Strukturänderungen, Kooperationen, Teilungen: Wie kann sich der Chefarzt wehren?

von RA Norbert H. Müller, FA Arbeitsrecht und Steuerrecht, c/o Kanzlei Klostermann, Dr. Schmidt, Monstadt, Dr. Eisbrecher, Bochum

Spezialisierungen, Neustrukturierungen, Reorganisierung, Kooperationen, Teilungen und Verselbstständigungen: Das sind viele in jüngerer Zeit zunehmende Alltagsprobleme für Chefärzte und ihre Mitarbeiter. Die Krankenhäuser begründen dies meist mit „Maßnahmen zum Erhalt der Fachabteilung und/oder des Krankenhauses“ bis zur „Verbesserung der wirtschaftlichen Situation und Außenwirkung“. „Contrast Forum“ sagt Ihnen als Chefarzt, auf welche Argumente sich die Verwaltungen am ehesten berufen und welche Gegenargumente Sie bereithalten sollten.

1. Argument: Krankenhaus beruft sich auf sein Direktionsrecht

Das Krankenhaus beruft sich bei den Neustrukturierungen auf sein Weisungs- und Direktionsrecht.

Ihr Gegenargument: Ausgangspunkt Ihrer Absicherung ist zunächst Ihr inpidueller Chefarztvertrag. Die dort festgelegten Zuständigkeiten für Ihre Fachabteilung nebst der Behandlung aller dieser Abteilung zugehöriger Patienten stellen den Kernbereich des Beschäftigungsverhältnisses dar. Ein Eingriff in diesen Kernbereich – erst recht ein Entzug oder teilweiser Entzug und damit auch von einzelnen Leistungsspektren und/oder Geräten – ist nicht im Wege des Direktions- und/oder Weisungsrechts des Arbeitgebers möglich.

Über dieses Weisungsrecht steht dem Arbeitgeber lediglich die Möglichkeit der Konkretisierung vertraglich geschuldeter Tätigkeiten zu. Die Wegnahme und/oder Neuverteilung dieser Kernbereiche ist somit dem Weisungsrecht entzogen. Damit ist der Arbeitgeber nicht in der Lage, durch einseitige schriftliche Information – selbst wenn es gewichtige Gründe für eine solche Maßnahme geben mag – wirksam einen Entzug durchzusetzen.

Voraussetzung ist jedoch selbstverständlich, dass Sie sich „wehren“ und eine solche Maßnahme nicht schlicht einseitig akzeptieren.

Zumindest sollte die Wahrung der vertraglichen und damit auch gesetzlich normierten Rechte den Chefarzt in die Lage versetzen, eine derartige Maßnahme – wenn schon nicht verhindern – so doch in seinen Folgen zeitlich und/oder inhaltlich abzumildern.

2. Argument: Krankenhaus beruft sich auf die „Entwicklungsklausel“

Der Arbeitgeber beruft sich auf die Ausübung einer in den meisten Chefarztverträgen festgelegten „Entwicklungsklausel“.

Ihr Gegenargument: In den meisten Fällen sind die Entwicklungsklauseln für derartige Maßnahmen eher ungeeignet. Seit der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 finden die bisherigen AGB-Bestimmungen (Allgemeine Geschäftsbedingungen) nun auch im Arbeitsrecht Anwendung.

Dies hat zur Folge, dass – vorbehaltlich einer inpiduellen Einzelfallprüfung – in den allermeisten Chefarztverträgen in der Bundes­republik wohl unwirksame Entwicklungsklauseln enthalten sind. Zumindest gilt dieses bei den Verträgen, die vor 2002 geschlossen wurden. Dazu haben sich auch bereits verschiedene Gerichte geäußert und diese Klauseln als unwirksam qualifiziert.

