Strahlentherapeuten scheitern vor dem BSG

von RA Tim Hesse, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Mehrere Leser haben zu den zwei Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 4. Mai 2016 nachgehakt, die sich mit Rechtsfragen der Strahlentherapie befasst haben (siehe dazu schon RWF Nr. 6/2016 ). Zum einen bestätigten die Richter die Ablehnung der Abrechnungsgenehmigung für strahlentherapeutische Leistungen gegenüber einem Radiologen (Az. B 6 KA 13/15 R ). Zum anderen versagten sie einem Strahlentherapeuten endgültig die Anstellungsgenehmigung (Az. B 6 KA 24/15 R ). Hierzu die folgenden Einzelheiten:

Radiologe darf keine Strahlentherapie abrechnen 

Sämtliche Gerichte verneinten die Abrechnungsgenehmigung eines Radiologen in dem folgenden Fall (BSG, Urteil vom 4.5.2016, Az. B 6 KA 13/15 R).

Sachverhalt 

Ein Facharzt für Diagnostische Radiologie in der vertragsärztlichen Versorgung begehrte die Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung der Weichstrahl-/Orthovolttherapie nach den Nrn. 25310 und 25340 EBM. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) versagte diese mit der Begründung, dass strahlentherapeutische Leistungen für den Radiologen fachfremd und daher nicht abrechnungsfähig seien.

Entscheidungsgründe 

Das BSG stellte fest, dass der Radiologe nach der für ihn geltenden Weiterbildungsordnung (WBO) eingehende Kenntnisse lediglich im Strahlenschutz und in der Indikation für Strahlentherapie erworben habe. Das frühere Teilgebiet der Radiologie „Strahlenheilkunde“ war in der WBO als eigenes Fachgebiet ausgewiesen. Die insoweit erforderliche Weiterbildung habe der Arzt nicht absolviert.

Ob er die besonderen Voraussetzungen erfüllt, unter denen die Qualitätssicherungsvereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie ungeachtet einer einschlägigen Facharztweiterbildung eine Leistungserbringung ermöglicht, ließen die Richter offen.

Stellungnahme: Von der KV ist keine Kulanz mehr zu erwarten 

Das Ablehnungsurteil reiht sich in eine Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen ein, die allesamt die Bedeutung der Fachgebietsgrenzen für die Genehmigung der Leistungsdurchführung und -abrechnung in der vertragsärztlichen Versorgung betonen. Mit Kulanzentscheidungen der KV ist daher wohl künftig kaum noch zu rechnen. Welche ärztlichen Leistungen zu einem Fachgebiet gehören, beurteilt sich vor allem nach der jeweiligen Gebietsdefinition in der WBO.

Praxishinweis

Für die Zukunft: Aus der unbeanstandeten Abrechnung bestimmter Leistungen über einen längeren Zeitraum erwächst für Vertragsärzte kein Recht, auch künftig entsprechend abrechnen zu dürfen.

Für die Vergangenheit: Etwas anderes kann sich aus Gründen des Vertrauensschutzes nur ergeben, wenn eine KV für einen längeren Zeitraum die systematisch fachfremde Tätigkeit eines Vertragsarztes wissentlich geduldet hat.

Selbst einen solchen Vertrauenstatbestand kann die KV allerdings durch den Hinweis auf künftige Änderung der Verwaltungspraxis vergleichsweise einfach beseitigen; die Genehmigungsaufhebung dürfte hierfür ausreichen.

 

BSG bestätigt Entscheidungsmoratorium zur Bedarfsplanung 

Im Jahr 2012 hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entschieden:

  • Auch Arztgruppen, denen bundesweit nicht mehr als 1.000 Ärzte angehören (darunter die Strahlentherapeuten), werden von 2013 an in die Bedarfsplanung einbezogen.
  • Über Zulassungsanträge von Ärzten dieser Gruppen und Anträge auf Anstellungsgenehmigungen soll erst entschieden werden, wenn vom zuständigen Landesausschuss festgestellt worden ist, ob im jeweiligen Planungsbereich Überversorgung besteht und dementsprechend Zulassungsbeschränkungen angeordnet werden.

Zu diesem Moratoriumsbeschluss kam es zu folgender Auseinandersetzung (BSG, Urteil vom 4.5.2016, Az. B 6 KA 24/15 R).

Sachverhalt 

Ein bayerischer Strahlentherapeut begehrte die Erteilung einer Anstellungsgenehmigung. Der zuständige Landesausschuss hatte für die Gruppe der Strahlentherapeuten und den maßgebenden Planungsbereich (KV-Bezirk) Zulassungsbeschränkungen angeordnet. Er lehnte deshalb den Genehmigungsantrag ab. Hiergegen wehrte sich der Arzt ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe 

Das BSG bestätigte, dass der Strahlentherapeut aufgrund des Moratoriumsbeschlusses, der anschließenden Neufassung der Bedarfsplanungsrichtlinie und der auf dieser Grundlage durch den zuständigen Landesausschuss angeordneten Zulassungsbeschränkungen keinen Anspruch auf die begehrte Genehmigung habe.

Der G-BA sei berechtigt, auch kleine Arztgruppen in die Bedarfsplanung einzubeziehen.

Das Entscheidungsmoratorium selbst (unter www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1558/) sei rechtlich ebenso wenig zu beanstanden. Nur dadurch habe verhindert werden können, dass sich eine bereits bestehende Überversorgung in dem Zeitraum, der zur Entscheidung über die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen erforderlich war, weiter erhöhte.

Dass der G-BA den Grad der bedarfsgerechten Versorgung auf Stichtags-Basis bestimmt, war nach Ansicht des Gerichts in Ordnung. Bis dahin existierte auch kein allgemein anerkanntes Verfahren für die Ermittlung der bedarfsgerechten Versorgung.

Von dem durch den Gesetzgeber vorgezeichneten Stichtagsverfahren ist der G-BA allerdings abgewichen, indem er den tatsächlich zum Stichtag bestehenden Versorgungsgrad nicht als bedarfsgerechten Versorgungsgrad (100 Prozent) definiert hat. Vielmehr hat er den Versorgungsgrad mit 110 Prozent und damit an der Grenze zur Überversorgung festgelegt, ohne dass dieser Prozentsatz mit entsprechenden Daten hinterlegt wäre. Auf die Entscheidung im geschilderten Strahlentherapeuten-Verfahren wirke sich diese Kompetenzüberschreitung angesichts eines Versorgungsgrades von etwa 160 Prozent jedoch nicht aus.

Stellungnahme: Gesamter KV-Bezirk ist kein Planungsbereich? 

Soweit der G-BA für alle neu in die Bedarfsplanung einbezogenen Arztgruppen einschließlich der Ärzte mit unmittelbarem Patienten-Kontakt gleichermaßen den gesamten KV-Bezirk (vorliegend das Bundesland Bayern) als Planungsbereich festgelegt hat, konnten die BSG-Richter dafür keine ausreichenden sachlichen Gründe erkennen. Der G-BA wird deshalb seine Entscheidung in diesem Punkt jeweils bezogen auf die einzelnen neu beplanten Arztgruppen bis Ende 2017 zu überprüfen haben. Dabei ist eventuell der Demografiefaktor bei den neu beplanten Arztgruppen zu berücksichtigen.

Weiterführender Hinweis