Teil-BAG auch mit Ärzten, die ausschließlich ­medizinisch-technische Leistungen erbringen?

von RAen FAen für MedR Rita Schulz-Hillenbrand, www.schulz-hillenbrand.de und Dr. Tobias Scholl-Eickmann, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Das Landgericht (LG) Mosbach hat entschieden, dass auch Radiologen, die ausschließlich medizinisch-technische Leistungen erbringen, sich an einer Teil-Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) mit anderen Ärzten beteiligen dürfen. Die entgegenstehende Norm des § 18 Abs. 1 Satz 3 der Berufsordnung Ärzte Baden-Württemberg (BO) sei verfassungswidrig (Urteil vom 22.12.2010, Az: 3 O 13/10). Diese für Radiologen hochinteressante, aber noch nicht rechtskräftige Entscheidung wurde trotz seiner Brisanz bislang wenig kommentiert. 

Der Fall

Mehrere Ärzte hatten 2006 eine Teil-BAG gegründet, die in Form einer Partnerschaftsgesellschaft betrieben wird. Gesellschafter der Teil-BAG sind Ärzte, die sich außerhalb ihrer bisherigen Praxis zusätzlich zur gemeinsamen standortübergreifenden privatärztlichen Tätigkeit verbunden haben, um gemeinsame privatärztliche Leistungen zu erbringen. 2008 traten 14 weitere Ärzte, darunter vier Radiologen, der Teil-BAG bei. 

Nach dem Partnergesellschaftsvertrag setzt sich der Gewinn der Gesellschaft aus den Honorarumsätzen abzüglich der Kosten zusammen. Vom Gewinn wird 1 Prozent vorab nach Köpfen verteilt, um zu verdeutlichen, dass die Partner einen ideellen Anteil der gemeinsamen Leistung auch gemeinsam verteilen wollen. Der Restgewinn wird an die Partner entsprechend ihres persönlich erbrachten Anteils an den gemeinschaftlichen Leistungen verteilt; die reine Anordnung einer Leistung stellt dabei keine Leistung dar. 

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale) hält die Teil-BAG vor allem wegen Verstoßes gegen § 18 Abs. 1Satz 3 BO (siehe Kasten „Kennzeichen ...“ auf der Folge­seite) für unzulässig. Sie reichte Klage ein mit dem Ziel, die Weiterführung der Teil-BAG mit den betreffenden Radiologen zu untersagen. 

Kennzeichen und Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Teil-BAG

Teil-BAG – auch Teil-Gemeinschaftspraxis genannt – sind Zusammenschlüsse von Ärzten zur gemeinsamen Behandlung von Patienten. Dabei ist die Zusammenarbeit auf ein bestimmtes Leistungsspektrum beschränkt. Die beteiligten Ärzte arbeiten weiter in ihren Praxen. Die Teil-BAG muss keine eigenen Räume haben und kann überörtlich betrieben werden. 

Zulässig sind Teil-BAG, soweit sie nicht einer Umgehung des § 31 (Muster-)Berufsordnung (BO) dient. Danach ist es Ärzten nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Eine Umgehung dieser Regelung liegt nach § 18 Abs. 1 Satz 3 (Muster-)BO insbesondere dann vor, wenn sich der Beitrag eines ­Arztes auf die Erbringung medizinisch-technischer Leistungen auf Veranlassung der übrigen Mitglieder der Teil-BAG beschränkt. 

 

Die Entscheidung

Das LG Mosbach entschied zugunsten der Ärzte. In den Urteilsgründen ging das Gericht insbesondere auf folgende drei Aspekte ein: 

1. § 18 Abs. 1 Satz 3 BO ist ­verfassungswidrig

Nach Auffassung des Gerichts ist § 18 Abs. 1 Satz 3 BO verfassungswidrig. Die Regelung genüge nicht den Anforderungen, die Art. 12 Abs. 1 Satz 2 Grund­gesetz (GG) an ein formelles Gesetz stellt und könne daher keine Einschränkung der Berufsfreiheit begründen. Eine Umgehung des § 31 BO liege im Übrigen nicht vor. 

§ 18 Abs. 1 Satz 3 BO sei umfassender als § 31 BO: Das Verbot greife schon dann, wenn sich Ärzte zusammenschließen, bei denen die Tätigkeit nur eines Arztes auf das Erbringen medizinisch-technischer Leistungen beschränkt ist. Ob für die Zuweisung von Patienten – wie in § 31 BO aufgeführt – ein Entgelt oder andere Vorteile versprochen oder gewährt werden, ist unerheblich. 

