäß § 18 Abs. 1 BO zum Beispiel vor, wenn sich der Beitrag eines beteiligten Arztes auf das Erbringen medizinisch-technischer Leistungen auf Veranlassung der übrigen Mitglieder einer Teil-BAG beschränkt oder ihr Gewinn ohne Grund in einer Weise verteilt wird, die nicht dem Anteil der von den Gesellschaftern persönlich erbrachten Leistungen entspricht. Die Anordnung einer Leistung, insbesondere aus den Bereichen der Labormedizin, der Pathologie und der bildgebenden Verfahren, stellt dabei keinen Leistungsanteil dar. Verträge über die Gründung von Teilgemeinschaftspraxen sind der zuständigen Ärztekammer vorzulegen. 

 

Hintergrund

Im Fokus des Verfahrens stand eine seit 2006 existierende Teil-BAG von 30 Ärzten, darunter 4 Radiologen. Deren Gesellschafter hatten sich außerhalb ihrer bisherigen Praxis zusätzlich zur gemeinsamen standortübergreifenden privatärztlichen Tätigkeit verbunden, um unter dem Dach einer Partnerschaftsgesellschaft gemeinsame privatärztliche Leistungen zu erbringen. 

Nach dem Gesellschaftsvertrag der beklagten Teil-BAG wurde 1 Prozent des aus den Honorarumsätzen aller Gesellschafter erwirtschafteten Gewinns nach Köpfen, der Rest entsprechend des persönlich erbrachten Anteils der Partner an den gemeinschaftlichen Leistungen verteilt. Die reine Anordnung einer Leistung stellte dabei keine Leistung dar. 

Das ursprüngliche Urteil

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs hielt die Teil-BAG der Allgemeinmediziner und Radiologen für unzulässig und verklagte die Teil-BAG, die Weiterführung der Teil-BAG mit den betreffenden Radiologen zu unterlassen. Das Landgericht Mosbach entschied indes zugunsten der Ärzte, dass sich auch Radiologen, die ausschließlich medizinisch-technische Leistungen erbringen, an einer Teil-BAG mit anderen Ärzten beteiligen dürfen. Das Kooperationsverbot aus § 18 Abs. 1 Satz 3 der einschlägigen Berufsordnung (BO) sei verfassungswidrig, da die Regelung nicht den Anforderungen des Artikels 12 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz zum Schutz der Berufsfreiheit genüge (Urteil vom 22.12.2010, Az: 3 O 13/10). 

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe

Dem widersprachen die mit dem Berufungsverfahren befassten Richter des OLG Karlsruhe. Sie gaben dem Unterlassungsantrag der Klägerin statt und konstatierten, die Regelungen des § 18 Abs. 1 (Muster-)BO stünden mit der Verfassung, insbesondere dem grundrechtlichen Schutz der Berufsfreiheit, im Einklang. Da sie bezweckten, die Zuweisung eines Patienten an einen Leistungserbringer im Gesundheitswesen durch einen Arzt nicht an wirtschaftlichen Interessen, sondern allein daran auszurichten, was zum Wohl des Patienten medizinisch sinnvoll ist, seien sie durch sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt. 

Bei Teilgemeinschaftspraxen von Ärzten therapieorientierter und methoden-orientierter Fächer wie bei der beklagten Teilgemeinschaftspraxis sei die Umgehung des Verbots der Zuweisung gegen Entgelt tatsächlich besonders hoch. Die Untersagung einer solchen Form der Zusammenarbeit sei deshalb inhaltlich und darüber hinaus auch formell nicht zu beanstanden. Ein generelles Verbot des Zusammenschlusses als Teil-BAG zur Erbringung überweisungsgebundener medizinisch-technischer Leistungen mit überweisungsberechtigten Leistungserbringern bestehe dennoch nicht, betonten die Richter. Im zu beurteilenden Fall liege indes ein Verstoß gegen § 18 Abs. 1 Satz 3 der einschlägigen BO vor, weil sich der Beitrag der an der beklagten Teil-BAG beteiligten Radiologen tatsächlich auf die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen (hauptsächlich Knochendichtemessungen) auf Veranlassung der übrigen Gesellschafter der Teil-BAG beschränke. Hierin sehe die BO verfassungskonform eine Umgehung des Verbots der unerlaubten Zuweisung. 

Fazit

Nach dem nicht per Revision angreifbaren OLG-Urteil ist eine Teil-BAG unter Einbeziehung von Angehörigen sogenannter Methoden­fächer – etwa von Radiologen – nur zulässig, wenn sich deren Beitrag gerade nicht auf die Erbringung medizinisch-technischer Leistungen auf Veranlassung der übrigen Gesellschafter beschränkt. Vielmehr muss sie im Rahmen der Teil-BAG noch weitere abrechenbare ärztliche Leistungen erbringen und die Zusammenarbeit darf auch nicht aus anderen Gründen gegen § 31 BO verstoßen. Diese Bestätigung der berufsrechtlichen Regeln, mit deren Formulierung die Bundesärztekammer auf zahlreiche Zusammenschlüsse mit Ärzten medizinisch-technischer Fächer, zum Teil bundesweit und in großem Stil, reagiert hat, sorgt für Rechtssicherheit – nicht zuletzt deswegen, weil eine dem § 18 BO gleiche Regelung seit dem 1. Januar 2012 auch für die vertragsärztliche Versorgung gilt. 

Der Korridor zulässiger Zusammenarbeit in diesen Konstellationen ist schmal. Den Beteiligten ist eine sorgfältige Überprüfung aktueller Kooperationen sowie künftiger Zusammenschlüsse dringend anzuraten; Regelverstöße können zur Nichtigkeit der entsprechenden Verträge führen und zudem empfind­liche berufs- und wettbewerbsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.