Spitzenmedizin in die Breite tragen am Beispiel der Neuroradiologie

von Prof. Dr. med. Adrian Ringelstein, Sektionsleitung Neuroradiologie, Kliniken Maria Hilf GmbH, Mönchengladbach

Im Zuge der Entwicklung zu einer zentrumsbasierten Spitzenmedizin stellt sich die Frage nach einer wohnortnahen, finanzierbaren und gleichzeitig kompetenten Versorgung. Am Beispiel der Neuroradiologie wird gezeigt, wie Spezialkompetenzen aus einem maximalversorgenden Krankenhaus anderen Teilnehmern im Gesundheitswesen sektorübergreifend zur Verfügung gestellt werden können.

Ausgangslage und Bedarf

Im Jahr 2017 wurde die Sektion Neuroradiologie in die Klinik für Radiologie der Kliniken Maria Hilf GmbH Mönchengladbach integriert. Die Herausforderung bestand darin, diese Spezialkompetenz den Kollegen

  • im Haus,
  • in Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung und
  • in der Niederlassung (zunächst regional)

zur Verfügung zu stellen. Grundsätzlich ist es für alle Teilnehmer im Gesundheitswesen mühevoll, Spezialkompetenzen vorzuhalten. Je kleiner die teilnehmende Einheit ist, desto schwieriger ist es, das gesamte Spektrum der medizinischen Expertise abzubilden. Daraus wurde ein Unterstützungsbedarf abgeleitet, der sich im Nachhinein auch bestätigte.

Sicherung der internen Qualität

Zunächst wurde ein Konzept zur Sicherung der internen Qualität entwickelt, und zwar im 24-Stunden-Dienstbetrieb. Zu diesem Zweck wurde ein Kommunikationssystem etabliert, das den Kollegen im Krankenhaus einen Pool neuroradiologisch ausgebildeter Kollegen anbot, die in die Lage versetzt wurden, jederzeit und von überall spezielle Fragestellungen zu beantworten und Entscheidungshilfen zu bieten.

Diese Option vermittelte jungen Kollegen Sicherheit und stärkte den Mut, beispielsweise auch als junger Oberarzt neuroradiologische Interventionen durchzuführen. Das wiederum ermöglichte dem Krankenhaus die erfolgreiche Erlangung bestimmter Zertifizierungen und die Etablierung von Kompetenzzentren.

Gleichzeitig sanken die Personalkosten für die Hintergrunddienste, weil sich die Einsatzzeiten verkürzten und keine Vor-Ort-Zweitbefundung im Krankenhaus nötig war. Auch subjektiv sank die Dienstbelastung, obwohl häufiger mit den Kollegen im Krankenhaus kommuniziert wurde. Das neue System „befreit“ den Hintergrunddienst von den „Fesseln“ eines VPN-Tunnels und beschleunigt die Kommunikation deutlich.

Datenschutzgerechte Lösung

Bei solchen Anfragen werden in vielen Krankenhäusern wider besseren Wissens handelsübliche Messenger genutzt, auch wenn deren Einsatz aus Datenschutzgründen höchst bedenklich ist. Diese datenschutzrechtlichen Bedenken animierten in diesem Beispiel dazu, nach einer technisch sicheren und legalen Lösung zu suchen. Das neue, verwendete Produkt ist DS-GVO-kompatibel. Die Kommunikation erfolgt verschlüsselt. Zudem greift das Produkt nicht auf die gespeicherten Kontakte auf dem mobilen Endgerät zu.

Eine Zuordnung der Bilder zu einem Patienten ist nur dem versendenden Behandlungsteam in der Klinik (innerhalb der Firewall) möglich. Die DICOM-Datensätze werden anonymisiert versendet. Der Grad der Anonymisierung kann von dem Krankenhausträger frei definiert werden, etwa wie viele Ziffern der Patienten-ID angezeigt werden sollen. Die Bilder werden automatisch nach einer vom Krankenhausträger definierten Zeit gelöscht. Praktikabilität, Schnelligkeit und einfache Bedienbarkeit herkömmlicher Messenger bleiben aber erhalten, sodass sich eine entsprechend hohe Nutzungsrate entwickeln konnte und zudem kaum Einarbeitungszeit erforderlich war.