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3. Argument: Die Umsetzung via Änderungskündigung

Letztlich verbleibt folglich in den dargestellten Konstellationen für den Arbeitgeber allenfalls noch die Möglichkeit, in den Kernbereich des Beschäftigungsverhältnisses durch eine Änderungskündigung einzugreifen.

Ihr Gegenargument: Diese ist nur fristgerecht – zumeist sechs Monate zum Quartalsende – möglich und auch nicht per se wirksam. Vielmehr unterfällt eine Änderungskündigung der vollen arbeitsgerichtlichen Kontrolle sowie zahlreichen weiteren formellen Anforderungen, die eine erhebliche Hürde für den Arbeitgeber mit sich bringen. Darüber hinaus werden auch an die Begründung hohe Anforderungen gestellt.

4. Argument: Neue Modelle sind günstiger

In den letzten Jahren hat auch eine weitere „Spielart“ Eingang in die Krankenhauspraxis gefunden: Einzelne Arbeitgeber haben im Interesse einer Einweiserbindung, teilweise auch auf „Druck“ niedergelassener Ärzte, Kooperationsverträge geschlossen, die niedergelassenen externen Ärzten die Möglichkeit eröffnet, eigene Patienten im Krankenhaus zu behandeln und zu operieren, im Übrigen jedoch in das Leistungsgeschehen und den Behandlungsablauf im Krankenhaus nicht eingebunden sind.

Ihr Gegenargument: Unabhängig davon, dass aufgrund zahlreicher inpiduell zu beurteilender Faktoren eine Unzulässigkeit derartiger Kooperationsverträge angenommen werden könnte (z. B. bei damit verbundener Überschreitung des Versorgungsauftrags oder selbstverständlich bei unzulässiger Zuweisung gegen Entgelt), bestehen für den betroffenen Chefarzt weitergehende Handlungsoptionen.

Auch in diesem Kontext gilt – unabhängig von wirtschaftlicher und organisatorischer sowie medizinischer Sinnhaftigkeit derartiger Maßnahmen –, dass dem Chefarzt vertraglich das Recht eingeräumt worden ist, sämtliche Patienten seiner Abteilung zu behandeln bzw. darüber mittels seines Weisungsrechts zu entscheiden, wer im Einzel­fall konkret welchen Patienten wann und wie behandelt. Diese vertraglichen Rechte des Chefarztes werden „ausgehebelt“ bzw. „missachtet“, wenn ein solcher Patient nicht vom Chefarzt, sondern von einem Externen betreut wird. Dieser ist – sofern er keinen Anstellungsvertrag mit dem Krankenhaus hat – nicht nachgeordneter Arzt der Abteilung. Er ist somit auch dem Weisungsrecht des Chefarztes entzogen. Damit bleibt der Chefarzt weiterhin organisatorisch und im Außenverhältnis als auch haftungsrechtlich für die Behandlung dieses Patienten seiner Abteilung verantwortlich.

Fazit: Chefarzt hat rechtlich viele Möglichkeiten

Dies führt dazu, dass der betroffene Chefarzt durchaus rechtlich erfolgversprechende Möglichkeiten hat, derartige Gestaltungen selbst dann zu vermeiden, wenn diese unter Umständen im Verhältnis zu den Kostenträgern zulässig sein mögen (wobei auch hier erhebliche Bedenken bestehen).

Sicherlich sollte dies nicht dazu dienen, alle sinnvollen und sachgerechten Kooperationen, die letztlich auch zum Wohle der eigenen Abteilung sein können, generell zu verhindern.

Es besteht jedoch bei Wahrung der eigenen Interessen durch eine „konstruktive Abwehrhaltung“ durchaus die Möglichkeit, beiden Seiten gerecht zu werden. Dies ist insbesondere auch aus dem Blickwinkel der Geschäftsführung des Krankenhauses sinnvoll, da nur bei hoher Akzeptanz derartiger Gestaltungen auch die hiermit verfolgten Ziele im Interesse aller Beteiligten wirklich erreicht werden können.