Konkret bedeute dies, dass Radiologen, deren klassisches Betätigungsfeld das Erbringen medizinisch-technischer Leistungen auf Veranlassung anderer Ärzte sei, mit diesen Ärzten keine Teil-BAG eingehen dürften. Diese Einschränkung der Berufsfreiheit sei nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur durch formelles Gesetz zulässig. Diesen Anforderungen genüge § 18 Abs. 1 Satz 3 BO als Kammersatzung nicht. Der Gesetzgeber hätte in der Ermächtigungsnorm – hier § 31 Abs. 2 Nr. 7 des Heilberufe-Kammergesetzes Baden-Württemberg – die wesentlichen Vorgaben selbst treffen müssen. 

2. Die Gewinnverteilung ist nicht unangemessen

Ungeachtet dessen sei es Ärzten nach § 31 BO verwehrt, Patienten gegen Entgelt zuzuweisen. Diese Norm biete ausreichend Schutz vor missbrauchsanfälligen Machtstrukturen, die von der Wettbewerbszentrale in derartigen Konstellationen befürchtet würden. 

Im Übrigen stehe auch die vereinbarte Gewinnverteilung mit den berufsrechtlichen Vorgaben in Einklang. Es sei nicht zu beanstanden, dass ein geringer Anteil in Höhe von 1 Prozent des Gewinns nach Köpfen verteilt werde, um die Bildung eines gemeinsamen ideellen Anteils zu dokumentieren. Unbedenklich sei, dass 99 Prozent des Gewinns nach dem persönlich erbrachten Anteil jedes Arztes verteilt werde, ohne dass der Gesellschaftsvertrag diesen konkretisiere. Diese Regelung entspreche der Vorgabe in § 18 BO. 

3. Gegen § 31 BO wurde nicht verstoßen

Ein Verstoß gegen § 31 BO (Verbot der Zuweisung gegen Entgelt) scheide aus, weil nach dem Gesellschaftsvertrag für die Anordnung einer Leistung gerade kein Gewinnanteil entstehe. Auch eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 1 Prozent, über die letztlich eine geringe Beteiligung an den Leistungen der jeweils anderen Ärzte erfolge, sei unbedenklich. 

Anmerkungen

Auf den ersten Blick eröffnet das Urteil, sollte es rechtlich Bestand haben, neue Kooperationsmöglichkeiten für Radiologen. Teil-BAG zwischen therapeutischen und diagnostischen Fachgruppen stünden keine rechtlichen Hürden mehr entgegen. 

Der Zuwachs an Freiheit könnte unter Umständen jedoch teuer erkauft sein, worauf auch die Wettbewerbszentrale in dem Verfahren hingewiesen hat: Dem zuweisenden Arzt kommt eine Machtstellung zu, da er durch seine Zuweisungen erheblichen Einfluss auf den finanziellen Erfolg der überweisungsabhängigen Ärzte wie zum Beispiel Radiologen hat. Diese Machtstellung kann durch die Gründung von Teil-BAG noch potenziert werden. Wenn sich eine Vielzahl von Ärzten aus der Region zu solchen Gesellschaften zusammenschlössen und sich hinsichtlich der Zuweisung absprächen, käme ihnen eine kartellähnliche Machtstellung zu. Für den Radiologen bzw. den zuweisungsabhängigen Arzt ist die Zusammenarbeit und die „vereinbarte Gegenleistung“ dann nicht mehr freiwillig, sondern existenziell. 

Nicht auseinandersetzen musste sich das LG Mosbach mit dem Vertragsarztrecht. Hier ist in § 33 Abs. 2 Satz 3 Ärzte-ZV ausdrücklich niedergelegt, dass Teil-BAG im vertragsärztlichen Bereich zwischen Angehörigen der diagnostisch bzw. technisch-apparativen Fächer einerseits und Angehörigen der unmittelbar patientenbezogenen Fächer andererseits ausgeschlossen sind. Der Gesetzgeber hat dabei ausdrücklich die typischerweise gegebene Konfliktlage im Blick gehabt; problematische Abhängigkeitsverhältnisse sollen von Anfang an im Sinne einer patientenorientierten Versorgung verhindert werden. Die Interessenlage bzw. die Gefährdungslage besteht aber unabhängig davon, ob eine privat- oder vertragsärztliche Teil-BAG zugrunde liegt. 

Ausblick: Die Wettbewerbszentrale hat Berufung gegen das Urteil des LG Mosbach erhoben. Es wäre wünschenswert, wenn eine höchstrichterliche Entscheidung für Klarheit sorgen würde; gegebenenfalls wird im Anschluss der Gesetzgeber reagieren (müssen).