Zwischenfazit

Der erste Schritt war die Sicherstellung eines legalen Bildaustauschs. Auf diese Weise konnte neuroradiologische Expertise in diesem Beispiel 24 Stunden/Tag intern zur Verfügung gestellt werden.

 

Ausweitung auf externe Teilnehmer

Im Laufe der Zeit entwickelte sich auch bei den niedergelassenen Kollegen und benachbarten Krankenhäusern der Wunsch nach Unterstützung für bestimmte komplexe Fragestellungen, sodass einige größere Praxen verschiedenster Fachgebiete in das System integriert wurden. Hierzu waren einfache technische Modifikationen des Netzwerks nötig, weil die Aufnahmen der Patienten jetzt von außerhalb der Krankenhausfirewall zur Verfügung gestellt werden mussten.

Laptop für Niedergelassene dient auch als Gatewayserver

Die Lösung lag darin, den niedergelassenen Kollegen einen Laptop zur Verfügung zu stellen, der einerseits als Lesegerät für die auf DVDs gespeicherten Bilder dient und andererseits als anonymisierender Gatewayserver fungiert. Dadurch entstand ein Netzwerk, das den niedergelassenen Kollegen eine neuroradiologische, radiologisch-onkologische oder radiologisch-interventionelle Kompetenz bietet, und zwar immer und „on time“. D. h., die Kollegen können Expertenmeinungen in die Behandlung oder Beratung des Patienten direkt einfließen lassen. Zudem vereinfachte sich die Begleitung der von der Klinik behandelten und von den niedergelassenen Kollegen weiterbetreuten Patienten. Der Versand von DVDs und das Warten auf eine konsiliarische Mitbeurteilung der Bilder entfiel.

Kosten sind überschaubar

Im Beispiel wird allen Teilnehmern die neuroradiologische Kompetenz kostenlos angeboten. Die technischen Voraussetzungen für die internen sowie für die niedergelassenen Kollegen wird selbst geschaffen. Die Kosten sind gering und belaufen sich auf etwa 120 Euro/Jahr pro Netzwerkteilnehmer. Ein entsprechend vorbereiteter Laptop kostet einmalig etwa 300–400 Euro.

Vorteile des Netzwerks

Das neue System unterstützt die Zusammenarbeit von interdisziplinären Teams, die in der Maximal- und Regelversorgung Hand in Hand miteinander arbeiten.

Patienten suchen Netzwerk gezielt

Mittlerweile wird dies von den Patienten zunehmend honoriert und gefordert. Möglicherweise ergibt sich daraus ein „Wettbewerbsvorteil“ der nutzenden Praxen nach dem Motto: „Nur wenn wir (als Patienten) in eine der „Netzwerk-Praxen“ gehen, erhalten wir eine Zweitmeinung von einem Experten und müssen nicht warten.“

Klinik steigert Qualität und verbreitert Zuweiserpool

Aus Sicht der Klinik ergibt sich aus diesem System intern eine zunehmende Qualitätssicherung und extern ein wachsender Zuweiserpool, insbesondere für interventionelle oder operativ zu versorgende Patienten. Gleichzeitig gelingt so auch der Schutz eines Alleinstellungsmerkmals. Denn beispielsweise entsteht in einer benachbarten Klinik kein Bedarf für die Etablierung einer möglicherweise wenig genutzten Spezialkompetenz. Zudem wird für diese Krankenhäuser eine Verlegung des Patienten in ein übergeordnetes Zentrum nicht mehr notwendig.

Gesamtfazit

Von dem neu etablierten Netzwerk profitieren die Patienten, die teilnehmenden Partner im Gesundheitswesen und das übergeordnete Krankenhaus. Letztlich werden so Spezialkompetenzen aus einem Zentrum in die Regionen getragen.