Starre Vorgaben der Eintreffzeit – und aus Rufbereitschaft wird Bereitschaftsdienst!

von RA Dr. Tobias Eickmann und Marion Bickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Frehse Mack Vogelsang, Dortmund/Münster, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Während auf europäischer Ebene intensiv über die EU-Arbeitszeitrichtlinie und deren Auswirkungen auf den ärztlichen Bereitschaftsdienst diskutiert wird, hat auf nationaler Ebene das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln am 13. August 2008 ein bislang wenig beachtetes Urteil zu dieser Thematik gefällt (Az: 3 Sa 1453/07). Demnach ist ein Arbeitgeber nicht berechtigt, Rufbereitschaft anzuordnen, wenn er zugleich den Aufenthaltsort des Arztes in (zu) beschränkender Weise durch Vorgabe einer starren Eintreffzeit mittelbar festlegt. Die Entscheidung stellt erstmalig fest, dass die in unzulässiger Weise als Rufbereitschaft erbrachten Dienste im Rechtssinn als Bereitschaftsdienst zu werten und entsprechend zu vergüten sind.

Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Oberarzt geklagt, der arbeitsvertraglich zur Erbringung von Rufbereitschaftsdiensten verpflichtet war. Während seiner Nachtdienste musste er sich dazu an einem Ort aufhalten, der ihm im Bedarfsfalle eine Arbeitsaufnahme binnen 15 Minuten erlaubte. Nach seiner Ansicht hat es sich bei der von ihm geleisteten Rufbereitschaft rechtlich um Bereitschaftsdienste gehandelt, weil er durch die starre Eintreffzeit in seiner räumlichen Bewegungsfreiheit derart eingeschränkt sei, dass der Arbeitgeber seinen Aufenthaltsort praktisch bestimme.

LAG Köln: Entscheidungsgründe

Das LAG Köln folgte der Argumentation des Arztes. Die Richter stellten in ihrer Begründung auf die freie Bestimmung des Aufenthaltsortes als maßgebliches Differenzierungskriterium zwischen der Rufbereitschaft und dem Bereitschaftsdienst ab. Nur, wenn es dem Arbeitnehmer möglich sei, „sich um persönliche oder familiäre Angelegenheiten zu kümmern, beispielsweise an kulturellen oder sportlichen Veranstaltungen teilzunehmen“, seien die Voraussetzungen der Rufbereitschaft erfüllt. Die freie Wahl des Aufenthaltsortes sei daher an räumlichen und zeitlichen Vorgaben zu messen.

Eine Vorgabe, die den Arbeitnehmer verpflichte, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes seine Arbeit aufzunehmen, zwinge ihn faktisch, sich an einem bestimmten Ort in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes aufzuhalten. Dies bedinge zugleich eine immense Einschränkung seines räumlichen Verfügungsrechtes. Eine Zeitvorgabe von weniger als 20 Minuten zwischen Abruf und Arbeitsaufnahme habe eine derart enge zeitliche und mittelbar auch räumliche Bindung des Arbeitnehmers zur Folge, dass dies mit dem Wesen der bei erfahrungsgemäß geringem Arbeitsanfall zulässigen Rufbereitschaft unvereinbar sei. Infolgedessen seien die von dem Arzt geleisteten Dienste allesamt als Bereitschaftsdienst anzusehen und entsprechend zu vergüten.

Fazit: Höhere Vergütung für Bereitschaftsdienst einfordern

Grundsätzlich schien die Rechtslage hinsichtlich der Frage, ob der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer eine bestimmte Zeitvorgabe für die Arbeitsaufnahme machen darf, wenn er Rufbereitschaft anordnet, durch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2002 geklärt. Das Gericht stellte damals fest, dass eine Eintreffzeit von 20 Minuten unzulässig sei. Diese Rechtsprechung schreibt das Landesarbeitsgericht Köln in seiner rechtskräftigen Entscheidung nun fort – zugunsten der angestellten Krankenhausärzte. Demnach ist auch eine 15-minütige Eintreffzeit zeitlich zu eng umrissen.

Beachtenswert ist allerdings, dass die unzulässige Anordnung der Rufbereitschaft zwangsläufig als Bereitschaftsdienst zu werten und entsprechend höher zu vergüten ist. Krankenhausärzte, die von ähnlich engen zeitlichen Vorgaben für die Arbeitsaufnahme während ihrer Rufbereitschaft betroffen sind, sollten unter Hinweis auf das Urteil des LAG Köln rückwirkend eine Vergütung ihrer Dienste als Bereitschaftsdienste schriftlich geltend machen.

Dabei ist zu beachten, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis – hierzu zählen auch Ansprüche auf ausstehende Vergütung des Bereitschaftsdienstes – regelmäßig Ausschlussfristen unterliegen. Ebenso wie die im Fall des LAG Köln anwendbaren „Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR)“ sehen auch andere Tarifverträge Ausschlussfristen für die Geltendmachung bestehender Ansprüche von meist sechs Monaten vor.